
True Wireless Earphones an der IFA: Das Duell der Neuesten

Kabel an Kopfhörern bleiben, sagen die einen. Kabel sind out die anderen. Zu letzteren gehören unter anderem JBL und Bang & Olufsen. Beide haben an der IFA in Berlin neue Ohrstöpsel vorgestellt, die ganz ohne Kabel auskommen. Wir haben sie gegeneinander antreten lassen.
Die JBL Free haben eine kombinierte Akkulaufzeit von 24 Stunden. Die Bang & Olufsen Beoplay E8 brüsten sich im Gegenzug mit ihrer extremen Leichtigkeit. Soundqualität vom Besten versprechen beide, genau wie hochwertige Verarbeitung und das beste Sound-Engineering ever. Die beiden Kopfhörer sind an der IFA in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt worden und Videoproducerin Stephanie Tresch und ich haben uns gedacht, dass wir die Headphones gegeneinander antreten lassen wollen.
Das Konzept ist einfach: Wir suchen uns einen Song, den wir beide mögen und gut kennen, dann hören wir den auf beiden Ohrstöpseln an und bewerten diese. Verstärkung erhalten wir überraschend von Fabio Endrich, Produktmanager für Audiogeräte. Er ist eigentlich an der IFA um Lieferkanäle für die neuesten Geräte zu sichern und Unerwartetes zu entdecken, aber als er von unserem Test hört, ist er spontan mit dabei. Das ist dahingehend gut, da Fabio in seiner Freizeit nicht nur Audiophiler sondern auch Musiker ist.
Eigentlich wollten wir die Sennheiser Momentum Free auch noch testen, aber am Stand des Unternehmens wurden wir mehrfach vertröstet nachdem wir kurz probehören durften und beeindruckt waren. Den Test holen wir auch noch nach.
“Höhöhö, komm, wir stören die Dreharbeiten”
Der Dreh beginnt. Fabio und Stephanie stehen hinter der Kamera während ich auf einer Bank sitze und mich mit den Beoplay E8 vertraut mache. Der Test-Track: “Smells Like Teen Spirit” von Nirvana. Zwei Typen sehen, dass Stephanie mit einer Kamera rumhantiert und Sound adjustiert. Sie beschliessen, dass sie einen Lautsprecher etwa drei Meter von uns entfernt voll aufdrehen wollen, damit die Dreharbeiten möglichst gut gestört werden. Ich sehe zwar wie Fabio und Stephanie sich ärgern. Sie hält sich ein Ohr zu während sie mit der anderen die Kamera auf dem Einbeinstativ hält. Er dreht sich um und wirft böse Blicke in Richtung der jungen Männer, die sich ob dem Lärm freuen.

Ich höre nur Kurt Cobain und seine Band mit dem kryptischen Text, dessen Bedeutung bis heute noch ein Rätsel ist. Aber ich spüre den Lärm. Ich trage an Messen ein altes, abgewetztes Paar Doc Martens, die ich neu besohlt habe. Ich spüre den Bass der Radaubrüder-Box durch die Stiefel. Ich denke zuerst, dass die E8 Active Noise Cancelling haben. Haben sie aber nicht. Die Abdichtung in meinem Ohr ist so dermassen gut, dass mir der Rest der Welt akustisch wurscht ist. Der Standarbeiter, der uns beim Test helfen soll und aufpasst, dass wir nicht einfach seine 300-Franken-Ohrstöpsel mitgehen lassen, sagt, dass die E8 eine Laufzeit von bis zu vier Stunden haben, wenn sie bei moderater Lautstärke Musik wiedergeben. Da sehe ich ein Problem. Der Sound ist zwar rund und schön, aber etwas leise. Ich höre generell nicht allzu laut Musik, aber die Beoplays muss ich auf volle Lautstärke drehen, um mein bevorzugtes Volumen zu kriegen.
Weniger beeindruckt gibt sich Stephanie. Sie wechselt die Aufsätze der E8 aus und nimmt die kleinsten. Selbst dann wollen die Earplugs nicht richtig sitzen. Sie hört nur schöne Musik, wenn sie sich die E8 in die Ohren drückt, wie wenn du dir die Ohren zuhältst. Im Alltag ist das total unbrauchbar. Mit den Fingern in den Ohren ist der Sound aber sehr gut, gibt sie zu Protokoll. Ihr Test ist kurz, etwa halb so lang wie der Nirvana-Song, aber keiner unserer Gruppe sieht ein, warum die Videoproducerin mit Fingern in den Ohren rumsitzen soll. Da hilft auch ein lederüberzogenes Charging Case nicht.
Fabio ist skeptisch. Sind die Beoplay E8 nicht zu teuer? Klar, Design und Sound Engineering seien vom Feinsten, sagt er. “Auch wenn die Snare Drums etwas beissen”, sagt er. Doch rechtfertigt das den Preis. Er fragt nach: Können die Equalizer vom User selbst eingestellt werden? Die Antwort unseres Aufpassers, an dessen Englischkenntnissen wir so langsam zu zweifeln beginnen: Jein. Da gebe es eine App, aber die sei noch nicht fertig. Oder werde noch einem Update unterzogen.
Fabio klaut ein Privathandy. Zu Testzwecken, natürlich
Am JBL-Stand, der Part des Harman-Kardon-Stands ist, tun wir uns zuerst schwer, die JBL Free zu finden. Kopfhörer überall und alle sehen sie schick aus. Wir suchen aber die kleinsten Headphones. Nur gerade 99 Gramm wiegt das gesamte Set und verspricht 24 Stunden kombinierte Akkulaufzeit. Damit meint das Marketingdepartment JBLs, dass die Ohrstöpsel der Free vier Stunden Akkulaufzeit haben, das Case aber fünf weitere volle Ladungen in sich trägt. Okay, JBL-Marketingdepartment, den Punkt müssen wir dir geben. Wir horchen bei “24 Stunden [vages Wort] Laufzeit” auf.

An einem runden Tisch finden wir ein rundes Etui, in denen die JBL Free liegen. Sie sind mit etwas gepaart und Musik spielt. Fabio steckt sie sich zuerst ins Ohr. Er will den Song verstellen. Nirvana solls noch einmal sein. Ein Smartphone liegt nahe dem Etui und er packt zu. Eine junge Frau schaut ihn fragend an. Er schaut etwas verwirrt zurück. Es dämmert ihm. “Ist das dein Handy”, fragt er. “Ja, schon”, sagt sie. Entschuldigungen folgen, doch die Frau nimmt es mit Humor. Sie sei sich das gewohnt und das Gerät sei auch die Fernsteuerung für die Earplugs. Der Test beginnt.
Der unfreiwillige Handydieb beginnt den Test. “Die hohen Töne sind etwas flach”, sagt er. Zudem sei er mit dem Noise Cancelling, auch nur passiv in den JBL Free, nicht zufrieden. In einer grossen Menschenmenge werde der Musikgenuss gestört. Bei elektronischer Musik sei es zudem möglich, dass die Höhen etwas kratzig werden. "Wenn du Metal oder Rock hörst, dann ist das aber weniger ein Problem".

Mich beeindrucken die JBLs nicht. Der Hauptgrund: Der rechte Stöpsel will gar nicht so recht im Ohr halten. Links geht gut. Rechts hält gar nicht. Nicht, dass der JBL Free seine Freiheit in Richtung der Schwerkraft suchen würde, aber es fühlt sich so an, als ob der Ohrenstöpsel nur so Bitzli aufgelegt ist, aber nicht satt sitzt. Meine Ohren sind seltsam. Der Sound aber in meinem linken Ohr klingt aber ganz okay, auch wenn die linke Earbud etwas dick ist. Daher ist es auch nicht weiter erstaunlich, dass die Schallisolierung eher bescheiden ist. Ich kann das Gespräch zwischen Fabio und einem Mann fast Wort für Wort mithören.
Stephanie bekennt sich zu JBL. “Ich habe mir schon vier JBL-Kopfhörer gekauft. Zwei habe ich verloren und zwei sind kaputt gegangen”, sagt sie. Der Nachfolger ihrer erst jüngst durch Drauftreten kaputt gegangenen JBLs heisst dann wohl JBL Free, oder? “Naja, ich war mir da ganz sicher, aber dann habe ich die Sennheiser Momentum Free probiert”, sagt sie. Dennoch: Nur bei Nirvana bleibt es für Stephanie nicht. Sie hört sich den nächsten Track an und als wir zum Dreh des Fazits nach draussen wollen, warten wir noch, bis das Lied in Stephanies Ohren zu Ende geht. Die Frau, der Fabio das Phone geklaut hat, bekommt ihr Samsung-Phone endlich wieder zurück und wir setzen uns zum Fazit hin.
Zweimal Dänemark
Der Grund, warum wir dankbar um die drei Stimmen im Test waren, ist, dass wir dann keine Pattsituation haben und dann auf einem “Wir wollen hier keinen sauer machen”-Statement wie “Keiner kann gewinnen, alles ist dein Geschmack” enden. Weil wenn drei sich zwischen zwei Dingen entscheiden müssen, dann wird etwas die Zweidrittelmehrheit haben.
- Die Videoproducerin entscheidet sich klar für die JBL Free. Denn die Beoplay E8 halten nicht in ihren Ohren.
- Der Journalist würde sofort die Beoplays kaufen. Denn wenn die Welt komplett ausgeblendet werden kann, dann schreibt es sich manchmal wesentlich leichter
- Der Produktmanager spricht sich mit fundierten Vorbehalten für die E8 aus. Er differenziert aber klar den Musikgeschmack des Users und bemängelt den fehlenden App Support zum Launch. Denn so sei ein abschliessendes Expertenurteil nicht wirklich möglich
Der Rat aus der Redaktion und dem Produktmanagement aber ist, dass du, wenn immer möglich, die Kopfhörer antesten solltest, bevor du sie kaufst.


Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.