

Huawei zeigt vier Phones, eine Uhr und eine neue Speicherkarte

An der Pressekonferenz zum Launch des Huawei Mate 20 Pro lässt sich Huawei in die Karten blicken. Dominik Bärlocher berichtet aus London.
Huawei hat im laufenden Smartphone-Jahr den Ton angegeben. Das Huawei P20 Pro hat mit Hardware vom vergangenen Jahr gezeigt, dass der chinesische Konzern mit cleverem Engineering und schlanker Software ein Gerät zeigen kann, das die Konkurrenz locker in den Boden stampft.
Vor wenigen Monaten und Wochen hat die Konkurrenz die letzten Flaggschiffe der Saison gezeigt, die das Weihnachtsgeschäft bestimmen werden.
Huawei so: «Hold my beer.»
Dann zeigt der chinesische Konzern etwas, das die Konkurrenz leer schlucken lässt.
Den Stunt hat Huawei schon im Frühjahr gemacht. Er funktioniert auch ein zweites Mal. Der Konkurrenz bleibt das Nachsehen, wenn du rein die Tech Specs ansiehst. Das Phone werde ich in einem zweiten Artikel antesten. Daher gibt es in diesem Artikel nur die Grundinformationen zum Phone und allererste Eindrücke.
Der Grund: In der Londoner Event Location Excel ist kein Durchkommen. Die Pressekonferenz ist hoffnungslos überbucht und auch mein All Access Badge hilft mir nur, an die Sidelines des Saals zu kommen. Dennoch. Auf einem Stuhl als Tisch schreibe ich mit. Auf der Bühne steht Huawei Mobiles CEO Richard Yu, der sich durch die Präsentation radebrecht. Trotz allen Sprachbarrieren ist ihm anzusehen, dass er sich freut. Er weiss, dass ihm der «Hold My Beer»-Moment gelungen ist.
Huawei erfindet neues Speicherkartenformat
Aus nicht ganz erfindlichen Gründen hat Huawei ein neues Speicherkartenformat erfunden. Der Dual-SIM-Slot ist nach wie vor ein Hybridslot, aber die gängigen Micro-SD-Karten passen nicht mehr in die Mate-20-Serie. So direkt überzeugend klingt das nicht. Trotzdem: Wir haben jetzt Nano SD. Vom Formfaktor her ist die Nano SD zwar einleuchtend, aber eben, die Notwendigkeit. Die Nano SD sieht aus wie eine Nano-SIM-Karte, ist 12.3 mm lang und kleiner als ein Fingernagel.


Spannend wird es bei den Geschwindigkeiten der Karte, denn sowohl die Leaks der vergangenen Monate wie auch die Pressekonferenz versprechen «Read Speeds of 90 MB/s». Das ist ja lustig und schön, aber wenn du 4k aufnimmst, dann interessiert dich die Read Speed vorerst nicht. Interessant ist die Write Speed, denn sie bestimmt, wie schnell die Daten deiner Videos auf der Karte ankommen. Wenn die Write Speed 4k-kompatibel ist, dann liegt sie irgendwo laut dem offiziellen SD Card Standard zwischen 30 MB/s und 60 MB/s. Sollte Huawei vorausdenken und 8k erahnen, dann könnte das bis 90 MB/s gehen.

Ich geh dem mal nach.
Die Smartwatch ist tot, lang lebe die Watch GT
Bisher hat der Welt ja der eine gute Grund gefehlt, warum du eine Smartwatch haben musst. Huawei gibt aber nicht auf. Jüngste Presseberichte sprechen von der Huawei Watch 3, die in Arbeit sein soll. In London aber stellt Richard Yu nicht die Watch 3 vor, sondern die Huawei Watch GT.
Das Display auf dem Zifferblatt der Watch GT hat einen Durchmesser von 1.39 Zoll, also 3.53 Zentimeter und löst mit 454x454 Pixeln auf. Notifications werden auf dem Mini-Display angezeigt und es misst nicht nur deine Position mit GPS, sondern auch deinen Puls und die Qualität deines Schlafs.
Laut Datenblatt hält der Akku der Uhr bis zu zwei Wochen durch. Im Vergleich zu Smartwatches, die alle paar Tage oder gar jeden Tag aufgeladen werden müssen, ist das viel.
Von Haus aus trackt die auf etwa 40 Meter wasserdichte Uhr folgende Aktivitäten:
- Gehen
- Laufen
- Schwimmen
- Radfahren
- Klettern
Die Huawei Watch GT erscheint mit schwarz/rotem Band und einem aus dunkelbraunem Leder.
Der Star der Show: Das Huawei Mate 20
Darauf haben die Anwesenden im Excel gewartet. Richard Yu zeigt das Huawei Mate 20. Im Frühjahr habe ich gesagt, dass das Mate 20 Pro das einzige Phone in diesem Jahr sein wird, das dem Huawei P20 Pro das Wasser wird reichen können. Die Specs sind vielversprechend.
Auf dem Kirin 980 System-on-a-Chip (SoC) läuft Android 9.0 und Huaweis Benutzeroberfläche Emui 9.0. Emui hat sich zwar in den vergangenen Jahren gemausert und ist ganz okay, aber ich mag es immer noch nicht. Ich empfehle daher trotz allem, die Benutzeroberfläche zu ändern.
Das Mate 20 hat einen kleineren Akku von 4000mAh, die Pro-Version kommt mit 4200mAh daher. Wenn sich die Software ähnlich verhält wie auf den Geräten im Frühjahr, so hält das Mate 20 locker anderthalb Tage durch. Die Ladetechnologie sei deutlich verbessert worden dank dem neuen Kirin.
In beiden Modellen sind hinten drei Linsen aus dem Hause Leica verbaut:
- 40 Megapixel, f/1.8, Weitwinkel
- 20 Megapixel, f/2.2, Ultraweitwinkel
- 8 Megapixel, f/2.4, Tele, Autofokus
Selbst ohne die Master AI, die zwar immer noch verbaut aber seit einem jüngsten Update standardmässig deaktiviert ist, sollen so richtig schöne Bilder und Videos gelingen. Vorne ist in beiden Modellen eine 24 Megapixel Selfie Cam verbaut. In einem Notch. Beim Mate 20 Pro fällt der deutlich grösser aus als beim Mate 20, denn beim Pro ist noch eine Kamera mit 3D-Tiefensensor verbaut. Der Sensor soll dazu dienen, dein Gesicht schneller zu erkennen und Face Unlock entsperrt dein Phone in unter 0.6 Sekunden. Dazu soll die Performance des Selfie-Machens verbessert werden. Und natürlich dient der Tiefensensor als 3D Scanner. Das hat Sony zwar schon gemacht, aber Huawei behauptet, dass sie das besser können.
Die gescannten Objekte können dann in einem Augmented Reality Environment neben realen Personen oder Objekten dargestellt werden. Richard Yu und ein Mitarbeiter demonstrieren das an einem Plüschpanda. So ganz überzeugend sieht das nicht aus, aus der Entfernung, in der ich stehe. Ich scanne heute Abend mal was. Wer Vorschläge hat, was ich scannen soll, die Kommentarspalte ist unten. Ich werde sehen, was ich tun kann, aber versprechen kann ich nichts.
Die Systemleistung ist beim Mate 20 gedrosselt, denn auf der Plattform sind nur 4GB RAM verbaut, wo die Pro-Version mit 6GB daherkommt. Für Power User ist also klar: Wenn ein Mate 20, dann das Pro. Beide Versionen des Phones haben eine Duale Neural Processing Unit (NPU) verbaut, was die Intelligenz des Geräts nicht nur schneller, sondern auch effizienter und stromsparender machen soll.
Ohne SIM-Karte wiegt das Mate 20 188 Gramm, die Pro-Version 189 Gramm.
Natürlich gibt es wieder eine Version aus dem Hause Porsche Design. Vorgestellt von der Designschmiede selbst, verspricht es viele Adjektive mit einem deutschen Akzent. «It's a product of passion and ingenuity… a testament to accomplishment by teamwork… we're collaborating, inviting, innovating...» und so. Du weisst schon. Aber es sieht schon verdammt schick aus. Die Vorderseite ist praktisch nur Bildschirm und die Bildschirmränder – Bezel genannt – sind noch kleiner als bei der Mate-20-Serie, und die Rückseite besteht aus Leder und Glas. Die Inspiration ist nach wie vor das Auto der deutschen Marke und die Rückseite ist komplett flach. Keine Kameraausbuchtung oder irgendwas. Dazu packt das Gerät 8GB RAM unter die Haube und 512 GB interner Speicher.
Huawei wird schlauer, aber intrusiver
In seiner Präsentation zeigt Richard Yu die neuen Features des Phones in Punkto künstlicher Intelligenz (AI). Diese umfassen nicht nur eine stark verbesserte Gesichtserkennung sondern auch die Ankoppelung an eine breite Palette von Online Services. Händler sind direkt an Apps angebunden – es seien über 200 weltweit – und wenn du die Kamera auf dein Essen richtest, so ist es möglich, dass dir eine App die Anzahl Kalorien im Essen ausgibt.
Das klingt zwar nach Gadget, aber hinterlässt einen etwas fahlen Beigeschmack. Brauchen wir wirklich ein Phone, das uns die Kalorien vorrechnet oder einfach mal so bitzli shoppen geht? Was, wenn wir eigentlich selbst aussuchen möchten, wo wir was kaufen? Und welche Strategien bei der Anbindung von Händlern fährt Huawei? Geht es einfach nur um Geld? Denn wenn dem so ist, dann können Händler einfach Geld in Richtung Huawei schmeissen und machen so massiv Umsatz, denn das Gerät kauft ja so halbselbständig ein. Darunter leiden kleinere Shops. Zwangsläufig. Sie können sich die Anbindung nicht leisten und so entgeht ihnen Umsatz. Wäre schade, denn das macht unsere Welt nur langweiliger, wenn auch bequemer.
Dafür aber brüstet sich das Mate 20 Pro mit besseren Security Features. Face Unlock ist neu tiefenempfindlich und direkt in Android eingebettet. Das soll den Unlock mit einem Foto unmöglich machen. Daher dient die Gesichtserkennung neu als weiterer Authentifizierungsfaktor, mit dem Zahlungsvorgänge ausgelöst werden können.
Auf dem Huawei Mate 20 Pro läuft Android 9.0, bringt also Digital Wellbeing und all die anderen Features der neuen Androidversion mit sich.
Ferner streckt Huawei die Fühler in Richtung Business-Kunden aus. Es ist voll Android Enterprise Recommended.
Huawei Mate 20 X: One more big thing
Richard Yu schneidet sich etwas von Apple-Gründer Steve Jobs ab. Er hat ein One More Big Thing, statt Jobs' «One more thing». Das Mate 20 X hat über 80 Prozent Bildschirmoberfläche. Die X-Version soll nicht nur den Huawei Pen mit 96 Druckstufen unterstützen, sondern auch besseren Mediengenuss und einen 5000mAh Akku. «You'll never worry about this phone's battery», sagt Richard Yu. Er zeigt ein Slide, auf dem er wieder in Richtung Apple schiesst. Beim Flug über den Atlantik mit Medienkonsum habe das neueste iPhone noch 10 Prozent Akku, das Mate X noch 46.
Der Applaus aber ist etwas verhalten. Auch als Richard Yu das Kühlsystem mit der Vapor Chamber vorstellt, in der Dampf oder Kondensation das Phone kühlen soll. Dazu ist im Phone ein Graphene Film verbaut, was der Kühlung zusätzlich noch helfen soll. Für Gamer wird es ein Gamepad geben, mit dem du unterwegs süchteln kannst.
«Der Bildschirm ist übrigens grösser als der der Nintendo Switch», sagt Richard Yu.
Die Aussage der Pressekonferenz ist klar: Huawei wird mutig, kleckert nicht mehr und hat einen Kurs beschlossen. Der Kurs heisst Angriff. Die Konkurrenz soll sich warm anziehen, sich anstrengen und Mut beweisen. Denn das hat Huawei im Verlauf der vergangenen Saison getan und es hat sich offensichtlich ausgezahlt.
So. Fertig. Raus aus dem Gedränge und ich hoffe, die Leute hinter mir, hören auf, mich die ganze Zeit zu schubsen. Ich gehe das Phone mal testen und melde mich morgen wieder mit den ersten Eindrücken.


Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.