
Hintergrund
Fast eine halbe Million Spieler: Was zur Hölle ist das Indie-Game «Schedule I»?
von Debora Pape
2009 fand in Köln zum allerersten mal die Gamescom statt. Mittlerweile ist sie zur grössten Game-Messe der Welt gewachsen mit über 350 000 Besuchern. Director Tim Endres erzählt uns, wie der ursprünglich reine Gamer-Event, eine ganze Stadt verzaubert hat.
Wer sich heutzutage für Games interessiert, kann seine Passion nicht nur Zuhause vor der Mattscheibe ausleben. Alleine in der Schweiz sind in den vergangenen Jahren mit der Fantasy Basel, der Zurich Game Show oder der Suisse Toy Digital zahlreiche neue Events entstanden, wo Games abgefeiert werden. Aber selbst wenn man all diese zusammennimmt, sind sie kein Vergleich zur Gamescom in Köln, der grössten Game-Messe der Welt.
Seit sie 2009 von Leipzig nach Köln umgezogen ist und den Namen von Games Convention in Gamescom geändert hat, ging es steil bergauf. Mehr Besucher, mehr Aussteller, mehr Events. Heute, zehn Jahre später, ist sie nicht nur der wichtigste Event für die europäische Branche, sie ist längst zum internationaler Magnet für Spieler und Hersteller gleichermassen verkommen. Mitverantwortlich für den Erfolg ist Tim Endres, Director der Gamescom. Er ist seit der ersten Stunde dabei und hat dazu beigetragen, dass aus einer ambitionierten Vision Realität geworden ist. «Neben starker Internationalisierung, wachsender Besucherzahl etc. hatten wir einen hohen Anspruch an den Standort. Die ganze Stadt sollte die Spiele feiern», erzählt Endres am Telefon. Wer einmal während der Gamescom im Stadtzentrum von Köln war, weiss, dass es nicht beim Lippenbekenntnis blieb. Bereits am Bahnhof oder beim Runterfahren von der Autobahn geben einem die vielen riesigen Werbeplakate mit den neusten Games einen Vorgeschmack auf das, was einem die nächsten Tage erwartet. Köln ist eine Woche lang das Mekka der Gamer.
Aber der Gemeine Gamer (Homo Zocknuss) ist längst nicht mehr alleine an der Gamescom-Tränke. Das mediale Grossereignis zieht Besucher aus über 70 Ländern an. Die Aussteller haben dieses Jahr die 1000er-Marke geknackt. Auf der mittlerweile 200 000 m2 (rund 28 Fussballfelder) grossen Fläche wird aber nicht nur gezockt. Es gibt Bereiche für Familien mit Fahrrad-Parcours und Kopfball-Tischtennis, es gibt Skateboard-Contests, das Cosplay-Village, wo man die ausgefallensten Outfits bestaunen kann und und und. «Früher war die Gamescom im Kern ganz klar eine Gamermesse. Mittlerweile hat sie sich immer mehr festivalisiert und zieht ein breiteres Publikum an», so Endres. Dazu trägt bei, dass die Messe nicht nur auf dem Messegelände stattfindet. 2016 war der Kölner Dom Teil der Gamescom. Der Partydom zog mit dem DJ-Duo Blank & Jones 50 000 Besucher an, welche eine aufwändige Lichtshow zu Technosound bestaunen konnten. Entsprechend hat sich auch die öffentliche Wahrnehmung geändert, erklärt Endres: «Die Gamescom ist in aller Munde. Egal ob Gamer oder nicht, jeder kennt sie.»
Zu Beginn sah es kurzzeitig so aus, als könnte die Gamescom die E3 als wichtigste Game-Messe ablösen. Die Electronics Entertainment Expo in Los Angeles befand sich seit 2006 in der Krise. Vom gehypten Medien-Ereignis verkam sie besonders mit dem temporären Umzug nach Santa Monica zur Kellershow. Die Gamescom hatte mit dem eigenen Neustart 2009 eigentlich das perfekte Timing, um zur neuen Plattform für Branchen-News zu werden. Laut Endres war das allerdings nie das Ziel: «Ich tu mich schwer mit diesem Vergleich.» Die Gamescom sei anders positioniert. Während die E3 erst vor einem Jahr der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, war die Gamescom von Anfang an eine Konsumenten-Messe und nie in erster Linie eine Ort, wo Sony, Microsoft und Co. ihre jährlichen Medienevents abhalten.
Mit der steigenden Besucher- und Ausstellerzahl wuchs auch die Herausforderung an die Organisatoren. Besonders die hunderttausenden Spielerinnen und Spieler zu bewältigen, sei eine Herkulesaufgabe. «Keine Messe auf der Welt hat in Bezug auf Dauer und Besucherzahl eine so hohe Dichte wie die Gamescom», sagt Endres. Nicht zu unterschätzen sei zudem, dass man immer am Puls der Zeit bleiben muss. «Egal, ob VR, Mobile oder E-Sport. Wir haben es bisher geschafft, Themen und Trends frühzeitig zu erkennen und zu besetzen».
Am 22. August wird die Gamescom zum zehnten Mal ihre Tore öffnen. Die Vision von damals hat sich ziemlich genau erfüllt. Die nächsten zehn Jahre dürften spannend werden. Um weiter als der europäische Gameevent wahrgenommen zu werden, muss die Gamescom innovativ und flexibel bleiben. In Zeiten, in denen immer mehr ins Digitale abwandert, jeder Event und jeder Trailer gestreamt wird, ist es fraglich, ob die Menschen weiterhin gewillt sind, stundenlang anzustehen. Aber schliesslich ist die Gamescom die Summe ihrer Teile. Solange die Mischung aus Spiel, Spass und Festival stimmt, wird die Massen wohl auch weiterhin jedes Jahr nach Köln pilgern. Ich freue mich jedenfalls schon wieder wie ein Schnitzel, wenn es am Dienstag (Medientag) 9:00 Uhr schlägt und ich die dröhnenden und blinkenden Hallen ein weiteres mal betreten darf.
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.