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CES Privacy Keynote: Facebook, Apple, Procter & Gamble und die Regierung geben sich die Ehre

Apple gibt sich zum ersten Mal seit Ewigkeiten die Ehre und nimmt an einer Panel-Diskussion teil. Das Thema: Die Privatsphäre im Internet. Die Diskussionspartner: Apple, Facebook, ein Beauty-Konzern und die US-Regierung.

Der Raum in der Halle Nord des Las Vegas Convention Centres ist klein. Nur ein paar Hundert passen rein. Und das, obwohl Apple zum ersten Mal seit fast 30 Jahren an einer Keynote spricht, die der Konzern nicht selbst organisiert hat. Es geht um die Privatsphäre aus der Sicht der Konzerne und die Leitfrage lautet: Was wollen Konsumenten wirklich?

Spoiler: Wissen wir am Ende immer noch nicht, aber der Weg dahin war spannend.

Um zu verstehen, wie diese Konstellation auf der Bühne zustandegekommen ist, müssen wir einen Blick ins Verständnis des Themas «Privatsphäre» der einzelnen Teilnehmer werfen. Dazu müssen wir auch ihre Pläne für die Privatsphäre ihrer User ansehen. Denn Facebook ist die wohl grössten Datenschleuder unserer Zeit, Apple hält stur dagegen und die Federal Trade Commission dümpelt hinterher. Irgendwie. Und dann ist da noch Procter and Gamble

Eindeutige Gewinnerin des Geplänkels: Jane Horvath, Chief Privacy Officer bei Apple
Eindeutige Gewinnerin des Geplänkels: Jane Horvath, Chief Privacy Officer bei Apple

Facebook: «The Future is Private»

Facebook will alles wissen. Über dich, über deine Bekannten, Freunde und Liebsten. Facebook will sogar wissen, was du nicht schreibst. Anno 2013 haben Researcher Sauvik Das und Facebooks Adam Kramer ein Paper mit dem Titel Self-Censorship on Facebook veröffentlicht, in dem sie die nicht geposteten Botschaften auf Facebook analysiert haben. Das bedeutet, verkürzt ausgedrückt, dass wenn du damals einen Post angefangen hast zu schreiben, ihn dann aber nicht gepostet hast, Facebook diesen trotzdem archiviert und analysiert hat.

As I think about the future of the internet, I believe a privacy-focused communications platform will become even more important than today's open platforms.
Mark Zuckerberg, CEO Facebook, März 2019

Am 6. März 2019 aber hat sich Mark Zuckerberg, CEO Facebooks, in einer Facebook-Notiz – einer Art beinahe vergessenen Blogging-Fuktion Facebooks – geäussert. Er beginnt damit, dass er sich in den vergangenen Jahren mit den grössten Problemen Facebooks auseinandergesetzt hat und erkannt hat, dass er mit ihrer Lösung das Internet als Ganzes massgeblich beeinflussen wird. Im weiteren Verlauf des Posts gibt er zu, dass Facebook sich einen Namen mit dem Teilen von Inhalten in der Öffentlichkeit gemacht hat und «ehrlich gesagt im Moment keinen guten Ruf als die Erschaffer von Privatsphärenschutz haben».

Erin Egan, Chief Privacy Officer bei Facebook
Erin Egan, Chief Privacy Officer bei Facebook

Aber nur bei Selbsterkenntnis belässt Zuckerberg es nicht. Er blickt in die Zukunft und die Restrukturierung Facebooks. Natürlich soll das Öffentliche bleiben. Aber der Fokus werde verlegt. Zuvorderst stehe da Messaging, das privat und verschlüsselt sein soll. Zuckerberg gibt an, dass sogar Facebook selbst keinen Einblick in die Messages haben soll, die du anderen schickst.

End-to-end encryption prevents anyone -- including us -- from seeing what people share on our services.
Mark Zuckerberg, CEO Facebook, März 2019

Dazu soll die Permanenz von Inhalten auf das Nötigste reduziert werden. Stories sollen nur so lange wie nötig gespeichert, archiviert und publiziert werden, damit du später keinen Schaden nimmst. Dazu sollst du erwarten können, dass Facebook deine Daten nicht in Ländern mit schwachem Schutz der Privatsphäre speichert. Das ist etwas umstritten, denn was genau bedeutet «schwach» in diesem Kontext? Denn die USA sind zwar in den Top 20 der weltweiten Privatsphärenschützer seitens der Regierung, aber reicht das? Aber Zuckerberg gibt an, dass er bereit sei, auf einige Länder als Service Provider oder -empfänger zu verzichten.

Upholding this principle may mean that our services will get blocked in some countries, or that we won't be able to enter others anytime soon.
Mark Zuckerberg, CEO Facebook, März 2019

Andererseits macht sich als Zensurbehörde in genau diesen Ländern stark. Das Projekt Free Basics soll Menschen in Entwicklungsländern eine abgespeckte Version des Internets gratis zur Verfügung stellen. Wer entscheidet, welche Services die Free-Basic-Empfänger erhalten? Facebook. Das Projekt wurde von Kritikern «digitaler Kolonialismus» genannt, da Free Basics nicht das offene Internet propagiert, sondern die User zu passiven Konsumenten von vorredigierten Inhalten macht. Die Idee hinter Free Basics ist nicht schlecht, die Umsetzung aber höchst fragwürdig.

Gleichzeitig soll es aber möglich sein, dass du deine Nächsten in allen Apps Facebooks – also vor allem Facebook, WhatsApp und Instagram – finden sollst. Die Services werden also trotzdem miteinander reden und Daten unter sich austauschen.

Am Ende seines Posts gibt Zuckerberg zu, dass viele seiner Pläne noch in den Kinderschuhen stecken und dass die Realisierung in den kommenden Jahren angegangen wird.

Apple: «Privacy is a Human Right»

Apple macht sich seit Jahren als gigantischer Privatsphären-Aktivist stark. Doch nicht zwingend nur als Advokat, denn Apple ist gross und mächtig genug, dass der Konzern keine Diskussionen führen muss. Apple macht einfach. Eine Zusammenfassung des Aktivismus – mit Betonung auf «aktiv» – hat Apple auf seiner offiziellen Website marketinggerecht aufgearbeitet. Der Slogan: Die Privatsphäre ist ein Menschenrecht.

Privacy is a fundamental human right. At Apple, it’s also one of our core values.
Apple.com, Januar 2020

Da Apple als Kommunikationsstrategie Diskussionen und ausschweifende Statements vermeidet, sondern die Menschheit im Wesentlichen über ihren neuesten Coup informiert, ist dieser Abschnitt etwas kürzer und eigentlich eine Liste von Massnahmen, die Apple bereits umgesetzt hat.

  • Fragen an Siri werden nicht mit deiner Apple ID verbunden. Sie werden analysiert, ja, aber nur unter einem zufälligen Alias
  • Die Bilder aus deiner Kamera werden auf deinem Phone sortiert, nicht per AI auf einem Server
  • Safari trackt dich beim Browsen nicht. Das ist zwar nicht 100% privat, macht die Analyse deines Browsens aber ein wenig schwieriger
  • Deine Location History wird auch mit einer zufälligen ID assoziiert, nicht deiner Apple ID. Das selbe trifft auf Apple News und Apple Health zu
  • Apple hat keinen Zugriff auf deine iMessage-Nachrichten
  • Apple Pay speichert deine Transaktionen nicht

Dazu gibt sich Apple extrem transparent, wenn es um die Umsetzung des Privatsphären-Projekts geht, veröffentlicht sogar White Papers und Tech Briefs, in denen technologische Hintergründe erläutert werden.

Aber: Apples Kommunikationsstrategie beruht darauf, sich selbst als Held der Privatsphären darzustellen. Und Transparenz ist firmenweit nicht Apples Stärke. Apple selbst kommuniziert selten und wenn, dann nur selektiv und selbstbeweihräuchernd. Selbstkritik übt Apple möglicherweise höchstens intern. Endkunden und Fachpresse wissen davon, wenn sie denn stattfindet, nichts. Auch wissen wir nicht, was uns Apple nicht sagt. Die aktuelle Situation spricht für Apple, aber keiner kann garantieren, dass das so bleiben wird.

Apple ist laut eigenen Angaben und limitierter Verifizierung von Privatsphärenorganisationen wie der Electronic Frontier Foundation (EFF) der wohl beste Schützer deiner Privatsphäre in der modernen Welt. Aber aufgrund der Grösse und der Macht Apples musst du im Hinterkopf behalten, dass Apple mächtig genug ist, seine Position über Nacht zu ändern und keiner kann den Konzern aufhalten. Aktuell ist Apple in dieser Rolle, weil sich Apple in dieser Rolle gefällt.

Dass die Privatsphäre und der Schutz selbiger von Apple gerne nicht nur in ihrer Software und dem Datenmanagement praktiziert wird, sondern auch marketingtechnisch ausgeschlachtet wird, zeit das Event an der CES. Apple war seit 1992 nicht mehr an einem öffentlichen Event präsent und hat gesprochen. Damals hat Apple den Newton präsentiert,

Ausgestellt vielleicht, aber tatsächlich eine Person auf die Bühne gestellt um dort zu sprechen, nicht. Das fand nur an von Apple organisierten Events statt. Das will aber nicht heissen, dass Apple keine Präsenz an Messen wie der CES in Las Vegas hat. Im vergangenen Jahr hat der Konzern aus Cupertino eine Häuserfront gemietet und dort ein gigantisches Plakat angebracht. Die Botschaft war nicht «Kauft iPhone» sondern «What happens on your iPhone, stays on your iPhone».

Procter & Gamble: Aktivismus als Unternehmensziel

Nebst den zwei Tech-Giganten ist auch Susan Shook auf der Bühne. Sie ist Global Privacy Officer beim multinationalen Konzern Procter & Gamble. Procter & Gamble ist kein Tech-Konzern, sondern hält Marken, die sich in allen Bereichen deines Lebens finden. Pampers, Ariel, Always, Tampax, Head & Shoulders, Febreze, Oral-B und Gillette sind nur einige der Marken, die zum Konzern gehören. Ins Elektronische wagt sich Procter & Gamble nur bedingt, hat nur eine Handvoll Apps im Google Play Store, keine davon besonders invasiv in Punkto Privacy.

Da ist eine App, die dir öffentliche WCs zeigt, dich also dort loggen könnte, wo du auf's WC gehst. Dann ist da noch eine App für deine Oral-B-Zahnbürste, die dir mit AI helfen soll, deine Zähne zu putzen. Obwohl dein Gebissabdruck so einzigartig wie deine Fingerabdrücke sind, wird er nur selten als Authentisierungsfaktor eingesetzt, wohl weil etwas unpraktisch im Alltag. Der wahrscheinlichste Abuse Case für einen Gebissabdruck, der mir auf Anhieb einfällt, ist die Platzierung eines solchen Abdruckes auf der Leiche eines Mordopfers um eine falsche Fährte zu legen. Ich habe eventuell etwas zu viel CSI geschaut.

Selbst wenn Procter & Gamble nicht mit so vielen Daten um sich schmeissen kann wie Apple und Facebook es könnten, so bewegt sich das Unternehmen in deiner Intimsphäre. Der Trend ist aber klar: Alles wird smarter und vernetzter. Wenn sich Procter & Gamble frühzeitig Gedanken zur Zukunft des Datenschutzes macht und präventiv agiert, so könnten sich gewisse Probleme gar nicht erst auftun.

Weiter ist da die App BanaBak, die jungen Menschen im türkischen Sprachraum Rabatte für Reviews anbietet. Ähnlich scheint eine Pampers-App zu funktionieren. Diese sind eher marketingtechnisch relevant, da sie Daten über dein Einkaufsverhalten und dergleichen sammeln.

Die Federal Trade Commission: Der Kampf gegen die Gesetzlosigkeit im Internet

Die Federal Trade Commission der USA steht da auf der anderen Seite des Arguments. Denn eigentlich interessiert es sie nicht, wie privat und verschlüsselt die Leute miteinander reden. Natürlich will auch die FTC, an der CES von Rebecca Salugter vertreten, die Privatsphäre der Menschen wahren, aber die Behörde bewegt sich in einem recht einzigartigen Spannungsfeld. Denn einerseits sollen Menschen im Internet ihre Geheimnisse haben dürfen. Andererseits hat die FTC kein geringes Interesse daran, alles mitlesen und mithören zu können. Denn der Behörde obliegt es – unter anderem – Terrorsten und Kinderschänder aufzuspüren und diese dingfest zu machen.

Dass dieses dingfest machen in einer gesunden Demokratie mit Unschuldsvermutung vor der Gräueltat illegal ist, entgeht der Regierung in der Diskussion.

Die Keynote: Geplänkel mit guten Zitaten

Leider wird dann die Keynote selbst zum drögen Blabla. Anstatt miteinander zu reden, oder vertieft auf die Thematik der Privatsphäre und deren Probleme einzugehen, sprechen die vier Frauen auf der Bühne und keine hört zu. Es fliegen Platitüden und Phrasen wie «Let me build on that...» gefolgt von einem einstudierten Textli, der das eigene Unternehmen möglichst gut dastehen lässt. Facebook mausere sich zu einem Privatsphären-Helden, Apple sei sowieso allen überlegen. Was Procter & Gamble sowie die FTC am Panel tun, wird bis zu Ende nicht klar, darum werden die wenig erwähnt.

Einzig Jane Horvath, Chief Privacy Officer bei Apple, macht starke Statements, die in Clipshows gut daherkommen. Sie spricht sich in unmissverständlicher Deutlichkeit gegen eine Hintertür in Verschlüsselungsalgorithmen aus.

«Das Problem der Kinderschändung und des Terrorismus wird durch Hintertüren nicht gelöst», sagt sie.

Susan Shook, Chief Privacy Officer bei Procter und Gamble, spricht stets im generischen feminin
Susan Shook, Chief Privacy Officer bei Procter und Gamble, spricht stets im generischen feminin

Zu Recht. Denn angenommen, Apple baut eine Hintetür ein. Die Polizeibehörden können nun auf die iCloud-Daten der User zugreifen, sofern denn ein berechtigter Verdacht auf eine Schandtat besteht. Das passiert dann zwei oder drei mal öffentlich und die Verbrecher verwenden künftig nur noch Android Phones. Oder Dark Matter Katims. Oder Dumbphones. Oder Brieftauben. Fakt ist: die ahndenden Behörden werden immer einen Schritt hinter den Verbrechern zurückliegen.

Da Apple die Privatsphäre als Menschenrecht wahrnimmt und damit einen wichtigen Schritt tut, wehrt sich der Konzern aus Cupertino gegen dieses Spiel des Verlierens.

Ansonsten: Die Redenden reden an die Wände der anderen Redner, das Publikum hört zwar zu, macht aber keinen besonders beeindruckten Eindruck. Apple gewinnt natürlich, denn sie haben sich bisher für keinen grösseren Skandal zu entschuldigen.

Derweil auf Twitter

Viel spannender dagegen ist die Diskussion, die ich während dem Panel mit Twitter User Manuel Wenger geführt habe. Jane Horvath lobt ihren Konzern Apple damit, dass er differential noise – vereinfacht gesagt Datenmüll – in nützliche Datensätze einspeist, damit Apple selbst nicht ganz weiss, was denn nun wahr ist und was nicht. Ich kritisiere das, dass Apple diesen Noise aus dem eigenen Haus ganz einfach umgehen könnte. Manuel meint dazu, dass Apple das nicht könne und das auf ihrer Privacy-Seite erklärt.

Gleichzeitig spricht FTC-Kommissarin Rebecca Slaughter ein wichtiges Zitat aus: Wer stellt sicher, dass die Unternehmen tatsächlich so mit unseren Daten umgehen, wie sie sagen?

Manuel Wenger bringt das Wort Audits ins Spiel. Unabhängige bekommen Zugang zu allen Datenverwertungsmechanismen und deren unterliegenden Protokollen erhalten. Sie sollen sicherstellen, dass den Usern keine Lügenmärli aufgetischt werden.

Ich bin mir sicher, dass die FTC sich da gerne freiwillig melden würde, aber Rebecca Slaughter bemängelt, dass ihr Department zu wenige finanzielle Mittel und zu wenige Mitarbeiter hat. Mir kommt eine Idee: Wie wäre es, wenn die Electronic Frontier Foundation (EFF) das übernehmen würde? Als unabhängige, staatenlose Institution mit inhärent idealistischem Interesse an der Privatsphäre wäre das doch etwas. Manuel pflichtet mir mit einen Herzli unter meinem Tweet bei.

Merci, Manuel, dafür, dass du der spannendste Teil der Keynote warst.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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