Produkttest

B&B Pure im Test: Verspielt und verdammt gut

Das Basler Startup Blomm & Berger hat den Kopfhörer B&B Pure auf den Markt gebracht. Der Pure klingt sehr gut, hat aber noch eine Kinderkrankheit: Die Android App.

«Wir haben einen Kopfhörer gemacht, an dem wir alles beseitigt haben, das uns an anderen Kopfhörern genervt hat», sagt Yannick Brandenberger, die eine Hälfte des Kopfhörer-Design-Duos Blomm & Berger aus Basel.

Vor mir auf dem Tisch liegt ein Kopfhörer. Noch nicht fertig sei er. Noch nicht perfekt. Noch nicht bereit für ein Review. Trotzdem bleibt er bei mir, als Test. Denn Yannick lässt sich auf ein Experiment ein. Ich will wissen, was ein Designstudio auf den letzten paar Metern verbessert, wenn es ein Produkt lanciert. Beim B&B Pure ist das ein spannendes Experiment, denn schon kurz nach den ersten Tests im April 2019 wird klar, dass da nur wenig fehlt bis zur Serienreife. Die Unterschiede zum Produktionsmodell fallen wohl nur den Entwicklern und vielleicht weltweit vier Experten auf.

Blomm & Berger Pure (ANC, 20 h, Kabellos)
Kopfhörer

Blomm & Berger Pure

ANC, 20 h, Kabellos

Von Bastlern für Enthusiasten

Yannick Brandenberger ist «Berger» im Namen, Erik Blommers das «Blomm». Die beiden haben im Jahr 2017 angefangen, Kopfhörer zu entwickeln. Sie kaufen nicht einfach Technologie oder gar fixfertige Kopfhörer zu, auf die sie dann das stilisierte «B&B» pappen. Sie tüfteln, sie probieren, sie scheitern, sie probieren noch mal. So lange, bis alles so sitzt, wie es laut ihnen sein muss.

Ein Beispiel dafür ist das Active Noise Cancelling, das dereinst noch kommen soll. Aktuell ist es noch in Entwicklung. Hätten Blomm & Berger etwas zukaufen können? «Natürlich», sagt Yannick, «aber keine Lösung auf dem Markt hat uns zu 100% gepasst. Also mussten wir halt selbst etwas entwickeln.»

Die Schrauben an der Innenseite des Bügels fixieren die Grösseneinstellung deines Kopfhörers.
Die Schrauben an der Innenseite des Bügels fixieren die Grösseneinstellung deines Kopfhörers.

So hat der B&B Pure einige recht nette Features, die du so von anderen Kopfhörern nicht kennst. Und wenn, dann nicht in dieser Kombination. Die Ohrhörerkissen sind austauschbar. Ein mitgeliefertes Set ist aus Kunstleder, das andere aus Stoff. Letzteres muss aber separat gekauft werden. Dafür werden die Ohrmuscheln in zwei Grössen mitgeliefert.

«Das eine Paar ist für's Fitness… oder so. Das andere für… sonstwas.» Yannick lacht. Blomm & Berger sei wichtig gewesen, dass die Nutzer des Pure eine Auswahl haben. Was sie dann wie einsetzen, das überliessen sie dann denen, die mit den schwarzen Kopfhörern mit den orangen Logos drauf Musik hören.

Machen wir das doch mal. Musik an.

Ein Blick in die App

Der Sound der Demoversion muss sich vor nichts verstecken. Selbst ohne Noise Cancelling entkomme ich dem Bürotrubel. Satte Bässe und klare Höhen, schöne Mitten und ein bequemer Sitz. Was will ich eigentlich mehr von einem Kopfhörer? Ah, und dann ist da dieses schöne Icon, das in deinem Bluetooth-Menü auftaucht.

aptX HD. Yes!
aptX HD. Yes!

Breitband-Soundqualtät direkt vom Phone in dein Ohr. Ja, bitte. Ich entscheide mich mittelfristig für die kunstledrigen Aufsätze für die Ohrmuscheln. Der Grund ist schlicht der, dass ich sie als angenehmer empfinde. Yannick aber hat Recht: Ich mag es, die Wahl zu haben.

Ich schmeisse Musik auf Spotify an. Das Album Scintilla von Stendeck, einem Elektro-Act aus Lugano.

Auf meinem iPhone findet sich zudem die B&B App (Apple iOS und Android). Unter Android hat die App mit einem Test mit dem Huawei P30 Pro unter Android 10 Mühe, aber unter Apples iOS funktioniert das wunderbar. Dies bestätigt sich auch mit der finalen Version der Kopfhörer, die kurz vor Verkaufsstart auf meinem Pult gelandet sind. Die Android App ist mit dem Status «Early Access» versehen, was darauf hinweist, dass an ihr noch gearbeitet wird. Zum Glück ist der Sound von Haus aus gut.

Die App ist recht basic gehalten. Sie muss auch nicht viel mehr können. Da ist ein Play/Pause Button, dann ein Bass Booster. Ja, bitte. Ich mag Bässe. Und mit dem Booster sind die Bässe stark und gerade so knapp an der Grenze. Nur wenig mehr und sie wären zu dominant, aber «Catch the Midnight Girl» klingt fantastisch. Ich mach mal kurz die Augen zu und lasse mich von der Musik treiben. Rund um mich herum diskutieren meine Teammitglieder das Tagesgeschäft, korrigieren die Rechtschreibung von Artikeln, verhandeln über die Grammatik und den Inhalt. Ich bekomme davon nichts mit.

Die grosse Spielerei der App ist aber die Möglichkeit, deinen persönlichen Equalizer einstellen zu können. Einfach unten auf «Sound» klicken und du siehst vor dir fünf Frequenzbänder. Wenn du diese verstellst und dann auf «Update» tippst, dann verändert sich der Sound. Die wenigsten ausserhalb der Audiophilie wissen wohl, was diese Frequenzbänder tun. Ich versuch mal schnell, dem Abhilfe zu schaffen. Wenn du bessere Vergleiche oder Hinweise hast, hilf doch in der Kommentarspalte mit.

  • 500Hz: Untere Mitten. Wärme und Gewicht von Gitarren, Pianos und Stimmen. Wenn du das 500Hz-Band zu stark einstellst, dann klingt der Sound so, als ob er aus einer verstopften Röhre kommt. Zu wenig davon und der Sound verliert die Schwere.
  • 1kHz: Oberer Bereich der unteren Mitten. Eine Partnereinstellung zu 500Hz. Wenn du schöne Klänge im unteren Bereich suchst, dann verstell nie nur einen dieser Regler.
  • 2kHz: Lässt Gitarren und Stimmen scharf klingen. Schafft Aggression und Klarheit. Zu viel ist schmerzhaft, zu wenig lässt den Sänger schwach wirken.
  • 4kHz: Partnereinstellung zu 2kHz. Wenn du schöne Mitten suchst, dann sind die zwei Regler deine Freunde
  • 6kHz: Schafft Klarheit und lässt den Sound «offen» klingen. Wichtig für Schlagzeuge, vor allem Snare Drums. Wenn du zu wenig vom 6kHz-Band hast, dann verliert der Sound seine Präsenz und die Kraft, zu viel aber tönt kratzig.

Das ist aber keine absolute Wissenschaft. Dein Ohr funktioniert anders als meins und vielleicht klingen schöne Schlagzeuge für dich ja auf einem anderen Band besser als für mich. Darum: Ausprobieren. Zurücksetzen kannst du den Sound immer noch, wenn du den Equalizer Mix mal komplett in den Sand gesetzt hast.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Android App bald nachzieht und ohne Kinderkrankheiten funktioniert.

Ein erstklassiges Headset

Das Headset selbst lässt wenig zu wünschen übrig. Im Gegenteil. Es erfüllt sogar Wünsche, von denen ich nicht wusste, dass ich sie hatte. Auch nach einigen Stunden schwitze ich nicht oder nur ganz wenig unter den Ohrpolstern. Die Akkuanzeige hat sich kaum bewegt. Auf der Packung steht, dass der Akku 20 Stunden hält. Laut Hersteller ist das die Mindestlaufzeit des Akkus, nicht die Maximallaufzeit. Das entspricht der Wahrheit. Oder ist zumindest im Bereich der Wahrheit. Ich habe mir oft vorgenommen, die Zeit zu stoppen, zwischen Einschalten, Hören und Aufladen. Doch jedes Mal, an dem ich den Akku habe laden müssen, habe ich bereits wieder vergessen, wann das letzte Mal Laden war.

Aufladen kannst du den Pure am einfachsten mit dem eingebauten USB-Konnektor.

Der UBS-Port ist im Kopfbügel verbaut
Der UBS-Port ist im Kopfbügel verbaut

Der USB-Anschluss ist clever im Kopfbügel verstaut, der sonst eigentlich nur da ist, um Over Ear Headphones auf deinem Kopf aufzuhängen. Die Sache mit dem Konnektor ist verdammt clever und sieht schick aus. Die Aufladezeit ist erfrischend kurz und nach einer Mittagspause hat der B&B Pure sicher genug Saft, dich durch den Nachmittag im Büro zu bringen. Wenn da noch ein paar Meetings sind, dann reicht es vielleicht sogar bis zur nächsten Mittagspause.

So. Fertig. Ich mag die Pures. Sie machen den Grossen auf dem Markt harte Konkurrenz und die Tatsache, dass da Basler dahinterstecken, freut mich auch.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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