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Bluetooth-Audio: Der Teufel steckt im Detail

Aurel Stevens
22.3.2017

Es gibt viele tolle Bluetooth-Kopfhörer. Und es werden immer mehr. Und Bluetooth entwickelt sich weiter. Aber aufgepasst: Bluetooth hat seine Tücken: Längst nicht jedes Gerät beherrscht jeden Standard. Worauf musst du achten?

Bluetooth ist das Übertragungsmedium der Wahl, wenn es um einfache drahtlose Musikübertragung geht. Seit Apple den Kopfhörer-Anschluss gestrichen hat, wächst der Markt an Bluetooth-fähigen Ohrhörern und Kopfhörern noch schneller. Kaum eine Marke will sich das Geschäft mit den drahtlosen Geräten entgehen lassen. Renommierte Hersteller wie Sennheiser, Beyerdynamic oder AKG sind mit dabei, auch wenn deren gehobene Kundschaft über Bluetooth die Nase rümpft.

Denn bei HiFi-Liebhabern hat die drahtlose Musikübertragung einen schlechten Ruf. Ist ja auch verständlich: Verlustbehaftet kann nicht so gut wie unkomprimiert sein. Tatsache ist aber: Bluetooth-Kopfhörer verkaufen sich wie geschnitten Brot. So schlecht kann die Audioqualität also nicht sein. Die Frage ist: Gibt es Faktoren, mit denen du die Lage verbessern kannst?

Die Antwort ist wie so oft ein entschiedenes Jein! :)

Für die ganz Eiligen ist das Wichtigste im nächsten Abschnitt erläutert. Wer es noch genauer wissen will, liest danach einfach weiter.

Das musst du wissen

Bluetooth wurde mit folgenden Maximen im Hinterkopf entwickelt:

  • geringe Leistungsaufnahme
  • geringe Rechenkraft zum kodieren und dekodieren

Durch diese zwei Einschränkungen ist schon erklärt, warum HiFi-Freunde aus Prinzip einen weiten Bogen um Bluetooth machen: Audioqualität war bei der Entwicklung nie oberste Priorität. Beide Einschränkungen führen dazu, dass die Übertragungskapazität (auch Bandbreite genannt) von Bluetooth beschränkt ist. Musik lässt sich nicht unkomprimiert übertragen.

Folgende Gegebenheiten spielen bei der Übertragung von Bluetooth eine Rolle:

  • Fähigkeiten und Klasse des Quelle
  • Fähigkeiten und Klasse des Empfängers
  • Abstand der zwei Geräte zueinander

Was sind das für Fähigkeiten? Gemeint sind die unterstützten Codecs. Nur wenn beide Geräte den gewünschten Algorithmus unterstützen, wird es klappen. Ansonsten wird der kleinste gemeinsame Nenner verwendet.

Ebenfalls wichtig ist die Klasse, die das Gerät unterstützt.

  • Klasse 1: max. 100 mW, typisch 100 m Reichweite im Freien und in Gebäuden
  • Klasse 2: max. 2.5 mW, entspricht 10 m in Gebäuden und etwa 50 m im Freien
  • Klasse 3: max. 1 mW, womit mit Hindernissen etwa 1 Meter überbrückt wird. Im Freien sind bis zu 10 m möglich.

Zur Klasse 2 gehört der beliebte QC35 von Bose. In unseren Tests trumpfte der QC35 mit erstaunlichen Reichweiten auf, die den Klasse-1-Sennheiser locker schlagen. (Das zuvor gekoppelte Smartphone von Kollege Dimitri Pfluger, 3 Wände und 20 m entfernt, dudelte plötzlich los.)

Klasse 1 und Klasse 2 kannst du folglich als etwa gleichwertig einschätzen. Anders ist es es bei Klasse 3. Vertreter der stromsparenden Klasse 3 sind Ohrhörer mit wenig Platz für den Akku, etwa The Dash von Bragi. Hier musst du typischerweise mit sehr geringen Distanzen und schwacher Laufzeit rechnen.

Smartphones, Notebooks und Dongles beherrschen alle Klassen. Bei der Verbindung bestimmt aber das schwächste Glied. Also der Kopfhörer. Über Fähigkeiten und Klasse musst du Bescheid wissen, denn sie beeinflussen die Qualität der Übertragung.

Der Codec. Es gibt derzeit drei weitverbreitete Algorithmen, um Audiosignale über Bluetooth zu übertragen: SBC, aptX und AAC. Den Standard-Codec SBC müssen alle Geräte beherrschen. aptX ist sehr weit verbreitet und bei Android-Smartphones oft an Bord. Wer ein iOS-Gerät einsetzt, kann nebst SBC nur AAC nutzen, da iOS aptX nicht unterstützt.

Die Bitrate kannst du ein wenig beeinflussen, indem du dich näher an den Sender bewegst oder Hindernisse aus dem Weg räumst. Aus einem Klasse-3-Gerät wird aber niemals ein Klasse-1-Gerät. Dasselbe gilt für Codec: Entweder beide Geräte unterstützen den gewünschten Algorithmus oder eben nicht.

Kriterien für einen bewussten Kauf

Tönt alles kompliziert? Mittlerweile hat sich einiges getan und die Audioqualität ist mehr als ordentlich. Sie ist sogar richtig gut. Und wenn man bedenkt, dass die drahtlosen Dinger meist unterwegs in mehr oder weniger lärmiger Umgebung auf dem Kopf sind: Wer sich nicht über Kopfhörer jenseits der 400-Franken-Klasse Gedanken macht, kauft beim aktuellen Stand der Technik kaum ein schlechtes Gerät, mit dem er oder sie unzufrieden sein wird.

Wenn du das Optimum herausholen möchtest, weiss du nun aber, dass es zwei beeinflussbare Kriterien gibt, auf die du achten solltest: Soll mein Gerät möglichst gut tönen oder möglichst kompakt sein (In-Ear)? Beides gleichzeitig kriegst du derzeit nicht. Optimale Bluetooth-Soundqualität über längere Zeit und einige Meter Distanz bedingt ein Gerät der Klasse 1 oder 2. Beide Geräte sollten denselben höherwertigen Codec sprechen, also AAC oder aptX.

Beispiele für gute Teams:

iPhone und Bose QC35: iOS unterstützt SBC und AAC. Der QC35 ist ebenfalls mit SBC und AAC ausgestattet. Im Betrieb werden sich die Geräte automatisch auf AAC einigen.

Samsung Galaxy S7 und der brandneue Sennheiser PXC 550: Das S7 hat aptX an Bord, ebenso wie die Sennheiser-Kopfhörer.

Der Sony MDR-1000X ist erwähnenswert, weil er als einer der wenigen Kopfhörer sowohl AAC als auch aptX beherrscht. Der Audio-Technica ATH-SR5BT beherrscht dieses Kunststück ebenfalls.

Grundlagen

Für Musik interessiert uns vor allem das A2DP («Advanced Audio Distribution Profile»). A2DP definiert die Regeln, die für Musikwiedergabe in hoher Qualität relevant sind. Dafür beherrscht A2DP den Audiotransport nur in eine Richtung. Die Bandbreite liegt seit Bluetooth 2.0/2.1 bei 706,25 kbit/s. Mit dem Zusatz EDR («Enhanced Data Rate») wird die Bitrate mit 2,1 Mbit/s verdreifacht. Alle aktuellen Kopfhörer beherrschen EDR.

Die Profile setzen aber nur die Spielregeln für die beteiligten Geräte fest. Entscheidend für die Audioqualität ist wie oben erwähnt der verwendete Audio-Codec und vor allem: die verfügbare Bitrate. Die ist in der Praxis oft deutlich unter dem theoretischen Maximum, denn in der realen Welt gibt es Hindernisse oder störende Funkquellen.

Codecs

SBC

Der SBC-Algorithmus ist relativ simpel gestrickt. Er ist ziemlich anspruchslos bei der Rechenkapazität, die für Kodierung oder Dekodierung notwendig ist. Damit hat er die ursprünglichen Ziele (Genügsamkeit und Sparsamkeit) gut erfüllt. In Sachen Effizienz bei der Komprimierung ist er aber einfach zu schlagen. Neue Chipsätze machten genau das möglich, ohne dass der Stromverbrauch in die Höhe schoss.

In der Praxis ist dies der Hauptgrund, weshalb heutzutage die effizienteren Algorithmen von aptX und AAC zum Einsatz kommen und bevorzugt werden.

aptX

Der Codec arbeitet mit einer fixen Bitrate von 354 kbit/s. Das ist zwar unflexibel, allerdings für den Benutzer nicht nur schlecht: Es gibt nur sehr gute Audioqualität oder gar keine. Dazwischen gibt es nichts. Die für aptX erforderliche Bitrate benötigt damit obligatorisch den Bluetooth-Zusatz EDR («Enhanced Data Rate»). aptX verspricht «CD-like»-Übertragung.

aptX HD

AAC

AAC ist der Standard-Codec von YouTube und auf Apple-Geräten dominant, insgesamt ist es aber etwas weniger verbreitet als aptX.

Und warum kein MP3?

Sony und LDAC

Sony hat als einer der wenigen Hersteller die Chance genutzt und mit LDAC einen eigenen Bluetooth-Codec entwickelt und in seine Produkte integriert. Der oben erwähnte MDR-1000X kann nicht nur aptX und AAC, sondern obendrein noch LDAC. Zusammen mit einem Xperia-Smartphone ist man dabei nahe am technischen Maximum bei der Übertragung.

Samsung und UHQ BT

Auch Samsung hat eine proprietäre Übertragung namens UHQ BT entwickelt. Kompatible Kopfhörer wie der Level On EO-PN920 können im Zusammenspiel mit einem Galaxy-Smartphone Audio in 24 Bit bei 96 kHz übertragen. Das ist ein Novum für Bluetooth.

Das eigentliche Problem: doppelte Komprimierung

Doppelte Komprimierung ist bescheuert: Das ist wie wenn man eine Seite einscannt, druckt, den Ausdruck nochmals einscannt und ausdruckt. Das Resultat muss zwingend schlechter sein als das das Original. Die Frage ist nur, wie viel schlechter. Man kann nur versuchen, mit besseren Codecs den Verlust in Grenzen zu halten. Aus diesem Grund macht es durchaus Sinn, wenn man bei der Quelle auf sehr hohe Bitraten oder Lossless-Material setzt.

Optimal wäre, wenn ein Passthrough-Modus die Daten unverarbeitet weiterreichen würde, wenn sie zB schon im passenden Format in einer kompatiblen Bitrate vorlägen. Der Traum für Audiophile wäre der unangetastete Transport einer Lossless-Quelle.

Verstärker und DAC sind nun im Endgerät

Ausblick: Bluetooth 5.0

Wie finde ich heraus, welcher Codec benutzt wird?

Bei der Recherche zu diesem Artikel habe ich unzählige Seiten konsultiert. Ein guter Teil des Misstrauens gegenüber Bluetooth kommt aus den Anfängen mit HSP – Bluetooth-Audio wurde mit blechernem Klang assoziiert. Betriebssystemhersteller leisteten sich immer wieder Patzer, seien es Ausfälle, wenn man eine Bluetooth-Maus angeschlossen hat oder fragwürdige Default-Einstellungen.

Nicht besser macht das Ganze die Intransparenz, mit welchem Codec und mit welcher Bitrate gerade gesendet wird. Es ist, wie wenn man auf dem Smartphone nicht sehen würde, ob man gerade Edge, 3G oder LTE nutzt und in welcher Stärke.

MacOS Sierra

Verbinde den Kopfhörer mit deinem Mac. Halte die Optionstaste ⌥ gedrückt und klicke in der Menüleiste oben auf das Bluetooth-Icon. Wenn du dann mit der Maus über das verbundene Gerät fährst, siehst du, welcher Codec gerade verwendet wird.

Windows 10

iOS

Auf iPhones gibt es keine Möglichkeit herauszufinden, welcher Codec aktiv ist und welche Bitrate verwendet wird.

Android

Und, hört man einen Unterschied?!

Nachdem du jetzt vollgetextet worden bist, fragst du dich vielleicht: Schön und gut – aber brauche ich denn jetzt aptX? Oder ist das alles nur graue Theorie?

In der Praxis wird SBC bei maximaler Bitrate mit MP3 bei 192 kbit/s verglichen. Das ist mehr als anständige Audioqualität und macht es ungeübten Ohren sehr schwer, die komprimierte Version vom Original zu unterscheiden. Noch schwieriger ist es bei den HiFi-tauglicheren Codecs AAC und aptX.

In einem Nachfolgeartikel testen wir verschiedene Bitraten von SBC und machen im Blindtest einen Vergleich zwischen SBC und aptX. Stay tuned!

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Ich bändige das Editorial Team. Hauptberuflicher Schreiberling, nebenberuflicher Papa. Mich interessieren Technik, Computer und HiFi. Ich fahre bei jedem Wetter Velo und bin meistens gut gelaunt.


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