Badge-Engineering: Wie dasselbe Produkt dreimal zu unterschiedlichen Preisen vermarktet wird
Hintergrund

Badge-Engineering: Wie dasselbe Produkt dreimal zu unterschiedlichen Preisen vermarktet wird

Kevin Hofer
20.6.2019

Badge-Engineering bin ich mir von Autoherstellern gewohnt. Seit Kurzem weiss ich: Auch Hersteller von externen Festplatten vermarkten dasselbe Produkt unter unterschiedlichen Marken. Ein Beispiel aus unserem Shop.

Das gleiche Produkt mit einem anderen Namen und vielleicht etwas anderer Farbe vermarkten: Das ist Badge-Engineering. In der Automobilbranche ist das seit Jahrzehnten gang und gäbe. Der Begriff «Badge-Engineering» – zu Deutsch etwa: Logo-Ingenieurskunst – ist ironisch gemeint. Die Kunst liegt nämlich darin, sein eigenes Firmenlogo – den Badge – auf ein Produkt zu pappen, das bereits von einem anderen Hersteller «engineered» worden ist. Selbstverständlich geschieht das (fast) immer mit dem Einverständnis des Urhebers.

Beim Browsen in unserem Shop stosse ich per Zufall auf drei externe SSDs:

In Bezug auf die drei SSDs in unserem Shop vermute ich ebenfalls Badge-Engineering. Ich lasse mir deshalb die drei externen SSDs von den Herstellern zur Verfügung stellen. Oder vielleicht sollte ich besser vom Hersteller im Singular reden: Denn Lacie gehört seit 2014 zu Seagate und der irische Hersteller produziert auch das Game Drive for Xbox.

Dreimal das Gleiche?

Jetzt habe ich die drei externen SSDs vor mir: die Fast SSD von Seagate, die Portable SSD von Lacie und das Game Drive for Xbox von Seagate.

Seagate Game Drive für Xbox (500 GB)
Externe SSD
183.– CHF 366.– CHF/1TB

Seagate Game Drive für Xbox

500 GB

Seagate Game Drive für Xbox (500 GB)
183.– CHF 366.– CHF/1TB

Seagate Game Drive für Xbox

500 GB

Leider verfügen nicht alle Laufwerke über dieselbe Kapazität: Seagate hat mir die Fast SSD mit 250 GB im Gegensatz zu den beiden anderen Modellen mit 500 GB geschickt. Wenn ich die Dinger in den Händen halte, finde ich die Gemeinsamkeiten umso frappierender. Die drei externen Laufwerke unterscheiden sich äusserlich nur geringfügig voneinander. Das Modell von Seagate ist silbrig/grau, das Teil von Lacie schwarz mit kupfernem Akzent und die Xbox Variante ist komplett schwarz gehalten. Eigentlich unterscheiden sie sich nur durch den Markennamen und Farben der Hersteller.

Mein Verdacht, dass es sich um Badge-Engineering handelt, erhärtet sich. Steckt unter der Branding-Fassade sogar dieselbe Technologie? Ein Blick auf die Rückseite der Laufwerke und den Beschreibungen erhärtet diesen Verdacht: Seagate, Lacie und Xbox teilen sich die Modellnummer SRD0FV0.

Um einen ersten Anhaltspunkt zu erhalten, mache ich den ATTO Disk Benchmark. Tatsächlich liefert dieser mehr oder weniger identische Resultate zu Tage.

Seagate Fast SSD
Seagate Fast SSD
Lacie Portable SSD
Lacie Portable SSD
Seagate Game Drive for Xbox
Seagate Game Drive for Xbox

Ich will genauer wissen, was für Komponenten in den externen Laufwerken stecken.

Ich schnappe mir mein iFixit Pro Tech Toolkit und öffne die drei externen SSDs. Siehe da: Alle drei Laufwerke verwenden denselben Controller: den Seagate STXZA01EA3B7. Beim DRAM und dem Flash unterscheiden sie sich aber: Die 250 GB Fast SSD hat einen DRAM Cache von 256 MB während die je 500 GB grossen Portable SSD und das Game Drive for Xbox über 512 MB DRAM verfügen. Die 500 GB grossen Modelle teilen sich also nicht nur den Controller, sondern auch den Cache. Auch die Flash-Zellen dieser beiden Modelle sind dieselben und das PCB sieht ebenfalls identisch aus.

Finde den Unterschied - links: Lacie rechts: Xbox
Und hier noch der Controller der Seagate Fast SSD mit 500 GB
Und hier noch der Controller der Seagate Fast SSD mit 500 GB

Ich denke, dass die 500-GB-Version der Fast SSD ebenfalls dieselben Komponenten verbaut hat wie die Portable SSD und das Game Drive for Xbox. Um hundertprozentig sicher zu sein, nehme ich eine aus unserem Shop – keine Sorge, die geht nachdem ich sie geöffnet habe nicht wieder in den Verkauf. Tatsächlich: Auch hier kann ich bei den Komponenten keinen Unterschied feststellen. Es handelt sich also um dasselbe Produkt, unterschiedlich gebrandet. Und dieses Branding schlägt sich im Preis nieder:

  • Die 500-GB-Version der Fast SSD kostet bei uns im Shop 114 Franken
  • Die Portable SSD schlägt mit 119 Franken zu Buche
  • Am teuersten ist die Game Drive for Xbox mit 139 Franken

Die Preise sind alle Stand 19. Juni 2019 (Aktionen ausgenommen).

Controller der Seagate Fast SSD 250 GB
Controller der Seagate Fast SSD 250 GB

Was sagt der Hersteller dazu?

Mit meinen Feststellungen konfrontiere ich Seagate. Ich will wissen, ob tatsächlich identische Komponenten in den drei Produkten verbaut sind oder ich Tomaten auf den Augen habe. Ich rechne damit, dass ich mindestens eine Woche auf eine Antwort warte. Nach nicht einmal einer halben Stunde antwortet mir Gabriel Restaino von Seagate:

Grundsätzlich kann ich bestätigen, dass sowohl die Seagate als auch die Lacie SSD über die gleichen Komponenten verfügen.

Restaino hebt aber hervor, dass mit der Lacie Portable SSD professionelle Anwender angesprochen werden und mit der Seagate Fast SSD Otto-Normalverbraucher. Die Portable SSD bietet gemäss ihm zudem folgende Vorteile gegenüber der Fast SSD:

  • 3 Jahre anstatt 2 Jahre Garantielaufzeit
  • 3 Jahre Rescue Service inklusive
  • 1 Monat Adobe Creative Cloud im Wert von CHF 24.70 inklusive (Adobe Photoshop etc.)

Okay, mit dieser Begründung kann ich leben. Mache ich bei uns im Shop eine Garantieverlängerung für die Seagate Fast SSD kostet das 18 Franken. Die fünf Franken mehr für das Lacie Mobile Drive sind somit ein guter Deal.

Und was ist mit dem Game Drive for Xbox? Tja, ein Xbox-Logo auf ein Produkt zu knallen kostet halt. Falls du ein externes Laufwerk für deine Xbox suchst: Grundsätzlich sind alle externen Laufwerke kompatibel mit der Xbox. Wenn du auf das Xbox-Logo auf dem Gehäuse verzichten kannst, sparst du ein paar Franken, wenn du dir die Seagate Fast SSD oder die Lacie Portable SSD kaufst.

Der Preis ist heiss

Dass Hersteller mit verschiedenen Marken eigentlich identische Produkte zu unterschiedlichen Preisen verkaufen, ist nichts Neues. Dennoch bin ich jedes Mal erstaunt, wenn ich wieder über so ein Beispiel stolpere. Im Extremfall macht das Branding 25 Franken Unterschied.

Wie bitteschön hätte ich bei diesem Preisunterschied Harry Wijnvoord in «Der Preis ist heiss» ein vernünftige Preisschätzung abgeben können, wenn das gleiche Produkt eine Preisspanne von 25 Franken hat?

Der Fall zeigt wieder einmal, dass sich genaues Hinsehen lohnt. Bei der Preis-Leistung machst du den besten Deal mit der Lacie Portable SSD. Da hast du für fünf Franken mehr drei statt zwei Jahre Garantie. Von der Xbox-Version würde ich die Finger lassen. Nicht nur wegen dem Preis, sondern weil ich keine Xbox habe.

Badge-Engineering gibt’s also tatsächlich auch bei externen Laufwerken. Die unterschiedlichen Preise sind aber nur auf den ersten Blick zufällig. Bei genauerem Hinsehen ergeben sie auch mal Sinn.

Zum Schluss bleibt mir noch zu sagen: Die drei Laufwerke sind sehr schnell und verrichten ihren Zweck einwandfrei. Ich finde die Dinger echt geil: Sie haben die perfekte (physische Grösse) und auch das Design gefällt mir. Ich würde mir die Fast SSD von Seagate kaufen. Auf das Jahr mehr Garantie kann ich verzichten, ich bin ein risikofreudiger Mensch.

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Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.


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