Hintergrund

Warum Apps von Kameraherstellern nicht besser funktionieren

David Lee
27.7.2023

Auch im Jahr 2023 ist eine stabile Verbindung vom Smartphone zur Kamera keine Selbstverständlichkeit. Warum eigentlich nicht?

Smartphone-Apps für Kameras sind in der Theorie eine super Sache. Damit lässt sich eine direkte drahtlose Verbindung zwischen den Geräten herstellen. Sei es, um die soeben geschossenen Ferienfotos schnell mit Freunden zu teilen oder um das Smartphone als Fernauslöser zu nutzen. Die Realität sieht oft anders aus: Die Verbindung kommt erst im x-ten Anlauf zustande oder bricht mitten im Betrieb ab. Nach meiner Erfahrung sind solche Verbindungsprobleme nicht die Ausnahme, sondern die Regel.

Verbindung fehlgeschlagen: Alles wie gewohnt.
Verbindung fehlgeschlagen: Alles wie gewohnt.
Quelle: David Lee

Damit bin ich nicht alleine. Richard Butler geht in einem Beitrag auf dpreview.com der Frage nach, wieso die Kamerahersteller so etwas Banales wie eine stabile Wi-Fi-Verbindung bis heute nicht hinkriegen. Seine Analyse scheint mir plausibel. Ich fasse die Gründe hier in meinen eigenen Worten zusammen.

Erster Grund: Die Smartphone-Systeme

Bei Android müssen die Kamerahersteller mit den unterschiedlichsten Geräten, Herstellern und Android-Versionen zurechtkommen. Folglich testen die Kamerahersteller längst nicht alle Geräte- und Systemkombinationen. In der Apple-Welt ist die Lage übersichtlicher, dafür gibt es andere Probleme. Offenbar ist es für Kameras bis heute nicht möglich, die NFC-Verbindung von iPhones zu nutzen. Apps waren zudem lange nicht berechtigt, WLAN-Einstellungen zu ändern. Heute dürfen sie es, aber erst nach Rückfrage. Das erhöht zwar die Sicherheit, aber es verhindert, dass eine Kamera-App eine Verbindung vollautomatisch aufbauen kann.

Zweiter Grund: Kamerahersteller sind keine Software-Buden

Eine Kamera ist Hardware. Natürlich enthält sie auch Software – und die Bedeutung der Software ist über die Jahre stetig gewachsen. Doch im Kern sind Kamerahersteller nach wie vor Hardware-Hersteller und investieren relativ wenig in die Software-Entwicklung.

Das betrifft nicht bloss die Smartphone-Apps. Eine Kamera hat ein proprietäres Betriebssystem. Dieses läuft auf einem spezialisierten Prozessor, es werden keine Standardkomponenten wie in einem Smartphone benutzt. Die Kamerahersteller sind hier auf sich allein gestellt.

In den Nullerjahren habe ich diverse Smart-TV-Plattformen oder auch Handys mit proprietären Betriebssystemen getestet. Da konnte ich gut sehen, was passiert, wenn hardwarezentrierte Konzerne Software und ganze Betriebssysteme selbst entwickeln. Das wirkte über weite Strecken holprig, langsam, fehleranfällig und nur selten intuitiv. Android hat diesen Herstellern einen grossen Dienst erwiesen. Im Kamerabereich gibt es bisher nichts Vergleichbares.

Dritter Grund: Lange Lebensdauer von Kameras

Als dritten Grund nennt Butler, dass Kameras normalerweise fünf, zehn oder noch mehr Jahre genutzt werden – im Gegensatz zu Smartphones. Neue, schnellere Drahtlos-Standards beherrschen sie darum oft nicht. Das Grundproblem ist aber dasselbe wie bei Grund Nummer eins: dass die Kamera mit den unterschiedlichsten Generationen von Smartphones und deren Betriebssystemen kompatibel sein müsste.

Auch ältere Kameras müssen mit neuen Systemen kompatibel bleiben. Das gelingt nicht immer.
Auch ältere Kameras müssen mit neuen Systemen kompatibel bleiben. Das gelingt nicht immer.
Quelle: David Lee

Es wird besser – aber nur langsam

Es gibt Fortschritte. Mit einer neuen Kamera und einem aktuellen Smartphone klappt die Verbindung mittlerweile ganz gut und bleibt stabil. Meistens. Aber das Tempo des Fortschritts ist gemächlich. und ich bezweifle, dass sich das bald ändert.

Alles proprietär zu entwickeln, wird für die Hersteller immer schwieriger. Denn die Ansprüche an die Software wachsen. Die Hersteller sollten in Erwägung ziehen, Standard-Komponenten in die Kameras einzubauen. Zum Beispiel ARM-basierte Chips und ein System mit einem Linux-Kernel – also so etwas wie eine abgespeckte Android-Version. Ob das technisch machbar ist, weiss ich nicht, aber es wäre wirtschaftlich sinnvoll. So könnten die Hersteller zukünftige Anforderungen vermutlich besser und billiger erfüllen.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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