Hintergrund

«Star Wars Outlaws» angespielt: Munteres Halunken-Abenteuer statt Jedi-Drama

«Star Wars Outlaws» schafft es, die grössten Ubisoft-Openworld-Klischees zu vermeiden. Innovation suchst du dennoch grösstenteils vergeblich. Die sympathische Heldin und die stimmungsvolle Welt machen den Ausflug in die weit, weit entfernte Galaxis dennoch lohnenswert.

Der grösste Unterschied zu Han Solo ist, dass ihr Begleiter Nix das deutlich kleinere Haustier ist als Chewbacca – und auch etwas unselbstständiger. Kay ist auch unerfahrener und weniger eingebildet als Han Solo.

Eine der ersten Verhandlungen für einen Auftrag verläuft in so:
Kay: «Ich will die Hälfte der Bezahlung im Voraus.»
Auftraggeberin: «Die Bezahlung folgt nach dem Job.»
Kay: «OK, das geht auch.»

Herrlich, das sagt mir alles über sie, was ich wissen muss.

«Star Wars Outlaws» schafft es dabei, die Karte nicht Ubisoft-typisch mit Symbolen vollzumüllen. Meist lasse ich mich von meinen Augen zum nächsten Abenteuer leiten. Mal erweckt der Landeanflug eines imperialen Transporters meine Aufmerksamkeit, ein andermal lässt eine verlassene Funkstation mich einen unplanmässigen Zwischenstopp einlegen.

Die Ausflüge belohnen mich mit Credits, Material, um meine Ausrüstung zu verbessern, oder Informationen zu neuen Beutezügen. Erfahrungspunkte gibt es in «Star Wars Outlaws» nicht. Es ist einer der wenigen Aspekte, in denen Massive Mut beweist. Neue Fähigkeiten erhalte ich stattdessen über meine wachsende Crew, indem ich bestimmte Aufgaben für sie erfülle oder Ressourcen sammle. Sonst setzt das Spiel auf bewährte Openworld-Kost.

Viele Freiheiten, viel Schleichen, aber teilweise zu altbacken

Wie in allen Ubisoft-Spielen ist mein Questlog schon nach wenigen Stunden zum Bersten voll. Ich kann der Hauptgeschichte folgen und neue Mitglieder für meine Crew rekrutieren. Das führt mich am schnellsten zu neuen Planeten wie Kijimi, der eine verschneite Tempelstadt beheimatet oder der legendären Kantina auf Tatooine.

Die eigentlichen Missionen sind überraschend aufs Schleichen fokussiert. Das habe ich zwar in den Trailern bereits gesehen, aber da wusste ich noch nicht, wie essenziell es sein wird. Besonders in den grösseren Hauptmissionen komme ich mit meinem Blaster nicht weit. Entweder, weil mich die Gegner überrennen. Kay ist keine Jedi. Sie hat auch keine Panzerung und steckt entsprechend wenig ein. Oder, weil der Alarm losgeht und die Mission von vorne beginnt.

Wo ich mich hingegen frei fühle, ist, wie ich Missionen angehe. Kay kann klettern, durch Lüftungsschächte kriechen, sich über Abgründe schwingen und Terminals hacken. Ein essenzieller Teil dabei ist Nix. Das kleine Alien kann Gegner für mich ablenken, sie angreifen, Türen für mich öffnen und sogar explosive Objekte in die Luft jagen. Ich kann ihn direkt steuern und so spontan auf Situationen reagieren. Zusammen sind wir ein fast unschlagbares Team.

Nachdem ich mich mit dem grossen Stealth-Fokus in den Missionen arrangiert habe, macht es mir auch immer mehr Spass, herumzuschleichen und Basen unbemerkt zu infiltrieren. Wenn ich doch mal erwischt werde, bleibt mir die Möglichkeit, Gegner zu bequatschen und kurzzeitig abzulenken, um Nix loszuschicken oder selber anzugreifen. Das ist etwas, das ich noch in keinem Spiel gesehen habe. Es passt perfekt zu der von Han Solo inspirierten Figur.

Viele Quests erhalte ich von den verschiedenen Fraktionen. Je mehr ich für eine Fraktion arbeite, desto höher steigt mein Ruf in dieser. Oft leidet im Gegenzug das Ansehen bei den anderen Parteien – nicht selten, weil sie sich gegenseitig sabotieren. Ohne den nötigen Ruf kann ich die jeweiligen Herrschaftsgebiete nur unbemerkt passieren. Werde ich beim Herumschleichen oder gar Stehlen erwischt, setzen sie mich vor die Türe und mein Ruf sinkt.

Visuell ist das Spiel durchzogen. Meistens beeindruckt es durch tolle Beleuchtung, hohe Sichtweite und detailverliebte Schauplätze. Dann wieder sehen Orte blass und körnig aus. Gerade in den Zwischensequenzen, die nicht vorgerendert sind, schwankt die Qualität. Mal sieht Kay detailliert aus und ich kann gut ihre Emotionen ablesen. Dann gibt es aber auch Szenen, die sehen aus, als hätte ich die Detailstufe auf niedrig eingestellt.

Das Spiel setzt zudem auf das 21:9-Bildformat. Das bedeutet, dass alle mit einem 16:9-Bildschirm oder -Fernseher die filmtypischen schwarzen Balken sehen werden. Ich kann zwar Vollbild forcieren, damit sieht das Bild aber zu reingezoomt aus. Ich habe mich schnell an die Balken gewöhnt. Es fühlt sich an, als würde ich einen Kinofilm schauen – was auch die Absicht dahinter sein dürfte.

Fazit: Pures Star Wars ohne Drama und Jedis

Die Welt ist gigantisch und lädt zum Entdecken ein. Der Fokus auf Schleichen hat mich anfangs irritiert, aber Kays Haustier Nix gestaltet das Ganze überraschend flott und flexibel. Zu wenige Checkpoints frustrieren mich teilweise, genauso wie Basen, die wieder bevölkert sind, sobald ich zurückkehre. Auch etwas mehr Flexibilität beim Missionsdesign hätte ich mir gewünscht. Game Over, wenn ich einen Alarm auslöse, ist einfach nicht mehr zeitgemäss.

Abgesehen davon, hat Massive hier eine massive Openworld abgeliefert, die zum grossen Teil ohne die berüchtigten Ubisoft-Klischees auskommt. Ich bin gespannt, was mich in den nächsten Stunden noch alles erwartet.

«Star Wars Outlaws» wurde mit von Ubisoft zur Verfügung gestellt. Ich habe die PC-Version getestet. Das Spiel ist ab dem 30. August ausserdem verfügbar für PS5 und Xbox Series S/X.

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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 


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