Audio an der IFA: Am Anfang war der Lärm…

Die IFA in Berlin hat nicht nur Smart Devices aller Art ausgestellt, sondern auch Audiogeräte. In der Halle 1.2 hat Team digitec eine Menge Lärm ertragen müssen und ein unerwartetes Musikerlebnis genossen.
Die Halle 1.2 der IFA kann am besten mit dem Wort “Reizüberflutung” beschrieben werden. Es ist laut, sehr laut. An der IFA herrscht generell ein eher hoher Lärmpegel, was zur Folge hat, dass Videoproducerin Stephanie Tresch und ich abends gerne die Ruhe der Redaktion geniessen und nur das Klicken der Mäuse und das Klappern der Tastatur hören. Doch was in 1.2 abgeht, das hätten wir uns nicht gedacht. Dort sind die ganzen Audiohersteller und liefern sich ein Wettrüsten mit Bässen, Hochtönern und 360-Grad-Klang aus allen Rohren.
Bei Magnat scheint “Hell’s Bells” von AC/DC mit den White Stripes und “Seven Nations Army” zu konkurrieren. Magnat will Jack White und Co. dringend übertönen, die White Stripes können aber noch lauter. Dazu will Teufel noch mitmischen, die zwar weit entfernt sind, aber mit ordentlich Bass die Halle im weiten Umkreis zum Beben bringen.

Nach fünf Minuten werden Stephanie und ich still. Bisher haben wir noch über die Pläne des Tages, die Koordination von Meetings und Drehs wie auch Ideen für Videos diskutiert sowie Pläne für das Mittagessen geschmiedet. Das Schallbombardement hört nicht auf. Dazu grelle Lichter, Spotlights und flimmernde Bildschirme.
“Die Leute, die hier drin arbeiten, müssen die härtesten Menschen aller Zeiten sein”, sagt Stephanie. Ich nicke. Denn wir haben den Luxus, dass wir die Halle verlassen können, wenn es uns zu viel wird. Die Dänen und Deutschen vom Libratone-Stand haben das nicht. Genauso wenig wie andere Standhelfer, Berater, Stromer, DJs und Verkäufer in der Halle. Die Halle wird nach etwa einer Stunde zur Grenzerfahrung.
Aber trotzdem: Wir bleiben immer wieder stehen, spitzen die Ohren und versuchen, uns auf nur ein Lied zu konzentrieren. Denn der Sound der Anlagen ist eine Wucht. Ohne Ausnahme. Egal, an welchem Stand wir stehen, die Beschallung klingt fantastisch. Die Leute, die die Songs für die Beschallungs-Playlists ausgesucht haben, haben einen diversen und sehr guten Geschmack, wenn es um Musik geht.
Teufel: Der Schrecken der Badi
Mit einem donnernden Bass-Schlag macht Teufel auf sich aufmerksam. Die Boxen wie auch der Stand sind in industriellem Design gehalten. Grobschlächtige Formen, harte Kanten, raue Oberflächen und die Tische haben Stahlträger als Beine und Paletten als Tischplatte. Darauf steht, in einem Käfig aus Wasserrohren und Metallgitter, eine etwa kniehohe Box. Die hat es mir angetan. Das Gerät heisst Teufel Rockster Air und macht so richtig toll Krach.

Es ist das Gerät, das den Letten an einem heissen Sommertag so dermassen nervtötend beschallen wird, dass jeder andere, der mit einer Bluetooth-Speaker-Einrichtung auftaucht, wieder einpacken kann und sich auf die Rentenwiese verzieht. Auf dem E-Ink-Display auf dem Käfig steht, dass der Rockster Air bis zu 14 Stunden Akkulaufzeit hat, also kannst du sicher sein, dass du wirklich jeden letzten Letten-Besucher verscheuchen kannst. Vor allem dann, wenn du der Zürcher Tradition folgst und jeden Track nur halb abspielen lässt, da irgendwer in deiner Gruppe auf die Idee kommt, dass ein anderer Track auch ganz gut klingt. “Wir waren mit der Angabe der Akkuleistung etwas konservativ”, sagt uns eine Frau in Teufel-Uniform, “im Schnitt sind so 18 bis 20 Stunden drin”. Dazu die Tatsache, dass der Rockster Air 111 Dezibel laut sein kann. Das ist die Lautstärke einer Autohupe aus einem Meter Entfernung. Trotz dem Lärm beeindruckt der Rockster Air, der grössere und kleinere Geschwister hat. Er schafft es, die Reizflut durch schiere Lautstärke aus seiner näheren Umgebung zu vertreiben und dabei auch noch verdammt gut zu klingen.
Denn nicht nur funktioniert der Teufel Rockster Air mit Akku, sondern per Bluetooth 4.0 mit AptX kann jedes Handy mit dem Speaker verbunden werden. Dazu hat er hinten noch Kabelanschlüsse für Mikrofon, Gitarre, Line und Aux. Sprich: Lärm aus allen Quellen und das in laut und gut. Ich will einen. Wirklich.
Wir haben versucht, den Lärm in 1.2 auf Kamera aufzunehmen. Da unser Sennheiser-Mikrofon, genau wie das Bordmikrofon der Sony a7S II den Lärm filtert und ausgleicht, sind wir nicht in der Lage, dir das Schallbombardement akkurat rüberzubringen. Stell dir aber etwa 100 Clubs vor, die in einer gigantischen Halle sind, wesentlich weniger Tanzvolk haben und so einfach in den offenen Raum lärmen können.
“Clocks” als warme Wohltat
Nach drei Stunden Halle 1.2 fühlen wir uns mental zerrüttet. Wir sind nicht müde, aber es ist unmöglich, klar zu denken. Es ist ein Overkill an Informationen, alles will auf uns einwirken. Wir reden nicht mehr miteinander, denn ein weiterer Reiz muss nicht sein. Wir sitzen auf einer Holzbank nahe dem Magnat-Stand, essen ein Rüebli und trinken Mineralwasser. Nur für fünf Minuten. Dann machen wir weiter. Vielleicht haben wir ja eine tolle Box oder eine schöne Anlage verpasst.
Klavierklänge.
Warme, schöne Klänge. Die Melodie: “Clocks” der britischen Band Coldplay, doch das Klavier klingt anders. Nicht so, als ob es aus einem Lautsprecher donnert. Wärmer, lebendiger. Wir folgen dem Geräusch.

Vor einem Yamaha-Flügel bleiben wir stehen.
Er spielt alleine. Die Tasten bewegen sich. Alles, was nicht Klavier in “Clocks” ist, klingt aus einer Stereoanlage, die vor einem Sofa steht. Hinsetzen klingt eigentlich nach einer ganz guten Idee. Der Flügel klingt besser. Wir schauen dem Instrument gebannt zu. Coldplay hat noch nie besser geklungen. Okay, live vielleicht, aber weder Stephanie noch ich haben das bisher erlebt. Daher lassen wir uns nach der Kampfbeschallung von Chris Martin und seinen Bandkollegen etwas berieseln.
“Ich hatte als Kind mal ein elektrisches Yamaha-Klavier”, sagt Stephanie. Das breite Lächeln ist wieder auf ihr Gesicht zurückgekehrt. Mir geht es wesentlich besser als noch vor fünf Minuten und sieben Sekunden. Ich meine, dass ich auch lächle, schaue aber wohl eher etwas glücklich-doof in die Gegend.
Vor uns steht das Yamaha Disklavier Enspire der siebten Generation. Ein Smart-Klavier, sozusagen. Es integriert sich ins WLAN einer Umgebung und übernimmt Piano-Parts der Lieder, die über den Enspire Controller für Android und Apple iOS gestreamt werden. Die Audiofiles in der App sind für das Piano optimiert und streichen die Klänge, die das Disklavier übernehmen kann, aus der Audiodatei raus. Das Resultat ist spektakulär. Ich weiss nicht viel über Pianos, aber ich weiss, wie gute Musik klingt und wie sie Zuhörer berühren kann. Ich habe keine Ahnung, was einen guten Flügel ausmacht, oder ob ich in diesem Artikel die Bezeichnungen für das Instrument vertauscht habe. Aber ich weiss, dass ich jedem das Erlebnis wünsche, das wir am Stand von Yamaha hatten, wenn auch nur für die Dauer eines Songs.
Der Fall ist klar: Wir machen ein Video. Egal, wie kurz es wird, wir wollen die Erinnerung an den Moment festhalten und mit dir teilen. Ein unaufdringlicher Standmitarbeiter hat sich kurz bei uns erkundigt, was wir tun, und dann “Clocks” noch einmal laufen lassen. Am Ende der Dreharbeiten sind wir bei dreimal Coldplay und einmal ein Jazz-Stück, das sich ein anderer Schaulustiger gewünscht hat.
Wir packen die Kamera weg, hören noch ein bisschen zu. Einfach nur, weil wir gerade hier sind, einige Minuten Glück gefunden haben, abseits des Lärm-Wettrüstens. Wir verabschieden uns anständig und dankbar und gehen wieder zurück in den Lärm. Wir fühlen uns leicht, glücklich und erholt. So erholt, dass wir zu jedem Dreh und zu jedem Text bereit sind.


Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.