Michelle Brändle
Hintergrund

Mein erstes Mal mit einem Stifttablet

Für einmal lege ich mein iPad weg und nutze ein Grafiktablett ohne Display zum Zeichnen. Die Umgewöhnung, an einem Ort zu malen und das Ergebnis an einem anderen Ort zu sehen, frustriert zunächst.

Ich gebe zu: Eigentlich ist es nicht mein allererster Versuch, auf einem Tablett ohne Display zu zeichnen. Vor über zehn Jahren war meine Begegnung mit einem solchen aber ziemlich daneben gegangen. Das Tablett war zu gross und träge. Dass ich kein direktes Feedback auf dem Gerät bekam, sondern alles oben am Bildschirm sah, frustrierte mich am meisten.

Trotzdem bin ich vor dem zweiten Versuch zuversichtlich, da ich mittlerweile einige Jahre in der Welt des digitalen Zeichnens unterwegs bin. Auch ist die Technik besser geworden. Nun sollte ein Stifttablett doch kein Problem mehr sein, oder?

Mein Tablett-Kandidat für den Selbstversuch

Mein Testgerät ist ein Deco 01 V3, das ich von XP-Pen zu Testzwecken erhalten habe. Das schwarze Tablett ist acht Millimeter dick und mit 25 × 16 Zentimetern etwas grösser als DIN A4. Super also, um es auch unterwegs zu nutzen oder wenig Platz auf dem Tisch zu benötigen.

Das Gerät hat acht personalisierbare Knöpfe und vier feine Eckmarkierungen, um den Malbereich anzuzeigen. Die Oberfläche ist fein und matt – ähnlich wie bei den Grafiktabletts mit Display. An der Rückseite sind vier Gummiabdeckungen an den Ecken befestigt, damit mir das Tablett beim Zeichnen nicht wegrutscht.

Minimalismus von der kreativen Seite: das Deco 01 V3 braucht kaum Platz.
Minimalismus von der kreativen Seite: das Deco 01 V3 braucht kaum Platz.

An Zubehör legt der Hersteller neben einem Stylus mit Stifthalterung auch Ersatzspitzen bei, einen Handschuh und ein Mikrofasertuch sowie ein USB-C-Kabel, um das Tablett mit meinem PC zu verbinden. Insgesamt ist XP-Pen mit dem Zubehör also sehr grosszügig.

Das sind die wichtigsten Spezifikationen des Deco 01 V3: Stift mit EMR (funktioniert ohne Batterie/ Akku) Neigung: bis 60 Grad Nutzbare Fläche: 25 × 16 cm (etwas grösser als DIN A5) Auflösung: 5080 LPI (Lines Per Inch) 8 personalisierbare Knöpfe Druckstufen: 16384 Anschluss: USB-C Kompatibilität: ab Windows 7, Linux, ab macOS 10.13, ab Android 10.0, ab Chrome OS 88

An Zubehör ist alles dabei, was ich brauche, um direkt loszulegen.
An Zubehör ist alles dabei, was ich brauche, um direkt loszulegen.

Der Start: einstecken und loslegen

Die Einrichtung verläuft sehr einfach. Ich stöpsel das Tablett an meinen Windows-Computer und kann gleich loslegen. Für ein paar Anpassungen lade ich dennoch die Deco-Software herunter. Über diese kann ich die acht Buttons personalisieren und die Druckempfindlichkeit des Stylus anpassen.

Ein kleiner Wermutstropfen ist die fehlende Bluetooth-Konnektivität. Eine kabellose Anbindung würde die Flexibilität im Arbeitsbereich erhöhen und den Kabelsalat auf meinem Schreibtisch reduzieren. Ein Kabel garantiert dafür eine verzögerungsfreie Übertragung.

Meine Erfahrungen beim Zeichnen

Der Einstieg mit dem Deco 01 V3 ist für mich eine kleine Umstellung. Ungewohnt, ja, aber nicht unangenehm. Als Programm nutze ich Adobe Fresco. Ich brauche eine kurze Aufwärmphase und skizziere hierfür einige Porträts. Damit bekomme ich ein Gespür für die neue Arbeitsweise. Schnell merke ich: Die präzise Linienführung braucht mehr Korrekturen, als ich es gewohnt bin. Das rührt daher, dass ich nicht direkt sehe, wo ich die Linien erstelle, sondern mehr das Gefühl dafür haben muss. Anfangs empfinde ich das als äusserst anstrengend.

Meine ersten Versuche sind noch etwas unbeholfen und frustrierend.
Meine ersten Versuche sind noch etwas unbeholfen und frustrierend.

Ein positiver Nebeneffekt der neuen Arbeitsweise: Meine Sitzhaltung hat sich deutlich verbessert. Kein «Croissant-Rücken» mehr, stattdessen blicke ich aufrecht nach oben, während meine Hände unten auf dem Tablett agieren – ergonomisch top!

Die XP-Pen Qualität empfinde ich als gewohnt hoch und entspricht dem, was ich bereits von den Display-Tablets des Herstellers kenne. Das Zeichenerlebnis ist dank der feinen Druckabstufungen und der angenehm matten Oberfläche sehr intuitiv. Jede Strichstärke wird präzise umgesetzt. Den Stift kann ich auch für längere Zeichensessions gut halten, er ist bequem und hat das optimale Gewicht.

Meine eigene Genauigkeit ist durchgehend die grosse Hürde. Das Zeichnen auf dem Tisch, während mein Blick auf den Bildschirm nach vorne auf den Computer gerichtet ist, erfordert eine ungewohnte Hand-Auge-Koordination. Ich vermisse das direkte Feedback eines Display-Tabletts. Deshalb fällt mein Kunstwerk insgesamt eher skizzenhaft aus. Feine Details lasse ich weg. Was mir besonders gefällt: Ich kann ganz einfach meine Computermaus zur Hand nehmen fürs Zoomen, Werkzeug auswählen und dergleichen. Das ist mir teilweise fast lieber, als die Shortcut-Knöpfe zu nutzen. So habe ich auch hier eine ganz andere Arbeitsweise als mit einem Display mit Touchfunktion.

Ans Bild heranzoomen kann ich nach Bedarf auch mit der Maus, dafür habe ich ja genug Platz neben dem Tablett.
Ans Bild heranzoomen kann ich nach Bedarf auch mit der Maus, dafür habe ich ja genug Platz neben dem Tablett.

Mit meinem ausgearbeiteten und kolorierten Erstlingswerk bin ich letztendlich zufrieden. Dennoch benötige ich noch sehr viel Übung, um auch mehr in die Feinheiten einer Zeichnung gehen zu können.

Mit dem Ergebnis bin ich zufrieden – mehr oder weniger.
Mit dem Ergebnis bin ich zufrieden – mehr oder weniger.
Titelbild: Michelle Brändle

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Seit ich einen Stift halten kann, kritzel ich die Welt bunt. Dank iPad kommt auch die digitale Kunst nicht zu kurz. Daher teste ich am liebsten Tablets – für die Grafik und normale. Will ich meine Kreativität mit leichtem Gepäck ausleben, schnappe ich mir die neuesten Smartphones und knippse drauf los. 


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