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Captain Marvel: Die verschenkte Superheldin
von Dominik Bärlocher
In DCs Film «Shazam» kommt im Abspann eine Szene. Sie verwirrt mehr als sie sagt. Doch Comic Fans wissen genau, wer da spricht.
Achtung: Der folgende Artikel ist ein gigantischer Spoiler. Wenn du dir Shazam ansehen willst und die After Credits Scene nicht versauen willst, dann mach den Tab hier bitte zu, denn nach dem Trailer geht es hart mit Spoilern weiter. Für alle anderen: Let's do this!
Dr. Sivana ist besiegt, Shazam hat seine Kräfte geteilt und seine Mutter gefunden. Der Abspann rollt. Dann, Schnitt. Wir sehen, wie Dr. Sivana im Knast wild an Wänden herumkritzelt. Mystische Symbole. Es ist klar: Sivana ist noch nicht geschlagen.
Ein Lachen. Eine metallische Stimme.
«Primitive Symbols. You walking, talking monkeys with your cave drawings. You assume there's only one way to gain magic.»
Sivana dreht sich um. Vor einem Gitter steht eine grüne Raupe mit weissen Augen und zwei Fühlern. Spricht dieses Vieh etwa?
Die Antwort: Ja. Das ist Mr. Mind, einer der ältesten Gegner aus den Comics.
Mr. Mind ist zum ersten Mal in «Captain Marvel Adventures #22», veröffentlicht am 26. März 1943, aufgetreten. Damals hiess Marvel Comics noch Timely Comics und Marvel war nur eine Shell Company, die anno 1944 zum ersten Mal aufgetreten ist. Darum hiess Shazam damals noch Captain Marvel. Bis heute wird der Superheld in den Comics manchmal noch so genannt. Aus rechtlichen Gründen aber heisst er im Film «Shazam».
In der Geschichte «The Monster Society of Evil», eine von acht Geschichten im 10 Cent teuren Heft, berichtet Radioreporter und Kind Billy Batson vom Besuch einer orientalischen Prinzessin.
Billy Batson ist bereits im zarten Teenageralter ein Weltstar in der Radioszene. Doch diesmal dringen seine Radiosignale bis weit in den Weltraum vor. Ein gewisser Mr. Mind schnappt die die Radiowellen auf. Mr. Mind setzt sich an seinen Radiosender und ruft einen der grössten Schurken der Erde: Captain Nazi!
Captain Nazi soll die Perlen der Prinzessin stehlen, denn sie sind magisch. Die Achse des Bösen kann richtig davon profitieren.
Als Mr. Mind nach den Gründen seines Handelns gefragt wird und ob er auf der Seite der Achsenmächte steht, antwortet er, dass er das nur tut, weil es böse ist.
Der erste Versuch, die Juwelen zu stehlen, geht aber schief. Denn um die Magie zu benutzen, müssen die Nazis zwei Perlen haben. Eine davon ist immer noch in Indien. Captain Nazi und die Prinzessin müssen sie also holen gehen. Doch Captain Marvel platzt in die Reiseplanung und spricht zum ersten Mal mit Mr. Mind. Dieser gibt an, dass er so gescheit ist, dass er nie sein Gesicht zeigen wird.
Doch Mind hat kein wirkliches Mitteilungsbedürfnis. Denn er will nur Zeit schinden, bis die Monster Society of Evil im Haus ist. Denn Mr. Mind hat die mächtigsten Gegner Captain Marvels versammelt: Den verrückten Wissenschaftler Dr. Sivana, den superstarken Ibac, den Kampfsportmeister Nippo the Nipponese und den musikalischen Spion Mr. Banjo!
Kann Captain die Schurken besiegen? Werden die Nazis siegen? Die Ausgabe endet, bevor die Geschichte endet. Fortsetzung folgt. Und Mr. Mind bleibt ein Geheimnis.
Zu Gesicht bekommen die Leser Mr. Mind zum ersten Mal in Ausgabe #26 von Captain Marvel Adventures, als Billy Batson noch immer der Monster Society of Evil nachjagt. Eine Raupe fällt auf Billy Batsons Schulter und er fegt sie einfach weg.
Der rasende Radioreporter weiss nicht, dass er gerade den grössten Schurken des Universums mit einer Handbewegung geschlagen hat. Doch Billy kann sich nicht um die Raupe kümmern, denn ein Hüne attackiert ihn und hält ihm den Mund zu. Der Teenager kann sein Zauberwort «Shazam» nicht sagen, damit er sich in den Superhelden Captain Marvel verwandeln kann. Doch kurz bevor er vom gigantischen Mann betäubt werden kann, schafft er es gerade noch so knapp, das Wort zu sagen.
Der Kampf beginnt. Erst eine mächtige Kopfnuss schafft es, den Bösewicht auszuschalten.
Am Ende entkommt die Raupe Mr. Mind, denn Captain Marvel hat die ganze Zeit gedacht, der Hüne sei Mr. Mind. Ein Trick, denn Mr. Mind kann seine Stimme projizieren.
Die Enthüllung kommt in der folgenden Ausgabe, #27, als die rassistische Karikatur des Steamboat, den Oberbösewicht beinahe in einem Apfel zerbeisst. Danach droht dem grünen Schurken sogar, dass er von Captain Marvels Stiefel zerstampft wird.
In seiner Geschichte ist Mr. Mind in total 178 Comicausgaben erschienen. Dies nicht, weil er so ein toller Schurke ist, sondern weil er mal als gigantisches Monster herhalten musste und dann und wann hat ein Held mal einen Gegner gebraucht, über den die Leser lachen konnten.
Irgendwann haben sich die Autoren bei Fawcett Comics, später von DC Comics aufgekauft, überlegt, wer denn Mr. Mind eigentlich sei. Er stammt von einer fernen Welt, manchmal auch aus einer anderen Dimension oder dem Planeten Venus, wo er einer Rasse von schwachen unterirdischen Würmern angehört. Doch er ist dort ein Aussenseiter. Hochintelligent und extrem ambitioniert will Mr. Mind über sein Schicksal als Wurm hinauswachsen. Aber er ist klein, schwach und hat keine Hände.
Der Zufall will es so, dass Mr. Mind seine Fähigkeit entdeckt, den Geist anderer Lebewesen zu übernehmen, manchmal ist das auch Hypnose. Er lässt sich eine Brille, einen Stimmverstärker und ein Labor bauen. Dem Weltherrschaftsplan steht nichts im Wege.
Ausser Captain Marvel, im Kino als Shazam bekannt.
Mr. Mind wird zum Tode verurteilt, überlebt seine eigene Hinrichtung aber und führt seinen Kampf gegen Captain Marvel fort. Bis zum DC-Comics-Event namens «52». Dort übernimmt er einen Roboter namens Skeets und tötet Zeitreisende. Dann attackiert er mal das Japanische Superhelden-Team mit dem Namen Super Young Team.
Dann attackiert er mal Lex Luthor. Dann trifft er jüngst wieder auf einen alten Freund: Dr. Sivana. Denn ob gross, ob klein, ob geschlagen oder zeitfressend: Mr. Mind ist nicht aufzuhalten. Und offensichtlich Teil des Shazam-Sequels.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.