Darkmatter Katim: Das sicherste Phone von dem du noch nie gehört hast

Der arabische Smartphone-Hersteller präsentiert am Mobile World Congress sein Katim Phone. Das sichere Smartphone geht in Punkto Sicherheit neue Wege. Aber: Du bist ziemlich sicher nicht die Zielgruppe des Herstellers mit Sitz in Abu Dhabi.
Du wirst das Katim Phone, offiziell eigentlich nur «Katim», wohl nie kaufen können und mit grosser Wahrscheinlichkeit nie im echten Leben sehen. Trotzdem solltest du wissen, dass es existiert, was es kann und dass es eines der grossartigsten Smartphones der Welt im hier und jetzt ist und ein echter Hingucker am Mobile World Congress in Barcelona.
Das sind jetzt mächtige Vorschusslorbeeren, vor allem wenn du jetzt liest, dass es sich beim Katim um ein Flaggschiff mit 821er-Snapdragon handelt. Dazu eine Kamera, die nicht mal ansatzweise mit dem schwächsten der Flaggschiffe der aktuellen Generation mithalten kann. Und, damit die Verwirrung abgerundet ist: Das Katim, aus schlichtem, schwarzem Metall gefertigt, hat keinen fixen Preis. Das Katim kostet, was das Katim kostet. Wenn du eins willst, dann interessiert dich der Preis nicht. Dann lebst du ein Leben, in dem der Preis des Katim keine Rolle spielt.

Der Hersteller, Darkmatter, will dir das Phone auch nicht verkaufen. Denn du bist ziemlich sicher nicht die Zielgruppe des Phones.
Was das Katim ist
Katim ist ein arabisches Wort. Laut Hersteller Darkmatter stammt es vom Wort Verschwiegenheit ab. Das Katim Phone ist ein Phone, das dir im Kontext eines Smartphones, so Darkmatter, die absolute Sicherheit garantiert.
Das Hands-on zeigt, dass Darkmatter damit nicht spasst. Das Betriebssystem ist von der Handhabung her zweifelsohne ein Android. Doch die Google Play Services sind komplett absent. Das Phone kommt dafür mit einer Suite aus sicheren Messenger- und Mail-Apps. Ich forsche nach, drücke mich unter den wachsamen Augen mindestens eines Marketing-Mitarbeiters durch die Einstellungen. Android 7.1.2 mit Security Patch vom März 2018. Wir schreiben aktuell den 27. Februar. Aber Hinweise auf die Android-Distro bleiben aus. Erst die Tastatureinstellungen geben den entscheidenden Hinweis. Denn da steht «Keyboard (AOSP)».

AOSP steht für Android Open Source Project und ist im Wesentlichen die Version Androids, die Google Entwicklern zur Verfügung stellt. Das alleine ist nicht so interessant, denn manch ein Hersteller geht zu AOSP und baut an der Distro rum. Ich frage nach: Was genau hat Darkmatter an AOSP gewerkelt.
«Wir haben verhältnismässig wenig hinzugefügt», sagt ein eloquenter Amerikaner in orangem Hemd und Anzug, «viel mehr haben wir entfernt».
Darkmatter habe alle Komponenten AOSPs rausgerissen, die Daten an dritte weitergeben und so das Basis-Betriebssystem zu etwas gemacht, das eigentlich nur die Interaktion zwischen User und dem lokalen Phone ist. Das klingt jetzt etwas abstrakt, aber die meisten Android-Distros übermitteln oft mit Einverständnis des Users, manchmal auch ohne, Telemetrie-Daten an diverse Server von Herstellern und Service Providern. Darkmatter macht auf dem Katim OS Schluss damit. Das Hardening geht vom Bootloader bis hin zur App-Isolation.
Dann hat Darkmatter wieder aufgebaut. Als Resultat hat das Katim interne Authentisierungs-Faktoren, die die Integrität des Phones überwachen. Die Device Keys löschen sich selbst, wenn die Software Manipulation an Hardware oder Software feststellt. Das Katim wird unbrauchbar und zu einem 175 Gramm schweren Briefbeschwerer.
Die Apps sind End-to-End Encrypted. Ich bin zwar ein starker Proponent des Signal Messengers, aber ich komme nicht umher, die elegante und proprietäre Lösung Darkmatters zu mögen. Das selbe gilt für E-Mails, Kontakte und andere.
Das Katim Phone hat den Nachteil, dass es für normale User etwas unbequem ist, da die Google Services nicht installiert sind. Das heisst, dass kein App-Store vorhanden ist und die Services entweder nachgerüstet werden müssen oder alle Apps per Sideload installiert werden müssen.

Hardwareseitig sieht das Katim ebenfalls recht speziell aus. Es ist zwar abgerundet, hat aber harte Kanten. Es ist schwer, weit schwerer als jedes aktuelle Flaggschiff. Der metallene Unibody ist schlicht gehalten. Einzig ein kleines Hebelchen über dem Lautstärkeregler fällt auf. Darunter ist das Symbol eines Schilds.
Dieser Knopf aktiviert den Shield Mode. Dieser kappt hardwareseitig alle Systeme, die eine Transmission zulassen. Sprich GPS, Mikrofone, Bluetooth, Kameras und Mobilfunkverbindung.
Wer ist eigentlich Darkmatter?
Im vergangenen Jahr hat Darkmatter am MWC einen kleinen Stand gehabt, mit ein paar Menschen, die Wände schwarz und ein Phone. Das Phone war zwischen grünen leuchtenden Fäden aufgestellt und anfassen durfte es keiner. Der Grund: Das Katim war damals ein Prototyp. Eines ging am Stand herum, in der Innentasche eines Darkmatter-Mitarbeiters. Es sei nicht funktional, hat er mir damals gesagt.
Heute am MWC sieht das anders aus. Der Stand ist gewachsen. Weisser Boden, weisse Wände, Sitzecken, eine Selfie-Challenge und ein sehr aktives Marketing Team sind vor Ort. Sogar Engineers, die zwar auf ihrem offiziellen Badge mit «Darkmatter LLC» angeschrieben sind, aber weder bestätigen noch verneinen können, dass sie am Katim arbeiten, stehen Red und Antwort in den wohl merkwürdigsten Off-the-Record Interviews meiner Karriere. Fragen wie «Welches dir unbekannte Feature an dem Phone, das ich weder beim Namen nenne und an dem du offiziell nicht gearbeitet hast, gefällt dir am besten» werden in einer Art Orwell'schem Doppelsprech gefragt. Die Antworten sind ähnlich bizarr und komplett unbrauchbar, aber die Engineers sind sichtlich stolz auf ihre Arbeit, die sie unter Umständen nicht geleistet haben. Alles Geheimsache.
Fakt ist aber, dass Darkmatter LLC, die Herstellerfirma des Katim Phones, ein Jahr hinter sich hat, für das sie wohl von manch einem Startup beneidet wird. Seit dem vergangenen MWC hat der Hersteller mit Hauptsitz in Abu Dhabi aggressiv Recruiting betrieben und hat aktuell immer noch 46 Stellen offen. Gleich auf der Seite neben den offenen Stellen will Darkmatter Bewerbern das Leben in den vereinigten arabischen Emiraten schmackhaft machen.
Der CEO Darkmatters, Faisal Al Bannai, ist nicht vom Fach. Darkmatter ist sein erstes Cybersecurity-Unternehmen. Aber der Telekombranche ist Faisal kein Unbekannter. Anno 1997 hat er Axiom Telecom gegründet. Eine Firma, die heute 2.2 Milliarden US Dollar wert ist. Faisal ist da bestimmt nicht leer ausgegangen. Einen Teil seines Geldes investiert er jetzt in Darkmatter und schart Talent um sich. Denn Faisal hat Wirtschaft in Boston und London studiert und hat abgesehen von der Vision wohl keine professionelle Ahnung von Kryptographie, Security und anderen Dingen, die im Katim Phone verbaut sind.
Die Vision ist eine recht spezielle. Faisal sieht sich nicht als der, der Alufolienhutträgern ein Spielzeug gibt, sondern als eine Art Pionier:
Wir von Darkmatter glauben, dass wir in der Region nur dann unser ökonomisches und soziales Wachstum weiterführen können, wenn wir Cybersecurity-Expertise bieten. Hier in der Region, unter einem Schirm.
Ob er damit die repressiven Regimes des mittleren Ostens und Afrikas anspricht, bleibt ungeklärt. Einen gewissen Appeal für die Menschen, die sich durch den arabischen Frühling mehr Rechte erkämpft haben, aber immer noch einen weiten Weg vor sich haben und oft unter der Zensur durch den Staat leiden, kann aber nicht geleugnet werden.
In erster Linie aber spricht Darkmatter Kunden an, die das Gerät breit in einem Unternehmen ausrollen wollen, über eigene, sichere und zentrale Serverinfrastruktur verfügen und denen die Datenhoheit wie die Geheimhaltung wichtig ist. Darum auch das Fehlen eines Preisschilds auf dem Phone.
Trotzdem: Darkmatter scheint auf Erfolgskurs. Denn am Stand wird das Katim in seiner jetzigen Version als fast schon veraltet gehandelt. Ein Flaggschiff mit aktuellen Flaggschiff-Komponenten zeichne sich am Horizont ab.
Ich werde mich bemühen, ein Katim als Testgerät zu erhalten. Es sei unwahrscheinlich, heisst es am Stand, denn der breite Markt solle auch gar nicht angesprochen werden. Ich informiere die PR-Damen darüber, dass mir der Markt eigentlich wurscht ist. Ich will, dass meine Leser mehr über mobile Security wissen, sich informiert über das Thema unterhalten können und vielleicht, nur vielleicht, zweimal über die Risiken des digitalen Zeitalters nachdenken. Die Damen verstehen das. Eine verspricht, zu sehen, was sich machen lässt. Es bleibt spannend.


Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.