
Kritik
Taktik, Timing, Triumph: Wie ich Marc Hirschi zum Tour-de-France-Etappensieg verhalf
von Kim Muntinga
«EA Sports College Football 26» bringt die College-Atmosphäre auch im zweiten Jahr nach langer Abstinenz eindrucksvoll zurück. Doch neben packender Präsentation und tieferem Dynasty-Modus trüben einige Baustellen den Gesamteindruck.
«Mr. Brightside» dröhnt über die Stadionlautsprecher. Rund 110 000 Menschen im Big House in Ann Arbor springen im Takt, das gesamte Stadion wippt wie ein riesiges Lebewesen. Es steht 31:27, noch vier Sekunden auf der Uhr. Ball an der gegnerischen Acht-Yard-Linie. Ich rufe eine Slant-Route auf meinen Slot Receiver. Snap. Wurf von Freshman-Quarterback Bryce Underwood auf Anthony Simpson. Touchdown. Michigan schlägt Ohio State. The Game gehört mir. Und das Publikum rastet komplett aus.
Solche Momente sind der Grund, warum ich College Football liebe. Es ist mehr als nur Football. Es ist ein Event, eine Religion, eine Explosion aus Farben, Marching Bands und Traditionen. Rivalitäten wie The Game zwischen Michigan und Ohio State spalten Bundesstaaten, zerbrechen Familienbande – und genau das fängt «EA Sports College Football 26» endlich wieder so ein.
Dabei war es lange Zeit still um die Serie. Bis zum letzten Jahr. Nach elf Jahren Pause erschien «EA Sports College Football 25». Und es schlug ein wie ein Touchdown-Pass in Overtime. Laut EA Sports war es das «meistverkaufte Sportspiel in der US-Geschichte». Bereits in der Early-Access-Phase, also noch vor dem offiziellen Release, kauften mehr als 2,2 Millionen Spieler die Deluxe Edition.. Zusätzlich spielten mehr als 600 000 weitere Nutzer über andere Zugänge wie EA Play. Kein Wunder: Die Fans waren ausgehungert.
Mir persönlich hat «College Football 25» schon richtig Spaß gemacht. Es fühlte sich frisch an, schneller, wilder: einfach mehr College als «Madden». Das Fundament stimmte. Doch gleichzeitig hatte der Teil auch spürbare Kinderkrankheiten. Im Dynasty-Modus fehlte noch die Tiefe, die ich mir erhofft habe. Vieles wirkte zudem noch sehr umständlich.
«College Football 26» will genau das liefern: mehr Authentizität, tiefere Modi und eine bessere Präsentation. Producer Ben Haumiller versprach im Vorfeld, man habe «vor allem die Community-Wünsche priorisiert» – etwa beim Dynasty-Modus, beim Transfer-Portal oder der individuellen Stadion-Atmosphäre.
Wenn ich beschreiben müsste, wie sich «College Football 26» spielt, würde ich sagen: Es fühlt sich so an, wie College Football sich anfühlen soll. Schnell, wild, voller Überraschungen – und vor allem nie statisch. Letzteres ist mein Hauptkritikpunkt bei «Madden».
Dieses Gefühl hatte ich auch schon bei Teil 25 oder früher bei NCAA Football 14. «College Football 26» legt noch eine Schippe drauf, vor allem in Sachen Animationen. Tackles wirken wuchtiger, Ballträger kämpfen sich oft noch ein, zwei Yards weiter, selbst wenn schon ein Verteidiger dranhängt. Blocks sehen flüssiger aus, und es gibt kleine Details wie das Stolpern nach einem Hit, die das Spiel lebendig machen. Insgesamt wirkt alles etwas runder und organischer als letztes Jahr.
Das Laufspiel fühlt sich schön physisch an. Power-Backs wühlen sich durch die Mitte, während flinke Speedster plötzlich außen die Linie entlangziehen und aus einer kleinen Lücke einen riesigen Raumgewinn machen. Ich liebe diese Momente, in denen ein Spielzug eigentlich schon gestoppt scheint. Und dann plötzlich alles explodiert.
Ein echtes Highlight sind für mich die Option Plays. Run-Pass-Options oder klassische Read-Options fühlen sich nach wie vor großartig an. Diese kurzen Augenblicke der Entscheidung, ob ich den Ball behalten oder abgeben soll, bringen genau dieses College-Feeling, das ich so liebe.
Natürlich gibt’s immer noch kleine Macken. Ab und zu dreht ein Spieler nach einem Tackle eine unfreiwillige Pirouette, oder ein Lineman pennt und vergisst seinen Block. Aber insgesamt spielt sich College Football 26 angenehm flüssig und vor allem lebendig. Und genau das ist für mich der Kern von College Football.
Mein erster Stopp: Road to Glory, der Karrieremodus. Hier starte ich als blutjunger Quarterback an einer Highschool. Alternativ kann ich auch die Position eines Running Backs, Wide Receiver, Linebacker oder Cornerback wählen. Es beginnt mit simplen Highschool-Spielen, bei denen ich mich in unterschiedlichen Situationen für potenzielle Colleges beweisen muss. Dafür muss ich spielerisch Challenges erfolgreich meistern. Zusätzlich setze ich meine zehn favorisierten Unis.
Nach und nach flattern Angebote von kleineren oder größeren Colleges ein: James Madison, UTSA, Purdue, Alabama, Oregon. Ich wähle UTSA: die Roadrunners – Meep! Meep!» – und finde mich mitten in der größten Football-Region Amerikas wieder: Texas.
Die Story-Sequenzen sind okay. Ein bisschen Social Media, ein paar Interviews, aber es wirkt oft eher wie Deko. Mehr Drama hätte mir gefallen. Zum Beispiel echte Konflikte im Team oder harte Coaches, die mich anschreien, weil ich einen Spielzug versaue. Stattdessen bleibt alles etwas weichgespült.
Neben meinem Brand, dem Training und der Leadership im Team muss ich auf meine akademischen Leistungen achten. So richtig überzeugen kann mich der Modus nicht.
Hier liegt für mich das wahre Gold begraben. Der Dynasty Mode ist das Herz des Spiels. Ich übernehme die Rolle des Head-Coaches der Texas Tech Red Raiders und beginne ein Mammutprojekt: vom Underdog zur College-Legende.
Zu Beginn wähle ich einen Archetypen:
Ich entscheide mich für den Motivator. Jeder Archetyp hat einen Talentbaum, den ich mit XP ausbauen kann. Später schalte ich beispielsweise Hybrid-Rollen wie Talent Developer, Architect oder Strategist frei oder kann die jeweilige Archetype auf das Elite-Level bringen. Zusätzlich gibt es mit Program-Builder und CEO noch zwei Extra-Talentbäume.
Wichtig: Ich kann nicht alles vollständig entwickeln. Selbst auf Level 100 reicht die XP nicht für alle Bäume. Ich muss also strategisch planen und meine Coordinators passend zu meinem Archetypen wählen, um Synergie-Boni zu erhalten.
Insgesamt wurde das Coaching-System überarbeitet: Und ja, es sind mehr als 300 echte Coaches im Spiel. Von Head Coaches bis Coordinators: Namen wie Kalen DeBoer (Alabama), Dabo Swinney (Clemson) oder Brian Kelly (LSU) sind mit dabei. Ich kann sie verpflichten, verlieren oder gegen sie coachen.
Das Coaching-Karussell bringt echte Dynamik ins Spiel. Nach jeder Saison wechseln Coaches die Teams, werden gefeuert oder befördert. Ich habe erlebt, wie mein OC nach einer starken Saison zu einem Group-of-5-Team als Head Coach ging. In der neuen Saison plane ich ein Non-Conference-Spiel gegen ihn und verfolge seine weitere Karriere aufmerksam.
Leider hat das System noch Schwächen. So mancher Wechsel nach der Saison erschien mir doch sehr unlogisch. Beispielsweise heuerte Steve Sarkisian trotz Playoffteilnahme mit den Texas Longhorns plötzlich bei den Michigan Wolverines an, obwohl die deutlich die Playoffs verpasst haben. Generell gibt es derzeit wohl kaum einen begehrteren und besseren Job als bei den Longhorns.
Das Recruiting-System ist dieses Jahr noch eine Ecke komplexer geworden. Anders als früher kann ich nicht einfach Punkte auf Talente ballern und hoffen, dass sie irgendwann zu meinem College committen. Jeder Spieler bringt jetzt sogenannte Dealbreaker mit – harte Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit er überhaupt in Erwägung zieht, zu mir zu kommen und später auch zu bleiben.
Manche wollen unbedingt sofort Starter sein, andere bestehen auf ein bestimmtes akademisches Programm oder wollen ein Team, das ständig Bowl Games spielt. Und das Spannende: Diese Dealbreaker sind dynamisch. Spiele ich eine miserable Saison, springen mir plötzlich Spieler ab, die mich vorher noch hoch auf ihrer Liste hatten. Das zwingt mich dazu, ständig auf meinen Team-Status zu achten und meine Recruiting-Strategie anzupassen.
Und dadurch kommen wir zum Transfer-Portal. Das gab es zwar schon im 25er-Teil. Allerdings war die Umsetzung eher mau. Es war selten, dass ich zumindest eine Handvoll Drei-Sterne-Spieler oder besser aus dem TP rekrutieren konnte. Dabei sehen die Zahlen in der Realität ganz anders aus: Allein im vergangenen Jahr haben sich mehr als 3000 Spieler ins Transfer-Portal eingetragen.
Dieses Jahr sieht das ganz anders aus. Das Portal ist voller interessanter Spieler, inklusive einiger Vier- und Fünf-Sterne-Talente, die aus unterschiedlichsten Gründen die Uni wechseln wollen. Das kann eine Goldgrube sein. Aber auch mein größter Albtraum. Denn gleichzeitig verliere ich wichtige Starter ins Portal, weil ich ihre Dealbreaker nicht (mehr) erfüllen konnte. Vielleicht wollen sie mehr Spielzeit, einen Wechsel in eine größere Conference oder schlicht bessere Titelchancen.
Ich kann in den Einstellungen sogar festlegen, wie groß die Wellen an Spielern im Transfer-Portal sein sollen: von sehr wenigen Wechseln bis hin zu einem wahren Exodus. Das gibt mir die Freiheit, meine Dynasty so chaotisch oder stabil zu gestalten, wie ich es will.
Kurz: Dynasty ist für mich der wahre Star von «College Football 26». Es ist mehr als ein Modus. Es ist ein kleines Football-Universum, das sich um jede Entscheidung dreht. Hier pulsiert das echte College-Feeling und genau deswegen kann ich von diesem Modus kaum die Finger lassen. Die Entwickler haben viele Quality-of-Life-Verbesserungen gegenüber dem Vorgänger eingebaut: unter anderem bessere Übersichten.
Allerdings haben sich auch noch ein paar Bugs eingeschlichen: Insbesondere der Positionswechsel eines Spielers sorgt dafür, dass sein Potenzial extrem heruntergesetzt wird. Für den Dynasty Mode ist das ein Drama: Positionswechsel sind extrem wichtig. Die Entwickler müssen hier schnellstmöglich reagieren.
Ultimate Team ist auch in «College Football 26» vertreten, aber ich weigere mich, diesen Modus zu unterstützen. Mikrotransaktionen, Sammelkartenlogik, künstlicher Grind – all das hat im College-Football-Kosmos nichts verloren. Dieses Spiel lebt von Identität, Tradition und Programmen – nicht von Booster-Packs und Fantasie-Lineups.
Dass EA den Modus trotzdem wieder einbaut, überrascht mich nicht. Enttäuscht mich aber jedes Jahr aufs Neue. Wer’s braucht, bitte. Ich bin raus.
Die größte Stärke von «College Football 26» neben dem Dynasty-Modus ist die Präsentation. Hier dreht das Spiel wirklich auf.
Das White Out Game im Beaver Stadium von Penn State ist dabei jedes Mal ein absoluter Gänsehaut-Moment für mich. Über 100 000 Menschen in Weiß verwandeln das Stadion in eine vibrierende Schneelandschaft. Jeder Platz wippt, während «Zombie Nation» dröhnt, die Fans schreien so laut, dass mein Controller fast aus der Hand vibriert. Selbst virtuell fühlt sich das so gigantisch an, dass mir kurz der Atem stockt. Solche Szenen machen College Football für mich zu mehr als nur Sport. Es ist ein Spektakel.
Doch es bleibt nicht bei weißen Wellen. Bei Virginia Tech läuft die Mannschaft zu «Enter Sandman» von Metallica ins Stadion ein. 65 000 Menschen springen rhythmisch auf und ab, das ganze Lane Stadium bebt.
Jedes College bringt seinen eigenen Stil und seine Rituale mit. Clemson läuft durch seinen Tunnel und berührt den berühmten Howard’s Rock. Oklahoma fährt mit der Sooner Schooner aufs Feld. All diese Traditionen sind liebevoll nachgebaut und heben das Spiel auf eine emotionale Ebene, die es so nur im College Football gibt.
Die Stadien sehen beeindruckend aus, zumindest die großen. Das Big House, Death Valley, Bryant-Denny-Stadium: alles vollgestopft mit Details. Fans tragen die Farben ihrer Unis, feuern ihre Teams an, und in den Rivalry Games kocht die Hütte regelrecht über. Allerdings wirken sie vom Gesicht und den Animationen oft noch lieblos.
Grafisch bewegt sich das Spiel auf einem guten, aber nicht revolutionären Level. Die Spielermodelle sind solide, aber manche Gesichter wirken noch etwas plastikartig. Besonders bei weniger prominenten Spielern merkt man, dass EA bei der Detailarbeit spart. Dafür sind Uniformen, Helme und Field Designs top. Gerade bei Texas Tech liebe ich die glänzenden roten Helme im Flutlicht.
Die TV-Präsentation orientiert sich stark an echten Übertragungen. Grafiken, Overlays und Kameraperspektiven sind gelungen, auch wenn es noch Raum für Verbesserungen gibt. Besonders schön: In Rivalry Games gibt es spezielle Logos, Intros und Grafiken, die die Bedeutung des Spiels unterstreichen.
«EA Sports College Football 26» ist seit dem 10. Juli für Playstation 5 und Xbox Series X|S verfügbar.
«EA Sports College Football 26» zeigt eindrucksvoll, warum College Football mehr ist als nur Sport: Es ist ein Fest der Emotionen, voller Traditionen, wilder Spiele und legendärer Stadien. Gerade die Präsentation bringt das perfekt rüber: ob beim White Out in Penn State, «Enter Sandman» von Metallica beim Virginia-Tech-Entrance oder anderen Ritualen der Colleges. Solche Momente machen das Spiel zu etwas Besonderem.
Auch spielerisch liefert «College Football 26» eine runde Performance. Animationen wirken spürbar dynamischer, Läufe fühlen sich physischer an und Option Plays machen jeden Spielzug spannend. Besonders der Dynasty-Modus glänzt durch mehr Tiefe: mit realen Coaches, komplexeren Recruiting-Mechaniken und einem endlich sinnvoll gefüllten Transfer-Portal. Hier steckt viel Liebe zum Detail, die College-Fans stundenlang fesseln dürfte.
Doch nicht alles ist perfekt. Road to Glory bleibt trotz netter Ideen oberflächlich und wirkt wie Beiwerk. Zudem trüben noch Bugs das Spielerlebnis, allen voran der Positionswechsel-Bug im Dynasty-Modus, der Spielerpotenzial massiv verhageln kann. Auch grafisch darf man keine Revolution erwarten, manche Gesichter wirken plastikartig, die Fans manchmal lieblos.
Unterm Strich ist «College Football 26» dennoch ein starkes Spiel. Für College-Fans ist es ein Pflichtkauf. Alle anderen bekommen zumindest ein Football-Spiel, das vor Atmosphäre nur so strotzt und bei dem sich die Liebe zum College Football entwickeln kann.
Pro
Contra