Produkttest

Fairphone 4 im Test: Lassen sich Nachhaltigkeit und gute Technologie vereinen?

Stefanie Enge
18.11.2021

Die Vision von Fairphone ist mir sympathisch: Nachhaltig und bei fairen Arbeitsbedingungen produziert und reparierbar. Technisch hinkten die Smartphones der Konkurrenz weit hinterher. Das ändert sich auch bei der vierten Version nicht.

Fünf Jahre Garantie bietet Fairphone auf das Fairphone 4, wenn du es bis Ende dieses Jahres kaufst und aktivierst. Bei anderen Herstellern bin ich froh, wenn ich nach fünf Jahren noch ein Sicherheitsupdate für das Betriebssystem bekomme. Geplant ist außerdem, dass das Gerät bis Android 15 aktualisiert wird.

Dick, aber dafür modular

Das Auseinanderbauen ist einfach und in zehn Minuten erledigt. Silberne Schrauben halten die einzelnen Module fest. Schwarze Schrauben verbinden den Rahmen mit dem Display. Sind die Schrauben gelöst, hebelst du mit dem Finger die Mini-Flachbandkabel von den Kontakten ab. Dann liegen alle Module frei. Zum Befestigen, musst du die Kabel nur vorsichtig auf die kleinen aber stabilen Pins drücken.

Design und Display

Das 6,3 Zoll große LC-Display (IPS) bietet eine Full-HD-Plus-Auflösung von 1080 × 2340 Pixeln bei einer Pixeldichte von 410 ppi. Es ist gestochen scharf, bietet eine gute Helligkeit, kräftiges Schwarz und ist außerdem blickwinkelstabil. Die Bildwiederholrate liegt bei 60 Hertz. Der Markt entwickelt sich derzeit in Richtung 120-Hertz-Displays, aber noch nutzen längst nicht alle Apps die höhere Bildwiederholrate aus.

Die Displayränder sind mit knapp zwei Millimetern links und rechts eher dünn. Unten sind es aber fast acht Millimeter und oben musst du mit einer Einkerbung für die Frontkamera („Notch“) leben. Das Display ist zwar durch Gorilla Glass 5 geschützt und sollte einige Stöße und Stürze aushalten, doch darauf verlassen möchte ich mich nicht. Stecke ich es allerdings in eine Schutzhülle, würde zum hohen Eigengewicht und der Größe nochmal einiges dazu kommen.

Auf der rechten Seite befinden sich die Knöpfe für die Lautstärkeregelung und die Taste zum Einschalten mit integriertem Fingerabdruckscanner. Alle drei haben einen guten Druckpunkt und sind angenehm zu erreichen. Unten befindet sich der USB-C-Anschluss; einen Kopfhöreranschluss gibt es nicht mehr. Das Gerät ist spritzwassergeschützt (IP54) und kann dadurch auch bei Regen bedient werden. Wasserdicht ist es aber nicht.

Für gute Fotos brauchst du Geduld

Das Positive zuerst: Das Fairphone 4 ist mit zwei 48 Megapixel-Kameras ausgestattet. Eine normale (Blende f1.6) und eine Weitwinkelkamera (Blende f2.2). Letztere bietet mit 120 Grad einen großen Blickwinkel, wenn mal mehr auf das Foto soll.

Als Erstes fällt auf, dass die Kamera mit einer kurzen Verzögerung auslöst. Das habe ich bei allen Smartphones, die ich bisher in der Hand hielt, noch nicht erlebt. «Mal schnell ein Foto machen» funktioniert nicht, vor allem beim Scharfstellen gibt es Probleme.

Der Nachtmodus macht im Dunkeln annehmbare Bilder. Doch auch hier hatte ich Probleme mit dem Scharfstellen und brauchte viele Versuche, bis ein akzeptables Foto dabei war.

Die Frontkamera löst mit 25 Megapixeln (Blende f2.2) auf. Die Selfies sind okay, aber deutlich verrauschter als ich es von anderen Geräten gewohnt bin. Für die Frontkamera gibt es softwareseitig auch keine Modi wie für Nachtaufnahmen. So werden Selfies im Dunkeln nur ansatzweise okay.

Die Videofunktion hat mich ebenfalls enttäuscht. Sobald etwas Bewegung im Bild ist, zum Beispiel durch Schwenks oder beim Gehen, kommt es häufig zu Stottereffekten. Daran ändert leider auch der «Super Anti Shake» Modus nichts.

Die Probleme beim Auslösen und Scharfstellen hängen mit der Software zusammen. Hier bleibt nur zu hoffen, dass der Hersteller schnellstmöglich nachbessert.

Zukunftssicher? Ja, aber…

Das Fairphone wirbt damit, zukunftssicher zu sein. Wenn damit die verfügbaren Ersatzteile sowie die lange Garantie von fünf Jahren gemeint ist, dann ist es zukunftssicher. Im Fairphone-Shop gibt es immer noch einzelne Ersatzteile für das Fairphone 2 aus dem Jahr 2015 zu kaufen.

Der Akku ist einer der häufigsten Gründe, warum jemand ein neues Smartphone braucht. Mit dem Fairphone kaufst du einfach einen neuen und baust ihn ein. Zum Einsatz kommt ein Akku mit 3905 mAh, der je nach Nutzung bis zu zwei Tage durchhält.

Technologisch gesehen würde ich das Fairphone 4 aber nur bedingt als zukunftssicher bezeichnen. Zwar ist es schon mit 5G ausgestattet und der Hersteller möchte auch möglichst viele Betriebssystemupdates unterstützen. Doch ich befürchte, dass der verbaute Prozessor Snapdragon 750G in fünf Jahren nicht mehr gut genug für Android 15 ist.

Von der Ausstattung her gesehen ist das Fairphone trotz höherem Preis ein Mittelklasse-Smartphone. Die Welt dreht sich in den nächsten Jahren weiter. Andere Hersteller werden neue Funktionen und Technologien in ihre Geräte packen, die das Fairphone 4 nicht nachrüsten können wird. Dessen musst du dir bei der Kaufentscheidung bewusst sein. Immerhin kannst du dir Hoffnung auf ein erneuertes Kameramodul machen. Zumindest gab es jeweils eins beim Fairphone 2 und 3.

Fazit: Nachhaltigkeit als Kaufgrund

Ich finde der Nachhaltigkeitsansatz ist genau das, was Technologie heutzutage braucht. Das Fairphone 4 ist an sich ein tolles, sehr gut verarbeitetes Gerät. Ich würde es allen empfehlen, die ihr Smartphone nicht als Kameraersatz sehen oder eine Instagram-Karriere anstreben.

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Meistens lebe ich irgendwo zwischen Bits und Bytes, probiere alternative Android-Betriebssysteme aus und versuche mein Leben mit Hilfe von Open Source Tech smarter zu machen - immer mit dem Fokus auf Datenschutz und Privacy. Wenn ich gerade mal keine coolen Gadgets teste, entwickle ich Videospiele, schreibe Geschichten und spiele Knopfakkordeon. 


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