«Falcon and the Winter Soldier», Episode 5: «Wahrheit»
Hintergrund

«Falcon and the Winter Soldier», Episode 5: «Wahrheit»

Luca Fontana
16.4.2021

John Walker dreht durch. Die Welt hat mitgesehen. Wir auch. Die fünfte und zweitletzte Episode startet stark, schaltet dann aber zwei Gänge runter, um sich um seine Charaktere zu kümmern. Gut so.

Eines vorweg: Das ist eine Folgenanalyse. Mit Spoilern! Schau dir also zuerst die fünfte Episode von «Falcon and the Winter Soldier» an, bevor du weiterliest.


Blut am Schild, das Jahrzehnte lang ein Symbol für Schutz und Heldentum gewesen ist. Eigentlich gehört er Captain America. Aber der neue Captain… ist anders. Nicht böse. Aber dem Druck und den enormen Erwartungen einer ganzen Nation gerecht zu werden, nun, John Walker gibt sein Bestes.

Und scheitert.

  • Hintergrund

    «Falcon and the Winter Soldier», Episode 4: «Die gesamte Welt sieht zu»

    von Luca Fontana

Folge fünf. «The Falcon and the Winter Soldier» geht in die zweitletzte Runde. Die Welt hat gerade erst zugesehen, wie Walker auf der Jagd nach der radikalisierten Flag-Smasher-Anführerin Karli Morgenthau einen Menschen hingerichtet hat.

Was jetzt?

Die Rückeroberung des Schildes

Auf der Flucht – vor sich selbst. Einige Sekunden, zumindest. Die Musik von Henry Jackman spielt ein Thema, das ich von irgendwoher kenne. Sie spiegelt Walkers Innenwelt perfekt: Verlust, Wut, Zerrissenheit, Zusammenbruch. Alles ist da.

Woher ist dieses Thema? Ich hab’s schon irgendwo im MCU gehört. Ich weiss es. Aber ich komm nicht drauf, von wo. Am nächsten kommt noch Jackmans eigener Score aus «Captain America: The Winter Soldier». Leute, diesesmal brauche ich eure Hilfe.

Zurück zu Walker. Er schiebt es weg, das Gefühlschaos. Zu schmerzhaft, zu unerträglich. Lemar Hoskins übliche Worte für solche Situationen – Lemar, tot, nein, getötet – kommen ihm in den Sinn.

«Zeit, an die Arbeit zu gehen.»

Aber Sam, der Falcon, und Bucky, der Winter Soldier, haben sich an ihn angeheftet. Es kommt zum brutalen Kampf um den Schild. Um die Seele der Superhelden. Nicht ganz so atemberaubend choreografiert wie etwa die Fights in «Captain America: The Winter Soldier», dafür umso emotionaler. Walkers Scheitern ist nicht das übliche Bösewicht-Scheitern. Es ist das Scheitern eines Menschen, der’s eigentlich gut gemeint hat – aber die falschen Entscheidungen getroffen hat.

Der dreifache Mexican Stand Off
Der dreifache Mexican Stand Off
Quelle: Disney+

Das Schild landet wieder bei Sam. Blut. Da ist überall Blut. Sam wischt es ab. Innerlich ist er aber am Boden. Wie hat es nur soweit kommen können? Ist das alles seine Schuld? Was würde Steve von ihm denken? Jetzt, in diesem Moment?

In den Comics hat der Schild schon des öfteren seinen Besitzer gewechselt. Fünfzehn Mal, bis dato. Zu den wichtigsten Trägern gehören (in chronologischer Reihenfolge):

  • Steve Rogers
  • John Walker
  • Bucky Barnes
  • Sam Wilson
Von links nach rechts: John Walker, Bucky Barnes, Steve Rogers und Sam Wilson.
Von links nach rechts: John Walker, Bucky Barnes, Steve Rogers und Sam Wilson.
Quelle: Marvel Comics

Wenn du diese Folgenbesprechungen regelmässig verfolgt hast, dann weisst du, dass es in den Comics noch einen anderen Captain America gibt, der zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs den Schild getragen hat: Isaiah Bradley, den Black Captain America.

Auch ihm sind wir in «The Falcon and the Winter Soldier» bereits begegnet.

Und noch was: Zum Schluss der Szene überlässt Sam die kaputten Flügel seinem US-Militär-Kameraden Torres. In den Comics wird er der neue Falcon, nachdem Sam den Job des Captain America übernimmt.

Torres im Comic
Torres im Comic
Quelle: Marvel Comics

Ein Foreshadowing für die Zukunft?

Die Geburt des U.S. Agent?

Zurück in Washington. Walker wird unehrenhaft aus dem U.S.-Militär entlassen. Damit kommt er glimpflich davon, denn wenn Captain America einen Staatsbürger eines anderen Landes in dessen Land und in aller Öffentlichkeit hinrichtet, dann ist das eine Staatsangelegenheit.

Walker fühlt sich dennoch ungerecht behandelt. Schliesslich habe er sein ganzes Leben nach den Anordnungen, Lehren und Drills der Regierung gehandelt. Er sei ihre Kreatur – ihre Erschaffung. Und jetzt, beim ersten Fehler, lassen sie ihn fallen wie eine heisse Kartoffel. Einfach so.

Ist das die Geburt des U.S. Agent, wie wir ihn aus den Comics kennen? Auch dort wird er von der Regierung kurzerhand ausgebootet, nachdem er sich in seiner kurzen Zeit als Captain America nicht als würdig erwiesen hat. Zuerst wird sein Tod gefaked. Dann wird er wiederbelebt – als U.S. Agent, der endlich all jene Risiken eingehen und jene moralisch grenzwertigen Methoden anwenden darf, die er als Captain America niemals hätte eingehen oder anwenden können.

John Walker als U.S. Agent in den Comics
John Walker als U.S. Agent in den Comics
Quelle: Marvel Comics

Aber dann: Auftritt Valentina Allegra de Fontaine, gespielt von Julia Louis-Dreyfus.

In den Comics ist Fontaines Geschichte durchaus bewegt. Eingeführt wird sie anno 1967 in Strange Tales, Volume 1, Issue 159, als auszubildende Agentin im Dienste S.H.I.E.L.D.s. Ihr Talent zeigt sich früh: Im Übungszweikampf besiegt sie gar Nick Fury. Tatsächlich entwickelt sich eine kurze Liaison zwischen den beiden, später verliebt sich auch Steve Rogers in sie, was wiederum für Stunk zwischen Rogers und Fury sorgt.

Marvel goes «Twilight».

Nach der turbulenten Sturm-und-Drang-Phase tritt sie als Agent 14 der Femme Force bei, einer Elite-Einheit weiblicher Agentinen, angeführt von Agent 13 – Sharon Carter. Carter, die mittlerweile die Freundin Steve Rogers ist. Auch nicht ideal für die Beziehung zwischen Carter und Fontaine.

Aber dann wird’s wild: Unter dem Pseudonym Madame Hydra unterwandert sie die Naziorganisation, übernimmt ihre Führung und stiftet einen Krieg zwischen Hydra und Leviathan an, einer russischen Gruppierung, die ebenfalls die Weltherrschaft anstrebt. Eigentlich nicht schlecht, wenn sich beide Gruppierungen gegenseitig vernichten. Blöd nur, dass sich rausstellt, dass Fontaine von Anfang an eine russische Schläferin gewesen ist, die anno dazumals auch S.H.I.E.L.D. unterwandert hat. Seit dem rottet sie in einem Interpol-Gefängnis.

Valentina Allegra de Fontaine als Madame Hydra
Valentina Allegra de Fontaine als Madame Hydra
Quelle: Marvel Comics

Was könnte sie fürs MCU sein? Wie’s aussieht, soll sie im nächsten Marvel-Kinofilm «Black Widow» vorkommen. Macht Sinn: Im Film geht’s darum, wie Natasha beim KGB zur Black Widow wurde. Fontaines russische Wurzeln könnten im Film bereits beleuchtet werden – der Film hätte ursprünglich ja gar vor «The Falcon and the Winter Soldier» erscheinen sollen.

Ein Cameo-Auftritt also? Oder mehr?

In der Serie jedenfalls bleibt sie vorerst eine mysteriöse Unbekannte. Sie scheint aber viel zu wissen. Zu viel. Etwa, dass Walker das Serum genommen hat. Oder, dass das Schild Captain Americas eigentlich gar kein Staatseigentum ist. Für mich sieht’s so aus, als würde sie Walker rekrutieren wollen.

Könnte Fontaine, die lieber Val genannt werden will, der Power Broker sein?

Der Zweck, der die Mittel heiligt

Zemos Warnungen scheinen sich zu bewahrheiten. Karli Morgenthau, die Freiheitskämpferin, die um nichts anderes kämpft als um das Recht, auf dem Planeten zu sein, ist hoffnungslos radikalisiert.

Für Zemo ist die Lösung eindeutig: Karli muss sterben. Bucky sieht’s anders. An der Sokovia-Gedenkstätte greift er Zemo auf und übergibt ihn den Dora Milaje. Die wiederum überführen Zemo ins Raft-Gefängnis – das Gefängnis, in dem in «Captain America. Civil War» bereits die abtrünnigen Superhelden festgehalten worden sind und das von General «Thunderbolt» Ross geleitet wird.

Derjenige Thunderbolt Ross, der in den Comics die zweite Reinkarnation der Thunderbolts ins Leben ruft, eine Art Suicide Squad im Marvel-Universum. Interessant ist, wer die erste, bösere Version der Thunderbolts gegründet hat: Baron Zemo.

Kriegen wir womöglich bald tatsächlich die MCU-Version der Thunderbolts zu sehen?

Wetten, die «Thunderbolts»-Disney+-Serie kommt?
Wetten, die «Thunderbolts»-Disney+-Serie kommt?
Quelle: Marvel Comics

Sam geht derweil Isaiah Bradley nach, dem ersten Menschen seit Steve Rogers, bei dem das Supersoldaten-Serum gewirkt hat. Dem Menschen, von dem das Blut stammt, aus dem Doctor Nagel im Auftrag des Power Brokers das neue Serum hergestellt hat und das die Flag Smashers anschliessend gestohlen haben.

Nagel kam ans Blut, weil er vor dem Snap für die US-Regierung gearbeitet hat. Die wiederum – und nach ihr Hydra – hatte ganze 30 Jahre Zeit, Experimente am inhaftierten Isaiah durchzuführen. Wir erfahren: Ins Gefängnis gesteckt wurde Isaiah, weil er während des Korea-Kriegs Männer befreien wollte, die zuvor zusammen mit ihm das Serum erhalten haben und dann in Gefangenschaft geraten sind. Das US-Militär plante nämlich, die Gefangenenlager in die Luft zu sprengen. Von «Beweise vernichten» sei die Rede gewesen.

Beweise, keine Menschen.

Isaiah Bradley als Black Captain America im Zweiten Weltkrieg
Isaiah Bradley als Black Captain America im Zweiten Weltkrieg
Quelle: Marvel Comics

Isaiah hat sich für sie eingesetzt. Wie einst Steve Rogers in «Captain America», als er auf eigene Faust Bucky und andere Gefangene retten gegangen ist. Während er als Held zurückgekehrt ist, wurde Isaiah dafür ins Gefängnis gesteckt – als Laborratte.

Die Serie macht damit aus Isaiah eine spannendere Figur als die in den Comics. Anders als dort hatte er nämlich nie auch nur die geringste Chance gehabt, Captain America zu werden. Wegen seiner Hautfarbe, so Bradley: «Die würden doch niemanden den Schild tragen lassen, der nicht blond und blauäugig ist!?»

Wir erinnern uns: In der zweiten Folge halten ein paar Polizeibeamte an, weil Sam und Bucky heftig diskutieren. «Bereitet Ihnen dieser Mann Probleme», fragen die Polizisten Bucky. Nicht Sam. Rassismus. Alltag in den USA.

Wir erinnern uns auch: Bucky wurde von Hydra mental gefoltert und verformt. Geradezu umprogrammiert. Jahrelang. Bis zum Punkt, an dem er sich selber nicht mal mehr als echten Menschen gesehen hat. Eher als seelenlose Killermaschine.

Und Isaiah? Er hat beides erlebt. Den Rassismus und die Laborversuche. Ein übleres Schicksal kann ich mir kaum vorstellen.

Isaiah Bradley im MCU
Isaiah Bradley im MCU
Quelle: Disney+

Aber genau wie Karli hat auch Isaiah als Antwort darauf einen dunklen Pfad eingeschlagen. Einen einsamen Pfad. «Kein schwarzer Mann mit Selbstachtung würde dieses Schild jemals tragen wollen», sagt er zu Sam. Seine Worte triefen nur so vor aufgestauter Wut. Verständlich. Aber sie untermalen das, was die Serie von Anfang an immer wieder deutlich macht:

Gewalt führt zu mehr Gewalt. Und das wiederum zu Radikalismus. Über das habe ich vergangene Woche bereits geschrieben, über die Radikalisierung der Welt – Menschen, die sich von Menschen abwenden.

Schlussendlich ist es das, was zur Entfremdung von Menschen, Gruppen oder gar ganze Nationen führt. Die Botschaft finde ich stark. So ungerecht die Welt sein kann: Gleiches mit Gleichem zu vergelten, kann nicht die Lösung sein. Und schon gar nicht Machiavellis Zweck, der die Mittel heiligt.

Der Teufelskreis, der daraus entsteht, ist kaum durchbrechbar.

Die heilende Gemeinschaft

Nächste Szene. Sam bei seiner Schwester und Neffen. Dank der Hilfe des Dorfes bauen sie das kaputte Schiff der Eltern wieder auf. Eine Gemeinschaft, die zusammenhält und heilt. Das ist es, was den Teufelskreis durchbricht.

Oder die zerrüttete Beziehung zwischen Sam und Bucky flickt.

Die Message stimmt, auch wenn die Szene etwas gar aufgesetzt wirkt. Trotzdem mag ich, wie Sam und Bucky endlich auf dieselbe Wellenlänge kommen. Oder wie Sam realisiert, dass der unterschwellige Grund, wieso er sich nie dem Schild hat annehmen wollen, der befürchtete Rassismus ist. Sich dem zu unterwerfen würde aber bedeuten, sich fremdbestimmen zu lassen. Nicht sich selbst zu sein.

Endlich realisiert der Falcon, dass er’s besser weiss.

Sam beim Training – endlich.
Sam beim Training – endlich.
Quelle: Disney+

Spannend ist, was als nächstes kommt: Walker erzählt Lemar Hoskins Familie, er hätte den Mörder ihres Sohnes getötet. Was, wie wir wissen, nicht stimmt: Nicht den Mörder hat er getötet, sondern den erstbesten Flag Smasher, der ihm in die Finger gekommen ist.

Warum die Lüge? Vielleicht, um der Familie sowas wie Genugtuung zu schenken. Wyatt Russells grossartiges Schauspiel sagt mir aber, dass es schlichtweg die Version der Geschichte ist, die er am liebsten selber glauben würde. Auch wenn er sich ständig zu rechtfertigen versucht: Er weiss ganz genau, dass er falsch gehandelt hat.

Zum Schluss: New York

Karli ist in New York. Dort, wo die GRC-Abstimmung über den umstrittenen Patch Act stattfinden soll: Der raschen Wiederinstandsetzung der Grenzen der Nationen, wie es sie vor dem Snap gegeben hat. Zusammen mit Batroc the Leaper einen grossen Angriff plant.

Ich wusste doch, dass Falcons Nemesis aus der ersten Episode zurückkehrt.

Zum Angriff wird’s aber erst in der letzten Episode kommen. Auch zur Enthüllung, was in Sams Koffer steckt, den er von Bucky bekommen hat. Derweil schmiedet Walker in der Post-End-Credit-Szene sein neues Schild. Jaja, der U.S. Agent kommt.

Ganz bestimmt.


Wie hat euch die Folge gefallen? Gibt’s noch Easter Eggs oder WTF-Momente, die mir entgangen sind? Schreib es in die Kommentare. Die nächste und letzte Folgenanalyse folgt am Freitag, 23. April.

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


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