Firmenneuigkeiten

Movado Bold Motion – Die Smartwatch, die wir nicht anbieten

Bevor ein Produkt in unseren Shop kommt, prüfen wir es intern. Manchmal fallen die Geräte eiskalt durch. Hier das Review eines Geräts, das wir von unserer Site verbannt haben. Der Grund: Die Mängel sind schlicht zu gross. Der Name: Movado Bold Motion.

«Zieh dir das mal rein», hat mir Product Manager Domenico Melina eines morgens gesagt. Er hat gerade die Movado Bold Motion entdeckt. Ich staune. Eine Smartwatch, die in ihrem Look einem guten Chronographen nichts nachsteht? Hardware von Movado? Software und Engineering von Hewlett Packard (HP)? «Coole Sache», gebe ich zur Antwort.

Wir recherchieren. Kann das Teil was? Wenn ja, was? Was genau tut es? Wie tut es das? Wenn wir so eine Recherche betreiben, dann geht es nicht darum, wieviel wir davon verkaufen können oder irgendetwas nach dem Motto «Jeder Schrott gut genug», sondern wir versuchen eine Balance zu finden.

  • Natürlich wollen wir ein Angebot haben, das so breit wie möglich ist
  • Natürlich wollen wir so viele Einheiten eines jeden Artikel verkaufen wie nur möglich

Was wir aber nicht wollen, ist dir einen fertigen Chabis aufzutischen. Wir wollen, dass du dir sicher sein kannst, dass du ein Gerät kaufst, das deinen Ansprüchen genügt und an dem du so lange wie möglich Freude hast. Doch Domenico Melina und ich sind uns bei der Movado Bold Motion nicht sicher. Die Reviews online sind gespalten. Die einen finden die Smartwatch schön, die anderen verfluchen sie aufs Übelste.

Sieht gut aus, ist aber kontrovers: Die Movado Bold Motion

Am Ende steht für uns eines fest: Wir holen uns ein Exemplar und testen es in-house, damit wir sehen können, was das Ding drauf hat. Internet-Reviews hin oder her, wir kennen unsere Kunden und daher können wir das wohl besser bewerten als ein Anonymer irgendwo auf einer Website. Typischerweise ist ein solcher Test einer, in dem wir das Gerät ein paar Tage benutzen und dann einen bewussten Punkt daraus machen, sämtliche Funktionen mindestens einmal auf Herz und Nieren zu prüfen.

Der Test ergibt: Die Movado Bold Motion fällt durch.

Look and Feel

Als ich die Movado Bold Motion zum ersten Mal ausgepackt habe, ist mir aufgefallen, dass die Smartwatch einer klassischen Uhr gleicht und nicht einem kleineren Handy. Das Zifferblatt ist ein echtes Zifferblatt, von einem mechanischen Uhrwerk angetrieben. Die computerisierten Teile, die Teile, die den smarten Teil der Smartwatch ausmachen, sind beinahe unsichtbar. Ein Kranz kleiner LED-Leuchten und ein Kreis auf der 12-Uhr-Stellung geben dem User Notifikationen.

Die Movado Bold Motion hat keinen Bildschirm.

Das ist im Zeitalter der Bildschirmuhren eine gewagte Design-Entscheidung, ist aber bewusst genug gefällt worden, damit sie elegant und gut gelöst wurde. Denn die Bold Motion verspricht das gar nicht erst. Sie vibriert und blinkt, wenn du eine Mitteilung erhältst und fertig. Du kannst keine Mitteilungen lesen, keine Anrufe entgegennehmen und keine Musik abspielen.

Im Gegenzug aber hast du ein Gerät, das wirklich edel aussieht. Das Silikonband ist zwar ein Aspekt des Geräts, an dem sich die Geister scheiden, aber alles in allem ist die Movado Bold Motion die schönste Smartwatch, die wir bis dato gesehen haben. Dies obwohl redaktionsintern das Türkis des Zifferblattes entweder geliebt oder gehasst wurde. Dazwischen gibt es offenbar nichts.

Sie ist etwas schwerer als eine andere Uhr ihrer Grösse, aber fällt nicht dem gängigen Smartwatch-Dilemma zum Opfer und ist gefühlte 12cm hoch. Denn in die Breite kann eine Smartwatch nur bis zu einem gewissen Grad gehen, weil menschliche Arme haben halt nur eine gewisse maximale Breite. Darum haben die Entwickler in den frühen Tagen der Smartwatch einfach in die Höhe gebaut. Das Resultat sind Geräte, die von oben her schön aussehen und von der Seite her klumpig wirken. Nicht so die Movado Bold Motion. Sie ist nur unmerklich höher als eine klassische Uhr.

Also, alles in allem: Die Hardware der Movado Bold Motion ist eine Meisterleistung der Uhrmacherei und des Engineerings. Auch wenn die Smartwatch im Funktionsumfang nicht mit ihren Konkurrentinnen mithalten kann – und das auch ganz bewusst gar nicht will – ist sie dennoch ein schmuckes Stück, das versucht die Lücke zwischen Funktion am Handgelenk und Eleganz zu schliessen.

Das einzige Problem, das ich bisher auf Hardwareseite festgestellt habe, ist die etwas ungünstige Tatsache, dass ich das Gerät nicht mit dem Fast Charger auf meinem Bürotisch aufladen kann. Es bedarf anscheinend einer Verbindung mit dem PC.

«Ja, aber», höre ich dich sagen, «wo geht die Sache denn den Bach runter? Bis jetzt ist ja noch alles gut.» Du hast Recht. Hardwareseitig kann ich der Movado Bold Motion nichts vorwerfen. Die Probleme beginnen dort, wo die Uhr smart werden sollte.

Die App, die nichts kann

Oh Leid. Irgendwo musste es ja den Bach ab gehen, denn sonst würden wir eine nette Promo schreiben und dir sagen, dass die Movado Bold Motion ein Must-Have ist. Ist sie aber nicht. Weil die Engineers von HP und die Stakeholder bei Movado haben nach der Hardware aufgehört zu denken.

Die App ist eine Beleidigung für jeden Nutzer. Nicht nur, weil die Funktionen so dermassen limitiert sind, dass sie eigentlich auch gradesogut nicht da sein könnten, sondern weil der erste Menüpunkt folgender ist.

Die App. Mehr wirst du davon auch nicht ansehen wollen.

Der erste Punkt regt dazu an, mehr einzukaufen. Movado, Kunden haben euch gerade mehrere hundert Franken gegeben. Und euer erstes Anliegen ist «Gebt uns noch mehr Geld»? Wirklich? Leute, ihr seid ein prestigeträchtiger Uhrenhersteller, der seit 1881 im Business ist und kein Ramschladen. Ihr seid besser als das. Echt.

Doch bevor du irgendetwas smartes mit deiner Movado Smartwatch machen willst, musst du GPS auf deinem Handy aktivieren. Denn sonst geht gar nichts. Der alte Trick von wegen «Ich aktivier das mal und dann funktioniert das auch deaktiviert» geht nicht, weil die App sofort in Streik tritt, wenn das GPS-Signal nicht da ist. Dafür kriegst du aber ein Notification Icon oben, das du nie mehr los wirst.

Weil ich ja sonst vergessen würde, dass die Uhr da ist

Der dazugehörige Eintrag in der Notification Area ist auch nicht minder nutzlos. Abgesehen von «Ich existiere» hat der Eintrag nichts zu sagen. Selbst wenn die Uhr nicht mit dem Handy verbunden ist, bleiben die Notifications erhalten.

Das mit dem Update der Software auf der Uhr ist auch so eine Sache. Bei kabelloser Datenübertragung kann es ja zu Problemen kommen und das Update scheitert. Aber bei der Movado Bold Motion App scheint es so zu sein, dass der Update-Prozess nur im Ausnahmefall bis gar nie funktioniert, selbst wenn das Smartphone direkt neben der Uhr liegt. Erstaunlich hierbei ist, dass die App den Status «Uhr ist mit dem Stromkabel verbunden» verlangt. Wir erinnern uns: Um die Uhr zu laden muss sie mit dem PC verbunden sein, also mit einem Gerät, das per USB Daten übertragen kann. Warum das Update nicht über das Kabel gepusht werden kann, ist mir ein Rätsel.

Generell, die Verbindung zwischen Uhr und App reisst gerne mal ab. Sie findet sich dann zwar wieder, aber zwischendurch muss die Uhr wohl mal Pause machen. Warum ich weiss, dass das die Uhr ist? Weil die Bluetooth-Kopfhörer, die gleichzeitig mit dem Smartphone verbunden waren, friedlich weiterdüdeln.

Activity Tracking ist eine Tragödie. Die Uhr zählt die Schritte und das wars. Das Key Feature einer Smartwatch ist die Kommunikation. Doch die Daten können nur angesehen werden. Darüber hinaus: Nichts. Du kannst die Daten nicht exportieren oder irgendwie verarbeiten, es sei denn du tippst die Daten selbst in einem universeller kompatiblen Format ab.

Immerhin die Anzahl Schritte stimmt mehr oder weniger.

Es ist absolut legitim, dass sich ein Hersteller dafür entscheidet, sich nicht auf die von Google oder Apple bereitgestellten Frameworks verlassen zu wollen. Nicht jeder muss sich der Knechtschaft der beiden grossen Firmen hingeben, auch wenn es das extrem einfach macht und den Entwicklungsprozess neuer Geräte beschleunigt. Doch eine kommunizierende Uhr zu produzieren, die nur den Anschein der Kommunikation macht, ist schlicht ungenügend.

Das einzige, das ich an der App als wirklich gelungen ansehe, sind die Einstellungen der Notifications. Damit ich nicht von jeder App belästigt werde, die mir irgendwas erzählen will, kann ich die Berechtigung zur Notifikation pro App vergeben.

Gut gelöst – die Notifications

Ein Hauch Galaxy Note 7

Leider ist es so, dass die Permission-Funktion nun wirklich in jeder Smartwatch verbaut ist. Was an der Movado Bold Motion aber einzigartig ist, ist ihre Fähigkeit, mein Handy in eine Grillplatte zu verwandeln. Beim ersten Test hat sich mein Handy so stark erhitzt, dass ich den Test abbrechen musste. Zwar hat mein aktuelles Handy, ein brandneues im Test befindliches HTC 10 Evo, die Hitze gut überlebt. Selbst wenn das Evo die Tendenz hat, etwas warm zu werden, ist es doch nie über die Temperatur angenehmen Badewassers hinaus erhitzt. Mit der Movado App hat es beim ersten Versuch auf «Hoppla, das Ding ist aber heiss» geschafft und innerhalb einer halben Stunde mehr als 50% des Akkus gefressen, der sonst locker einen Tag aushält.

Mir ist es zwar nicht gelungen dieses Verhalten zu wiederholen, doch hat die Überhitzung des Telefons durch die App genug Anlass zur Sorge, dass ich das Domenico Melina zugetragen habe. Er hat gelacht. Dann: «Ernsthaft?» Ja, ernsthaft, denn erst durch die Deinstallation der App hat sich das Handy wieder beruhigt.

Wo wir es schon von Batterien haben. Die Batterie in der Uhr ist ebenfalls ein mysteriöses Objekt. Die App zeigt dir an, wie viel Akku der Uhr noch verbleibt. Wo eine normale Smartwatch dir auf ihrem Bildschirm anzeigen kann, dass du sie aufladen sollst, kann das die Movado Bold Motion nicht. Daher mussten die Engineers bei HP sich etwas anderes überlegen. Ihre Lösung ist die Prozentanzeige unten an der App.

Auch hier: Mängel

Sieht doch nicht schlecht aus, oder? Nur ist es so, dass ich der Akku-Anzeige nicht glaube. Warum? Weil die Zahl falsch sein muss. Oben siehst du 29%. Ich habe die Uhr mit dem PC verbunden und dann war sie in fünf Minuten auf 100%. Das kann schlicht nicht stimmen. Nicht mal der Fast Charger auf meinem Pult könnte das.

Darum: Diese Uhr gibt es bei uns nicht

Das Fazit ist klar: Die Uhr ist ihr Geld schlicht nicht wert. Hardwaremässig ist sie super, doch sobald Software ins Spiel kommt, fällt sie flach. Persönlich finde ich das sehr schade, denn die Uhr selbst ist wirklich schön gemacht.

Diesen Bericht habe ich, zugegebenermassen mit etwas mehr Gelächter, an Domenico Melina weitergegeben. Als die obligaten Witze von wegen «Komm, wir grillen was auf deinem Phone» gemacht waren, haben wir uns ernsthaft mit der Frage beschäftigt, ob wir dir die Uhr verkaufen möchten. Wir sind zum Schluss gekommen, dass wir das nicht wollen. Denn auch wenn ein Grossteil unseres Sortiments nicht jeden zufriedenstellen wird und wir uns dessen bewusst sind – ein Beispiel: Wer nur eine PlayStation hat, wird an einem Nintendo-Game keine Freude haben –, so wollen wir dir doch Produkte anbieten, die technologisch einwandfrei sind. Darum testen wir diese ja, schauen sie uns im Zweifelsfall genauer an und erst dann landen sie im Shop.

Die Movado Bold Motion muss aber draussen bleiben. Das heisst nicht, dass wir nie eine Uhr von HP oder Movado anbieten werden, aber dieses eine Produkt wird es nicht geben. Vielleicht die Bold Motion II dann wieder. Mal sehen.

Movado war für eine Stellungnahme weder per Mail noch via Social Media zu erreichen.

74 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.

25 Kommentare

Avatar
later