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Oppo Reno 4 Pro Review: Die neue Klasse, die es nicht gibt

Das Oppo Reno 4 Pro will kein Flaggschiff sein. Aber dann doch irgendwie. Nicht ganz so teuer, nicht ganz so gut, aber dann doch stellenweise massiv Leistung. Und: Warum ist das Marketing so seltsam?

Das Oppo Reno 4 Pro ist eine eigenartige Erscheinung auf dem Markt, sowohl visuell als auch im Kontext des Marktes. Denn Irgendwie spielt das Reno irgendwo da, wo kein anderes Phone spielt. Und es ist blau.

OPPO Reno4 Pro (256 GB, Galactic Blue, 6.50", Dual SIM, 48 Mpx, 5G)

OPPO Reno4 Pro

256 GB, Galactic Blue, 6.50", Dual SIM, 48 Mpx, 5G

OPPO Reno4 Pro (256 GB, Galactic Blue, 6.50", Dual SIM, 48 Mpx, 5G)
Smartphone

OPPO Reno4 Pro

256 GB, Galactic Blue, 6.50", Dual SIM, 48 Mpx, 5G

OPPO Reno4 Pro (256 GB, Space Black, 6.50", Dual SIM, 48 Mpx, 5G)
Smartphone
Gebraucht
519.80 zuletzt neu 599.–

OPPO Reno4 Pro

256 GB, Space Black, 6.50", Dual SIM, 48 Mpx, 5G

OPPO Reno4 Pro 5G (256 GB, Green Glitter, 6.50", Dual SIM, 48 Mpx, 5G)
Smartphone

OPPO Reno4 Pro 5G

256 GB, Green Glitter, 6.50", Dual SIM, 48 Mpx, 5G

So verreckt viel gibt es da gar nicht zu sagen, zum Phone selbst. Daher mal die Marktsituation, die echt spannend ist.

Das Fast-Flaggschiff

Das Oppo Reno 4 Pro kostet zum Launch im Oktober 2020 knapp unter 1000 Franken. Also knapp unter Flaggschiff-Preisen. Denn Oppo hat sich gedacht, dass das Phone eine neue Klasse schaffen soll. Oder einen Markt bedienen, der in dieser Form nur so halb existiert. Die Klasse, die irgendwie «Mittelfeld, aber leicht Flaggschiffig» ist.

Dem Preis tragen auch die Specs Rechnung. Wenn du Flaggschiff-Fan bist, dann wirst du vieles kennen. Da sind die 12 GB RAM, der 90 Hz Screen, das Triple Cam Setup mit 48 Megapixel. Bis dato ist alles über 60 Hertz Bildwiederholrate Flaggschiff.

Die Kamera ist klar auf Flaggschiff-Level. Ohne Frage.
Die Kamera ist klar auf Flaggschiff-Level. Ohne Frage.

Auf der Kehrseite ist das Qualcomm Snapdragon 765 System-on-a-Chip (SoC). Die Flaggschiffe sind mit der 800er-Serie, aktuell mit dem 865er, ausgestattet. Trotzdem: Das 765er kann 5G. Zwar ist das 5G im Oppo Reno 4 Non-Standalone (NSA), also basierend auf 4G LTE, aber es ist trotzdem schneller als LTE.

Die Kehrseite der Kehrseite ist, dass das Phone extrem leicht ist. 5G-Plattformen haben noch die Angewohnheit, schwer zu sein. Da Hersteller gerne unter der 200-Gramm-Grenze bleiben – eine magische Superzahl, ziemlich sicher resultierend aus dem selben Gedanken heraus wie «199.90 CHF ist nicht 200 Franken und daher okay» –, wird dann zugunsten des Stromfressers 5G gerne am Akku gespart. Mit 4000 mAh Gesamtakkuleistung und der NSA-Plattform wiegt das Reno 4 Pro ohne SIM-Karte 161 Gramm. Das ist nicht nur leicht für ein 5G-Phone, sondern allgemein sehr leicht.

Am Ende der ganzen Hardware-Zusammenbauerei liegt das Fast-Flaggschiff ziemlich gut in der Hand. 161 Gramm ist zwar nahe an «Fühlt sich billig an», denn ein gewisses Gewicht sollte ein Phone dann doch haben. Aber ich meine, dass diese Grenze irgendwo bei 155 Gramm liegt, also knapp unter dem Gewicht des LG V30 aus dem Jahre 2017. Das Teil ist zwar alt, war aber das erste Phone, bei dem ich mir überlegt habe, ob es nicht doch zu leicht ist. Dem guten Gefühl des Reno 4 hilft die Backplate, die ganz leicht rauh ist.

Die Kamera, die vielleicht etwas zu viel verspricht

Apropos Backplate. Da ist ein Camera Bump, den wir kennen. Irgendwoher. Vielleicht von einem nach einer Frucht benannten Konzern.

Oppo Reno 4 Pro links, iPhone 11 Pro Max rechts
Oppo Reno 4 Pro links, iPhone 11 Pro Max rechts

Es wird wohl jedem auffallen, dass der Kamerabuckel des Oppo Reno 4, abgesehen von der Anordnung der Kameras, mit dem der iPhones identisch ist. Da ist eine matte Backplate mit glänzigem ersten Buckel. Daraus stechen die Linsen auf einem zweiten Buckel heraus. Jaja, Oppo, und ihr dachtet so «das merkt eh keiner». Ja, ne, is klar.

Hinter den Buckeln, die überhaupt nicht dem iPhone abgeschaut sind – merkt keiner, gell – sind drei Kameras verbaut. Vier, wenn du den Tiefensensor auch als Kamera sehen willst. Technologisch gesehen ist der das, aber er macht halt keine Bilder, sondern liefert nur Telemetriedaten für die anderen drei Kameras, um das Bild sowohl bei der Aufnahme hardwareseitig wie auch bei der Nachbearbeitung mittels künstlicher Intelligenz (AI) zu optimieren.

Die anderen drei Kameras:

  • 48 Megapixel, f/1.7 Weitwinkellinse
  • 8 Megapixel, f/2.2, Ultraweitwinkellinse mit 119° Blickfeld
  • 2 Megapixel, f/2.4 Makrolinse

Das klingt erstmals so recht okay bis Standard. Besonders aber, sagt das PR-Material Oppos, sei der Sensor hinter der Weitwinkellinse. Der Sony IMX708 sei besonders gut geeignet für Aufnahmen im Dunkeln. Dazu hat Oppo dem Reno 4 einen Nachtmodus verpasst. Bei Fotos ist das nichts Ungewöhnliches. Bei Video hingegen nach wie vor schon, da dort weit mehr Daten weit schneller verarbeitet werden müssen und eigentlich niemand Bock darauf hat, warten zu müssen, bis ein Video fertig überarbeitet, neu gerendert und gespeichert ist.

Dazu sei das Video aus dem Dunkeln noch besonders gut stabilisiert. «Das hält sogar deinen Töff-Test aus», heisst es am Event. Der Test, mit dem ich bisher jede Kamerastabilisierung in die Knie gezwungen habe. Denn jede Smartphone-Kamera ist optimiert auf die Geschwindigkeit eines Fussgängers, eventuell einer Läuferin. Wenn du aber wissen willst, was so ein System wirklich kann, dann musst du es genau so verwenden, wie der Hersteller das nicht vorsieht – es also einem Stresstest unterziehen.

In der Regel heisst es dann vom Hersteller «aber das ist nicht der Use Case». Ja, weiss ich. Genau darum mach ich das. Oppo aber geht hin und fordert offen heraus, das System so zu testen, wie es nicht getestet werden soll..

Daher: Abends um 23 Uhr auf die Harley in der Hoffnung, vor dem Regen wieder zuhause zu sein.

Das war die erste Fahrt. Nach der Rückkehr auf den Wendeplatz, wo ein merkwürdiger weisser Van steht, der überhaupt nichts zur Sache tut, merke ich, dass Oppo sich ein Ei gelegt hat. Da mag zwar ein Video Ultra Night Mode sein, der ist aber nicht standardmässig aktiviert. Warum? Da ist etwas, das kurzerhand die Videografie revolutionieren soll, mindestens, und es ist per default ausgeschaltet? Echt jetzt?

Das kleine Möndli da. Das ist das meistbeworbene Feature des Phones. Schalt es ein.
Das kleine Möndli da. Das ist das meistbeworbene Feature des Phones. Schalt es ein.

Okay, Video Ultra Night Mode – das kleine Möndli im Menüband – aktiviert. Selbe Fahrt nochmal, selbe Hoffnung auf Trockenheit nochmal.

Hat es sich gelohnt? Nicht wirklich. Die grossen Erkenntnisse sind, dass ich im Kreisel unten auf beiden Fahrten fast die gleiche Linie fahre und dass ich ein bisschen durch die Nacht habe brettern können. Aber so videotechnisch hätte ich mir die Fahrt sparen können. Klar, da sind einige Farben, die etwas stärker wirken, aber die Sensation ist es nicht.

Die Stabilisierung ist allerdings beeindruckend. Das Bild hat ausserhalb des Lichtkegels des Scheinwerfers keine Anhaltspunkte, um irgendetwas zu stabilisieren. Trotzdem wackelt das Bild nicht störend fest. Der Sound aber ist eine Katastrophe und führt mich endlich dazu, externe Mikrofone an Smartphones zu testen. Sowas geht gar nicht.

Bei der Fotografie aber gewinnst du, wenn du Besitzer eines Oppo Reno 4 Pro bist. Denn da hast du Flaggschiff. Ich weiss nicht, ob du das weisst, aber Oppo hat im Find X2 Pro den besten Nachtmodus der laufenden Flaggschiffgeneration verbaut. Keine Kamera macht so schöne Nachtbilder wie das Find X2 Pro.

Ausser dem Reno 4 Pro.

Natürlich sind da die hellblauen Himmel, die mir ästhetisch nicht gefallen, technologisch aber beeindrucken. Oder halt orange, wenn die Lichtverschmutzung stark ist. Damit hätte Oppo Werbung machen können und alle wären massiv beeindruckt.

Sogar im krassen Gegenlicht des digitec-Studios performt die Kamera so gut, dass der Scheinwerfer vor meinem Gesicht mit zwei Meter Durchmesser das Bild nicht verhunzen kann.

Das ist Flaggschiff. Ganz klar. Allgemein, Oppo, warum machst du kein grosses Tamtam um den Photo Night Mode? Der ist nicht nur gut, der ist hervorragend. Aber nein, wir reden lange über den so mittelguten Videonachtmodus. Warum?

Oder noch besser: Redet mehr über Ladetechnologie. Denn Oppo macht hier etwas ganz Cleveres. Akkus sind einer der mit Abstand unattraktivsten Elemente eines Smartphones. Keinen kümmert es, was ein Akku kann oder tut. Bis zum Zeitpunkt, an dem sich das Icon oben rot verfärbt und das Phone dir vorschlägt, dass du entweder in den Stromsparmodus wechseln oder dein Natel aufladen sollst. Du willst entweder einen grossen Akku oder eine schnelle Ladetechnologie. Das Reno 4 Pro hat einen okayen Akku mit 4000 mAh, oder besser 2x2000 mAh. Denn Oppo hat sein Vooc Charging verbaut, das nur fast wie das Wort «Fuck» klingt, das mit «einer Geschwindigkeit von 65 Watt» dein Phone auflädt. Damit der Akku nicht überhitzt, hat Oppo ihn gespalten. Dadurch kannst du das Phone von null auf hundert in etwa dreissig Minuten laden.

Von dieser Technologie können sich andere Konzerne eine grosse Scheibe abschneiden. Aber nein. Durchschnittlicher Videonachtmodus.

Ein Wort zur Sprache

Apropos Marketing: Oppo macht vieles neu, darunter auch die Sprache. Der chinesische Hersteller ist Marktführer, wenn es darum geht, Begriffe so zu benutzen, wie du sie nicht benutzen solltest. Darum möge mir der Exkurs oder der Appendix hier verziehen sein.

Oppo redet von 256GB ROM, also interner Speicher. ROM steht für «Read Only Memory», also «Speicher, der nur lesbar ist». Das ist dahingehend etwas blöd, dass Daten, die du generierst – ein Bild oder ein Video, zum Beispiel –, irgendwo abgelegt werden müssen. Sprich, du brauchst Speicher, auf den du schreiben kannst. Also eben genau nicht ROM. Wenn wir uns der Sprache aus dem goldenen Zeitalter der CD-Brenner bedienen: RW, also Read/Write, nicht ROM.

Besseres Thema: der Charging Port und die Ladetechnologie
Besseres Thema: der Charging Port und die Ladetechnologie

Das ist in etwa so sinnvoll, wie wenn ich behaupten würde, dass das Oppo Reno 4 Pro 256 Liter Speicher hat. Oder, weisst du was, machen wir mal etwas Mathematik. Eine Seite mit dem Fülltext «Llorem Ipsum» in Word hat 566 Wörter oder 3815 Zeichen, Leerzeichen inklusive. Als TXT gespeichert entspricht das 4 KB. Das heisst, dass du im Reno 4 Pro 244 160 000 000 Zeichen speichern kannst. Oder 64 000 000 Seiten. Oder 52 631.57895 mal die Gesamtausgabe von «Lord of the Rings». Das Oppo Reno 4 Pro hat also 52 631 Lord of the Rings Speicher, oder einfacher: 52,6 Gigalords Speicher.

So absurd meine Gigalords als Speichereinheit auch sein mögen, sie sind immer noch besser als ROM.

Dann ist da die Sache mit der Ladegeschwindigkeit. Oppo geht da frech hin und sagt «Ladegeschwindigkeit 65 Watt». Kritiker sagen jetzt, dass Watt keine Geschwindigkeit ist. Das mag zwar stimmen, aber trotzdem hält Watt gut her als Angabe der Ladegeschwindigkeit. Watt ist eine Angabe der Leistung. Daher ist nicht das Wort «Watt» das Problem, sondern der Deskriptor «Geschwindigkeit». Eine «Ladeleistung von 65 Watt» wäre eher korrekt.

So. Fertig. Übrigens gibt es das Oppo Reno 4 Pro auch in neongrün. Finde ich das cool, weil es objektiv cool ist? Oder weil ich schon so viele schwarze Phones hatte, dass alles un-schwarze automatisch grossartig ist?

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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