Razer Fujin Pro im Test: Knapp daneben ist auch vorbei
Produkttest

Razer Fujin Pro im Test: Knapp daneben ist auch vorbei

Die Gaming-Marke Razer versucht sich an einem stilvollen Premium-Stuhl: Der Fujin Pro orientiert sich am Herman Miller Aeron. Taugt Razers Imitation als Alternative zur Ikone? Mein Rücken hat Zweifel.

Der Fujin Pro ist Razers neuester «Gaming Chair». Bei diesem Begriff denke ich traditionell an klobige Kunstledersessel im Rennauto-Design. Ich hasse sie. Sie sind potthässlich, meist schlecht für den Rücken und völlig sinnlos an einem Schreibtisch. Ich meine: Vor welchen G-Kräften sollen mich die verdammten Seitenpolster hier schü...

...Ich schweife ab.

Zum Glück gibt es unter Gamern seit ein paar Jahren eine Gegenbewegung. Auf Twitch und YouTube sieht man immer öfter klassische Bürostühle. Streamer mit kleinem Budget sitzen auf sowas wie dem Ikea Markus, andere leisten sich einen Herman Miller. Das sieht professioneller aus und ist erst noch gesünder.

Diesen Trend haben Gaming-Marken bemerkt. Von Logitech G gibt es eigene Versionen der Herman-Miller-Modelle Embody und Vantum. Asus verkauft mit dem ROG Destrier Ergo ebenfalls einen ergonomischen Stuhl. Und nun springt auch Razer auf den Zug auf: Der Fujin Pro ist mit seinem Mesh-Design ein offensichtlicher Frontalangriff auf den Herman Miller Aeron. Eine Design-Ikone, auf der ich selber im Alltag sitze.

Auch preislich orientiert sich der Razer Fujin Pro an High-End-Bürostühlen. Er kostet über 1000 Franken oder 1200 Euro – günstiger als sein Vorbild, aber noch immer teuer. Ist er diesen Preis wert? Ich teste den Fujin Pro im direkten Vergleich mit dem Aeron.

Der Razer Fujin Pro (rechts) ist nach dem gleichen Prinzip gebaut wie mein treuer Herman Miller Aeron in der Grösse B (links), auf dem ich täglich sitze.
Der Razer Fujin Pro (rechts) ist nach dem gleichen Prinzip gebaut wie mein treuer Herman Miller Aeron in der Grösse B (links), auf dem ich täglich sitze.
Quelle: Samuel Buchmann

Design und Verarbeitung: raffinierte Rücklehne, schlichte Optik

Der Stuhl kommt in Einzelteilen, aber mit allem nötigen Werkzeug für den Aufbau. Razer empfiehlt dafür zwei Personen. Mit etwas Geschick geht es auch alleine. Als der Fujin Pro fertig vor mir steht, bin ich angenehm überrascht: Materialien und Verarbeitung machen auf den ersten Blick einen soliden Eindruck.

Der Fuss und das Gestell sind aus grau lackiertem Metall. Der Sitz besteht aus einem mit Mesh-Gewebe bezogenen Kunststoff-Rahmen, die Armlehnen sind mit Kunstleder bezogen. Sie sind die einzigen Teile, die etwas Spiel haben. Am Rest des Stuhls wackelt nichts. Razer gibt die maximale Tragfähigkeit mit 136 Kilogramm an. Die Rollen sind nur für Teppichböden geeignet. Auf Parkett laufen sie schlecht.

Der Fujin Pro von hinten. Frame und Standfuss sind aus einer Aluminiumlegierung.
Der Fujin Pro von hinten. Frame und Standfuss sind aus einer Aluminiumlegierung.
Quelle: Samuel Buchmann

Bei den meisten Stühlen lässt sich entweder nur die Rücklehne nach hinten neigen, oder Rücklehne und Sitzfläche sind in einem festen Winkel verbunden und schwingen gemeinsam vor und zurück. Beim Fujin Razer Pro sind Sitzfläche und Rücklehne jeweils an eigenen Gelenken befestigt – genau wie beim Herman Miller Aeron. Das bedeutet: Lehne ich mich zurück, neigt sich die Sitzfläche etwas nach hinten, die Rücklehne aber stärker.

Optisch finde ich den Stuhl okay. Er gefällt mir besser als die hässlichen Racing-Stühle. Doch an sein Vorbild von Herman Miller kommt der Fujin Pro nicht ran. Der Aeron steht nicht ohne Grund in der Sammlung des Museum of Modern Art. Der Fujin Pro wirkt weniger elegant. Die Rückenlehne wird gegen unten nicht schmaler und die Sitzfläche ist weniger schalenförmig. Der separate Bügel, der als Aufhängung für die Armlehnen dient, sorgt zudem für ein wuchtigeres Gesamtbild.

Die Rücklehne des Aeron (links) verjüngt sich nach unten. Das gibt Platz für die Arme. Der Fujin Pro (rechts) hat eine andere Form. Die separate Aufhängung der Armlehnen machen ihn zudem breiter.
Die Rücklehne des Aeron (links) verjüngt sich nach unten. Das gibt Platz für die Arme. Der Fujin Pro (rechts) hat eine andere Form. Die separate Aufhängung der Armlehnen machen ihn zudem breiter.
Quelle: Samuel Buchmann

Einstellmöglichkeiten: Details als Verhängnis

Der Fujin Pro lässt sich auf alle möglichen Arten anpassen. Die Hebel und Knöpfe sind alle sinnvoll platziert und beschriftet. Folgende Dinge kann ich einstellen:

  • Sitzhöhe
  • Widerstand der Wippfunktion
  • Arretierung der Rücklehne in vier Positionen
  • Sitztiefe bzw. Position der Sitzfläche
  • Höhe, Ausrichtung und Position der Armlehnen
  • Position und Intensität der Lendenwirbelstütze
  • Höhe und Neigung der Kopfstütze
An Einstellmöglichkeiten mangelt es dem Fujin Pro nicht. Mit dem Hebel lässt sich zum Beispiel der Widerstand der Rücklehne einstellen.
An Einstellmöglichkeiten mangelt es dem Fujin Pro nicht. Mit dem Hebel lässt sich zum Beispiel der Widerstand der Rücklehne einstellen.
Quelle: Samuel Buchmann

Anders als sein Herman-Miller-Vorbild kommt der Razer Fujin Pro nur in einer ziemlich grossen Grösse. Die Masse gleichen dem Aeron in der Version C – das ist die grösste. Die Sitztiefe passt mir mit meinen 186 cm Körpergrösse ganz gut, wobei ich die Sitzfläche ganz nach hinten schiebe. Ich vermute, dass Personen unter 175 cm für den Stuhl zu kurze Oberschenkel haben.

Der Sitz ist nicht nur tief, sondern auch breit. Dadurch befinden sich auch die Armlehnen weit auseinander. Sie lassen sich zwar etwas nach links und rechts schieben und drehen. Doch selbst in der engsten Position ist mir als Spargeltarzan der Abstand zu gross.

Viel schlimmer finde ich aber die Mechanik der Lendenwirbelstütze. Zwar kann ich vorbildlich sowohl Höhe als auch Intensität anpassen. Aber die Einstellung hält nicht. Schraube ich die Kissen nach vorne und drücke einmal mit dem Rücken fest dagegen, macht es «Klack-klack-klack» und die Lendenwirbelstütze befindet sich zurück in der sanftesten Position. Der Widerstand des Mechanismus ist zu gering.

Der Schraub-Mechanismus für die Lendenwirbelstütze ist der grösste Schwachpunkt des Stuhls.
Der Schraub-Mechanismus für die Lendenwirbelstütze ist der grösste Schwachpunkt des Stuhls.
Quelle: Samuel Buchmann

Noch fehleranfälliger ist die Kopfstütze. Sie lässt sich auf drei Arten einstellen. Dafür musst du keinen Knopf drücken, sondern etwas Gewalt anwenden. Genau das wird dem Mechanismus aber schnell zum Verhängnis. Bereits nach zwei Wochen rastet er bei mir nicht mehr ein. Andere User berichten vom gleichen Problem.

Sitzkomfort: Schlechte Lendenwirbelstütze bricht dem Fujin Pro das Rückgrat

Habe ich den Fujin Pro einmal richtig eingestellt, finde ich ihn für kurze Zeiträume sehr bequem. Das Mesh-Gewebe ist luftdurchlässig und straff, aber nicht zu hart. Die Vorderkante der Sitzfläche polstert Razer unter dem Mesh zusätzlich mit einem Kissen. So gibt es keine Druckstellen. Ich habe auf dem Stuhl mehr Bewegungsfreiheit bei meinem Aeron in der Grösse B. Dafür fühlt sich dort mein Rücken etwas besser gestützt an, wenn ich in korrekter Position ganz hinten im Stuhl sitze.

Nach einem Arbeitstag auf dem Aeron (links) fühlt sich mein Rücken besser an.
Nach einem Arbeitstag auf dem Aeron (links) fühlt sich mein Rücken besser an.
Quelle: Samuel Buchmann

Das führt mich zum grössten Problem des Razer Fujin Pro: Nach einer Weile bekomme ich systematisch Rückenschmerzen. Ich vermute drei Gründe:

  • Bei der Lendenwirbelstütze wollte Razer innovativ sein. Sie besteht aus zwei Kissen links und rechts der Mitte und sieht aus wie ein Schmetterling. Das ist eine schlechte Idee. Die Vorrichtung stützt eher die Nieren als die Wirbelsäule, was sich langfristig unangenehm anfühlt. Ein durchgehendes Polster wie bei der Non-Pro-Version des Fujin wäre einfacher und besser.
  • Wie oben beschrieben, drücke ich die Lendenwirbelstütze regelmässig mit dem Rücken wieder nach hinten. Manchmal passiert das so fliessend, dass es mir zu spät auffällt – nämlich dann, wenn die Rückenschmerzen einsetzen.
  • Die zusätzliche Freiheit der grossen Sitzfläche verleitet mich zu unergonomischen Sitzpositionen. Ich hänge öfters wie ein Sack Kartoffeln im Stuhl als im Herman Miller Aeron, der mich zum korrekten Sitzen animiert.
Die Sitzfläche des Fujin Pro ist flach und 52 cm breit. Das lässt Freiraum – auch zum falschen Sitzen.
Die Sitzfläche des Fujin Pro ist flach und 52 cm breit. Das lässt Freiraum – auch zum falschen Sitzen.
Quelle: Samuel Buchmann

Da jeder Rücken anders ist, muss meine negative Erfahrung nicht für alle Leute gelten. Braucht dein Kreuz wenig Unterstützung, hast du mit dem Fujin Pro vielleicht kein Problem.

Den Wipp-Mechanismus mit den zwei separaten Gelenken für Lehne und Sitzfläche finde ich genauso gut wie beim Herman Miller Aeron. Lehne ich mich zurück, vergrössert sich der Winkel zwischen Beinen und Rücken etwas – aber nicht so stark, dass ich nach vorne aus dem Sitz rutsche. Dazu trägt auch die gute Haftung des Mesh-Gewebes bei. Was Herman Miller aber besser löst als Razer: Beim Aeron kann ich Grenzen für die Wipp-Funktion setzen, aber bis an diese heran vor- und zurückschwingen. Beim Fujin Pro lässt sich die Lehne nur in vier vorgegebenen Positionen komplett fixieren.

Die Kopfstütze kann ich an zwei Achsen neigen und in der Höhe verstellen. Das bringt wenig, denn die untere Arretierung ist nach kurzer Zeit defekt.
Die Kopfstütze kann ich an zwei Achsen neigen und in der Höhe verstellen. Das bringt wenig, denn die untere Arretierung ist nach kurzer Zeit defekt.
Quelle: Samuel Buchmann

Die Kopfstütze hingegen hat der Fujin Pro dem Aeron voraus. Richtig eingestellt finde ich sie angenehm, wenn ich mich für ein YouTube-Video mal ganz zurücklehne. Allerdings kommt das selten vor und in aufrechter Position ist eine Kopfstütze überflüssig. Hinzu kommt, dass ich sie wegen des defekten Mechanismus ständig neu einstellen muss. Das nervt mich so sehr, dass ich sie irgendwann lieber komplett demontiere.

Garantie: dumm

Bei der Garantie tritt Razer so richtig ins Fettnäpfchen. Sie deckt bei Premium-Stühlen normalerweise Materialversagen sehr lange ab. Ein paar Beispiele:

  • Herman Miller Aeron: 12 Jahre auf alles, auch das Mesh
  • Steelcase Karman: 12 Jahre auf das Mesh, 8 Jahre auf den Rest
  • Giroflex Net Back: 5 Jahre auf alles

Und der Razer Fujin Pro? Er hat in der EU 5 Jahre auf Gestell, Mechanik und Armlehnen – und nur 1 Jahr auf den Mesh-Bezug.

Ein einziges Jahr! Diese Garantie ist inakzeptabel für einen 1000 Franken teuren Stuhl. In der Schweiz gilt gemäss Razer zwar die gesetzliche Mindestdauer von zwei Jahren auch für das Mesh-Gewebe. Aber selbst das scheint im Vergleich zu anderen Herstellern lächerlich. Die Knauserigkeit ist mir ein Rätsel, denn das Mesh wirkt genauso stabil wie bei anderen Herstellern. Entweder weiss Razer, dass es sich schnell abnutzt – oder die kurze Garantiedauer ist einfach nur dumm, weil sie für Misstrauen sorgt, obwohl ohnehin wenig Fälle zu erwarten wären.

Das Mesh wirkt robust. Ich verstehe nicht, warum Razer so wenig Garantie darauf gibt.
Das Mesh wirkt robust. Ich verstehe nicht, warum Razer so wenig Garantie darauf gibt.
Quelle: Samuel Buchmann

Fazit

Schwächen, die ich zu diesem Preis nicht verzeihe

Razer macht bei seinem ersten Vorstoss in die Welt von Mesh-Stühlen vieles richtig. Der Fujin Pro sieht vernünftig aus, hat eine ergonomische Form und lässt sich flexibel einstellen. Die Wipp-Funktion mit zwei Gelenken funktioniert gut. Für kurze Zeiträume sitze ich bequem. An der Materialauswahl lässt sich nichts aussetzen, die Verarbeitung ist an den meisten Stellen ebenfalls tadellos.

Aber eben nur an den meisten. Die Einstell-Mechanismen für die Kopfstütze und die Lendenwirbelstütze sind beide fehleranfällig. Bei der relativ unwichtigen Kopfstütze ist das nicht so tragisch. Doch die Lendenwirbelstütze, die nicht in ihrer Position bleibt, geht gar nicht. Selbst wenn sie mal hält, stützt ihre Schmetterlingsform eher die Nieren als die Wirbelsäule. Sitze ich zu lange auf dem Stuhl, bekomme ich Rückenschmerzen.

Ähnlich unverzeihlich finde ich Razers dürftige Garantie. Zwei Jahre (in der EU sogar nur ein Jahr) auf das Mesh-Gewebe sind zu wenig. Spätestens damit fällt der Fujin Pro deutlich hinter sein offensichtliches Vorbild zurück: Der Herman Miller Aeron kostet zwar mehr. Dafür fühlt er sich ausgereift an und kommt mit zwölf Jahren Garantie. Razers Imitation hätte funktionieren können, scheitert aber an wichtigen Details. Knapp daneben ist bei einem Premium-Stuhl auch vorbei.

Pro

  • Ergonomische Sitzposition
  • Guter Wipp-Mechanismus
  • Premium-Materialien
  • Kein Schwitzen dank Mesh-Gewebe
  • Viele Einstellmöglichkeiten

Contra

  • Lendenwirbelstütze verstellt sich selbst
  • Schlechte Form der Lendenwirbelstütze
  • Defektanfällige Kopfstütze
  • Einheitsgrösse nur für grosse Personen
  • Ungenügende Garantie
  • Angesichts der Schwächen zu teuer

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Mein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann an meinen Fingerspitzen in einer Felswand.


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