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Solo – A Star Wars Story: Die triumphale Rückkehr zu alten Stärken

Star Wars ist für grosse Geschichten bekannt, in denen es um nichts Geringeres als den ultimativen Kampf Gut gegen Böse geht. «Solo – A Star Wars Story» bricht mit dieser Tradition. Und das ist das Beste, was dem Film-Franchise passieren konnte.

Juni 2017. Lucasfilm trennt sich vom Regie-Duo Phil Lord und Chris Miller. Grund: Kreative Differenzen. In der Filmbranche gar nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich ist nur der Zeitpunkt des Rausschmisses: Die Dreharbeiten dauerten bereits vier Monate an und wären in gerade mal drei Wochen beendet gewesen. Aber das Regie-Duo ist weg, und auf einmal muss ein ganz neuer Film her – in Rekordzeit.

Na toll. Fans und Experten sind sich sicher: Das wird ein Flop.

Mai 2018. Der Abspann läuft, und mein breites Grinsen kriege ich nicht mehr weg. Ich bin happy. Nicht, weil ich einen Star-Wars-Film bekommen habe, sondern, weil ich keinen Star-Wars-Film bekommen habe. Jedenfalls nicht den typischen «Es geht um das Schicksal des Universums und um das Seelenheil des Auserwählten»-Film.

Nein. «Solo – A Star Wars Story» ist leichtfüssig, ein verwegenes Space-Adventure, das zwar kaum nachklingen wird, dafür aber verdammt viel Spass macht. Und das ist gut so.

Once upon a time in a galaxy far far away...

«Chewie? Wir sind Zuhause.» Han Solo in «The Force Awakens»
«Chewie? Wir sind Zuhause.» Han Solo in «The Force Awakens»

Der noch ziemlich grüne und rebellische Han (Alden Ehrenreich) befindet sich unter Imperialem Dienst, als er einer Schmuggler-Truppe rund um Anführer Tobias Beckett (Woody Harrelson) begegnet. Beckett, beeindruckt von Hans Fähigkeiten, nimmt ihn kurzerhand unter seine Fittiche. Er avanciert schon bald zu Hans Mentor, der ihn in die zwielichtige Welt von Schurken, Verbrechern und Schmuggler-Syndikaten einführt.

Das Abenteuer um explosive Schmuggelware, charmante Spieler, haarige Begleiter und der wohl berühmtesten Schrottmühle der Galaxis beginnt. Und eine der gefürchtetsten Schmuggler-Routen überhaupt kriegt endlich ihren grossen Auftritt.

Regie-Legende Ron Howard to the rescue

Fun-Fact: Ron Howard war einst für «Star Wars – Episode 1: The Phantom Menace» im Gespräch, lehnte dann aber ab.
Fun-Fact: Ron Howard war einst für «Star Wars – Episode 1: The Phantom Menace» im Gespräch, lehnte dann aber ab.

«Solo – A Star Wars Story» lässt seine zwei Stunden und fünfzehn Minuten Laufzeit wie im Fluge vergehen. Der Film ist actionreich und rasant erzählt, und in seiner Leichtigkeit erinnert er oft an die frühen Anfänge von «Star Wars» aus dem Jahre 1977. Eine triumphale Rückkehr zu alten Stärken, sozusagen. Wüsstest du nichts über die turbulente Produktionsgeschichte von «Solo» – du würdest nichts davon bemerken.

Dafür gesorgt hat Regisseur Ron Howard. Eine Wahl, die nicht von allen Fans ausschliesslich gutgeheissen wurde. Der oscarprämierte Regisseur hat zwar Meisterwerke wie «Apollo 13», «A beautiful Mind» oder «Rush» inszeniert, allerdings auch Rohrkrepierer wie die Dan Brown Verfilmung «The DaVinci Code» oder das total belanglose «In the Heart of the Sea». Bei Howard weisst du einfach nie so recht, was du kriegst.

«Solo» gehört definitiv in die bessere Hälfte seiner Filmografie. Du merkst dem Film in jeder Sekunde an, dass ein Regisseur die Fäden in Händen gehalten hat, der etwas von seinem Handwerk versteht. Die Action-Szenen sitzen, das Tempo, mit dem die Handlung sich entfaltet, stimmt und der Film wirkt nie überhastet, weil er sich auch Zeit für seine Figuren und ihre Beweggründe nimmt.

Revolver-Duell à la «High Noon» in Star Wars? Ja, ab sofort gibt’s das.
Revolver-Duell à la «High Noon» in Star Wars? Ja, ab sofort gibt’s das.

Howard inszeniert «Solo» wie einen kleinen Indie-Film – Filme, die unabhängig von einem Filmstudio produziert werden –, und zeigt nur ganz nebenbei grossartige Kulissen, Kostüme, Schauplätze und Kreaturen, die dich aus dem Staunen nicht rauskommen lassen. Manchmal bist du dir nicht einmal sicher, ob du überhaupt noch einen Star Wars Film schaust.

Versteh mich nicht falsch: Der Film hat definitiv Geld gekostet, und auf der Leinwand siehst du jeden einzelnen Rappen davon. Aber «Solo» versteht sich als Spin-Off, dem zwar die star-wars-typische DNA innewohnt – etwa dann, wenn Sturmtruppler durchs Bild wuseln oder John Williams bekannte musikalische Themen erklingen – aber eigentlich will er eine ganz eigene Geschichte erzählen. Eine Geschichte, die nichts mit Darth Vader, Luke Skywalker oder dem Kampf Jedi gegen Sith, Gut gegen Böse zu tun hat. Eine Geschichte, die in ihrer Tragweite zunächst erstaunlich klein bleibt.

Das wirkt verdammt erfrischend.

Der neue, noch jüngere Han Solo

Alden Ehrenreich spielt einen noch sehr jungen Han Solo.
Alden Ehrenreich spielt einen noch sehr jungen Han Solo.

Alden Ehrenreich hat sich der undankbaren Herausforderung angenommen, Han Solo, eine der ikonischsten Filmfiguren überhaupt, neues Leben einzuhauchen. Die gute Nachricht vorweg: Er gibt eine würdige Performance ab. Optisch ähnelt er am ehesten Han Solo aus «The Empire Strikes Back», und die Körpersprache von Han Solo, wie du sie von Harrison Ford kennst, hat Ehrenreich verblüffend gut drauf.

Aber das berühmte, schräg verschmitzte Grinsen von Harrison Ford… nein, das hat er nicht hingekriegt.

Überhaupt, du wirst zu keinem Zeitpunkt sagen: «Ja, das ist es. Nur Ehrenreich hätte den jungen Han Solo so gut verkörpern können». Das haben schon die zahlreichen Trailer verraten. Aber wenn ich ehrlich mit meinen Erwartungen bin: Niemand hätte Ford ersetzen können. Dafür hat er einfach zu viel Charme, Arroganz und Schneid. Und trotz allen Zynismus, die Ford in Han Solo hat einfliessen lassen, liebst du den Kult-Schmuggler, weil er im Herzen eben doch der Gute ist.

Die Körpersprache Han Solos hat Ehrenreich drauf. Am meisten erinnert er an Harrison Ford in «The Empire Strikes Back».
Die Körpersprache Han Solos hat Ehrenreich drauf. Am meisten erinnert er an Harrison Ford in «The Empire Strikes Back».

Ehrenreich fehlt diese einzigartige Mischung aus Zynismus und Charme. Storytechnisch lässt sich das aber dadurch erklären, dass «Solo» doch einige Jahre vor «A New Hope» spielt. Es gilt noch viele Abenteuer zu bestehen, ehe er zu jenem schurkischen Schmuggler wird, den wir mit Harrison Ford kennen und lieben gelernt haben. Sympathisch ist Ehrenreich in seiner Rolle trotzdem, und mir gefällt seine rotzfreche Sturköpfigkeit, die eben doch ein wenig an Ford erinnert.

Dafür sticht der unheimlich sympathische Donald Glover heraus, der Lando Calrissian spielt: Charmant, aalglatt und gepflegt in der Ausdrucksweise – Volltreffer. Woody Harrelson als Tobias Beckett avanciert schnell zur Vaterfigur, die Han Solo niemals hatte, und wächst auch dir sofort ans Herz. Emilia Clarke, bekannt aus «Game of Thrones», erweckt zum ersten Mal überhaupt den Eindruck, auch ausserhalb ihrer Rolle als Drachenkönigin zu funktionieren. Die Erinnerung an «Terminator: Genisys» bleibt ein weit entferntes Schaudern.

Danny Glover als Lando ist ein Volltreffer. Und das Creature-Design übertrifft sich selbst.
Danny Glover als Lando ist ein Volltreffer. Und das Creature-Design übertrifft sich selbst.

Nur Paul Bettany als Dryden Vos kommt viel zu kurz. Er spielt den Anführer eines bösen Schmugglersyndikats, und er soll wohl so etwas wie der Darth Vader oder Kylo Ren von «Solo – A Star Wars Story» sein. Also die klassische Bösewicht-Figur, der du lieber nicht im Dunkeln begegnen möchtest. Aber bei geschätzten zehn Minuten Screentime kommt das einfach nicht hin.

Zum Glück funktioniert der Film auch ohne wirklichen Antagonisten, und das liegt am haarigen Motor von «Solo». Oh ja, du weisst, von wem ich rede.

Chewbacca – A Star Wars Story

Einer stiehlt ihnen allen die Show: Chewbacca, der grosse, haarige Begleiter von Han Solo. Neu unter der Perücke steckt Joonas Suotamo, und er tut dem Film unheimlich gut. Chewbacca ist nicht nur optisch, sondern auch physisch deutlich jünger, agiler und aktiver als Peter Mayhew. Mayhew ist schon seit 1977 dabei, aber zuletzt wirkte er als Chewie in «The Force Awakens» oder «The last Jedi» tatsächlich etwas altersmüde. Das ändert sich in «Solo». Chewie springt wie ein Adonis von Deckung zu Deckung, kämpft mit den Fäusten und reisst nebenbei noch Arme aus.

Manchmal droht der Film fast schon zur Chewie-Show zu werden. Gerade dann, wenn er einen kleinen Wookie-Aufstand anzettelt oder mit witzigen One-Linern sogar Han Solo übertrumpft. Überhaupt nimmt sich der Film viel Zeit, Chewie als Figur und Charakter zu etablieren, der eben nicht bloss Solos Sidekick ist. Eins ist klar: Chewie ist, vielleicht sogar zum ersten Mal überhaupt, Han ebenbürtig. Das funktioniert sogar so gut, dass ich mich dabei ertappe, mir einen Chewie-Spin-Off zu wünschen. «Uuuuuuaaahhhhrrr!»

«Die Abenteuer von Han und Chewie»… oder so.
«Die Abenteuer von Han und Chewie»… oder so.

Toll ist: Han Solo und Chewie sind ein Team, das sich finden muss. Die Freundschaft, die sich zwischen den beiden entwickelt, wirkt zu keinem Zeitpunkt gestellt. Jeder «Heldenmoment» ist verdient, und ich komme dahinter, was Han und Chewie, diese mittlerweile perfekt geölte Maschinerie, ausmacht: Chewie ist genau so draufgängerisch wie Han. Sie sind Brüder im Geiste, mit harter Schale, aber weichem Kern. Beide geben sich als Schurken, denen nichts was anhaben kann. Aber sie vergessen nie, wer die Guten sind, und wer die Bösen.

Hier hat Drehbuchautor Lawrence Kasdan ganze Arbeit geleistet. Kein Wunder: Er hat anno dazumals auch schon die Drehbücher zu «The Empire Strikes Back» und «Return of the Jedi» verfasst. Wenn einer weiss, wie das berühmt berüchtigte Schmuggler-Duo funktioniert, dann er.

Fazit – Also, was taugt der Film?

Die Abenteuer von Han und Chewie… oder so.
Die Abenteuer von Han und Chewie… oder so.

«Solo» löst das filmische Versprechen ab, das «Rogue One» 2017 einst gemacht, aber nicht ganz eingehalten hat. Denn der erste Spin-Off funktioniert nur innerhalb der Star Wars Reihe als eine Art «Star Wars: Episode Drei-Punkt-Fünf». Mich hat das nie gestört, aber eben. «Solo» hingegen ist das erste Spin-Off, das tatsächlich für sich alleine steht. Das erkennst du nicht zuletzt daran, dass er sich zeitlich nur sehr vage irgendwo zwischen «Revenge of the Sith» und «Rogue One» einordnen lässt. Und das auch nur, wenn du sehr viel Fan- und Vorwissen mitbringst, das du zum Genuss des Films aber gar nicht brauchst.

Müsste ich also meine Kritik zu «Solo – A Star Wars Story» in einen einzigen Satz zusammenfassen, dann wäre es: Der Film macht Spass, und zwar jede Menge.

Dabei sahen viele Foren-Krieger und Pantoffel-Kritiker dem Film ein klägliches Versagen voraus. Die Klatsch-Presse wollte gar wissen, dass Disney den Film bereits als Flop verbuche und die Marketing-Bemühungen deswegen auf ein Minimum reduziere.

Alles Quatsch.

Der Film hat sein Herz am rechten Fleck. Das wird mir dann bewusst, wenn er seinen Mittelfinger ziemlich deutlich in Richtung George Lucas und seinem Wahn, seine eigenen Werke nachträglich zu verhunzen, entgegenstreckt. Das möchte ich dir nicht spoilern. Nur so viel: «Han shot first», und das ist die letzte, grosse Wahrheit.

Ehrenreich als Han Solo vs. ...
Ehrenreich als Han Solo vs. ...
Ford als Han Solo.
Ford als Han Solo.

Die Schauspieler sind durch die Bank gut besetzt. Auch Alden Ehrenreich. Klar, an den Charme eines Harrison Ford kommt er nicht ran. Wer kann das schon? Aber sein Han Solo ist würdig.

Die wohl grösste Überraschung des Films: «Solo» ist oft derjenige Chewbacca Film, den wir uns gewünscht, aber nie bekommen haben. Denn um Chewie ranken sich viele Geschichten rund um Lebensschuld und Tapferkeit, Mut und pure Raserei. Viel Stoff für nicht realisierte Filme, sozusagen. Nun – wer Chewbacca liebt, der wird «Solo, but actually totally Chewbacca’s film – A Star Wars Story» lieben.

In diesem Sinne: «Uuuuuuuur. Aaaaaahhhhrrr. Uhrr, aaahhrr. Aaaarhg.»

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 

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