Hintergrund

Kamera im Griff: So stellst du den Autofokus ein

David Lee
21.11.2017

Beim Autofokus stellt die Kamera automatisch scharf. Aber wann und vor allem worauf? Das kommt darauf an, wie du den Autofokus einstellst.

Der Begriff «Autofokus» ist ein bisschen irreführend – es ist ja nicht so, dass dabei alles automatisch abläuft. Die Kamera misst zwar die Entfernung und stellt das Objektiv richtig ein. Aber du musst ihr meist ein paar Hinweise geben, wie sie das genau tun soll. Schau dir einmal dieses Bild an:

Der Fokus liegt hier auf den Luftblasen im Getränk. Nicht nur der Teller ist unscharf, sondern auch der nähere Bereich des Glases. Das ist so gewollt. Aber woher soll die Kamera wissen, dass ich das so wollte?

Es gibt natürlich Bilder, bei denen die Automatik erraten kann, was fokussiert werden soll. Im Bild unten zum Beispiel erkennt die Kamera, dass sich in der Mitte etwas Grosses befindet, das näher ist als der Rest. So nimmt sie korrekterweise an, dass dies das Hauptmotiv ist und darauf fokussiert werden muss. Wenn in der Kamera die Gesichtserkennung eingeschaltet ist, dann erkennt sie auch, dass es sich hier um ein Porträt handelt.

Vollautomatik

Man kann also den Autofokus also in gewissen Fällen auf vollautomatisch schalten. Beim Porträtbild oben würde das funktionieren. Aber eben, das bringt längst nicht immer das gewünschte Ergebnis. Wenn du bewusst die Schärfe (bzw. Unschärfe) als Stilmittel einsetzen willst, taugt die Vollautomatik nichts. Sie ist vor allem für Schnappschüsse gedacht.

In diesem Beitrag erkläre ich dir deshalb, welche Möglichkeiten du hast, den Autofokus deiner Kamera zu konfigurieren.

Grundlegendes: Einschalten, Vollautomatik

Wenn die Kamera im Vollautomatik-Modus läuft, ist auch der Autofokus immer vollautomatisch. Erst wenn du in einen anderen Modus wie P, A, S oder M wechselst, kannst du die AF-Einstellungen vornehmen, die ich in diesem Beitrag beschreibe.

Um den Autofokus richtig einzustellen, solltest du ausserdem mal prüfen, ob er überhaupt eingeschaltet ist. Ist ja klar. Ich erwähne das, weil es je nach Kameramarke und -modell sehr unterschiedlich gemacht wird, so dass du eventuell schon hier ins Stocken gerätst, wenn du mit einer Kamera nicht vertraut bist. Im Zweifelsfall ist das Benutzerhandbuch dein Freund. Das kannst du dir einfach beim Hersteller herunterladen und auf dem Handy oder auf Dropbox speichern.

Fall 1: Schalter am Objektiv

Bei Spiegelreflexkameras von Canon oder Nikon gibt es am Objektiv einen Schalter, der AF/MF oder ähnlich heisst. Natürlich muss dieser auf AF stehen. Einige Spiegelreflexkameras (Nikon) haben zusätzlich noch einen solchen Schalter an der Kamera. Dies ist nur für den Fall gedacht, dass ein Objektiv ohne AF-Schalter verwendet wird.

Fall 2: Fokusmodus-Taste oder -Menü

Bei vielen Kameras schaltest du den Autofokus dort ein, wo du auch den Fokusmodus änderst. Zum Fokusmodus komme ich gleich im nächsten Abschnitt. Manche Kameras haben für den Fokusmodus eine eigene Taste, die typischerweise mit «AF» beschriftet ist. In einigen Kameras musst du aber dafür einen Menüpunkt aufrufen (normalerweise ein Schnellzugriff, also nicht in den Tiefen der Menüeinstellungen).

Fall 3: Ein-Aus-Taste

Bei den spiegellosen Canon-Kameras gibt es üblicherweise eine Taste am Steuerungsrad, die mit «MF» angeschrieben ist und die tatsächlich nichts anderes tut, als zwischen Autofokus und manuellem Fokus zu wechseln.

Fall 77: Sonys AF/MF-AEL-Kombi-Schalter

Um zu verdeutlichen, dass sich jeder Hersteller etwas eigenes einfallen lässt, hier das Beispiel der Sony Alpha 7S II: Da gibt es am Objektiv den Ein-Aus-Schalter (Fall 1), zusätzlich aber auch einen Schalter an der Kamera, der zwischen AEL und AF/MF umschaltet (siehe vorheriges oder nächstes Bild). Wenn dieser Schalter auf AF/MF gestellt ist, dann fokussiert man manuell, während die Taste gedrückt gehalten wird.

Der Modus des Autofokus

Den AF-Modus der Kamera rufst du wie erwähnt über die AF-Taste oder über ein Schnellzugriffmenü aus. Bei der Sony A7S II sieht dieses Schnellmenü beispielsweise so aus:

In praktisch jeder Kamera gibt es den einmaligen und den kontinuierlichen Autofokus.

Einmaliger AF

Der einmalige Autofokus heisst je nach Marke «One Shot AF» (Canon), AF-S (Nikon, Sony), S-AF (Olympus) oder ähnlich. Das S steht für single. Drückst du den Auslöser halb durch, um zu fokussieren, stellt die Kamera nur einmal scharf und verharrt dann in dieser Position. Dabei gibt es ein optisches und/oder akustisches Feedback, zum Beispiel indem das Fokusfeld von Rot auf Grün wechselt. So weisst du, dass das Fokussieren geklappt hat und das Bild scharf wird.

Kontinuierlicher AF

Der kontinuierliche Autofokus (AF-C o.ä.) stellt immer wieder neu scharf, solange der Auslöser halb durchgedrückt ist. Darum gibt es keine Rückmeldung, wenn scharfgestellt wurde. Das ist sinnvoll bei Motiven, die sich bewegen. Der kontinuierliche AF wird gerne in Kombination mit dem Serienbildmodus verwendet.

Canon-User aufgepasst: Canon nennt den kontinuierlichen AF «AI Servo». Einige Canon-Kameras (spiegellose, z.B. M5) haben dennoch im Einstellungsmenü eine Option namens «Kontinuierlicher AF». Das bedeutet hier aber etwas anderes. Wenn diese Option aktiviert ist, wird immer laufend nachfokussiert, selbst wenn du den Auslöser nicht berührst.

Automatischer Moduswechsel

Viele Kameras verfügen über eine automatische Umschaltung zwischen Einzel-AF und kontinuierlichem AF. Wenn die Kamera feststellt, dass sich die Verhältnisse im Bild ändern, schaltet sie den kontinuierlichen Fokus ein, ansonsten ist der Einzel-AF aktiv. Bei Nikon heisst diese Automatik AF-A, bei Canon «AI Focus AF».

3D-Tracking

Messbereich und -grösse definieren

Um festzulegen, welche Region auf dem Bild scharf gestellt werden soll, gibst du der Kamera nicht nur die Position an, sondern auch die Grösse des Fokusbereichs. Innerhalb dieser Grösse entscheidet die Kamera selbst, was zu fokussieren ist. Wenn das ganze Bild als Messfeld ausgewählt ist, bedeutet das Autofokus-Vollautomatik.

Gross oder klein?

Hier sollte das Messfeld nicht grösser sein als der Vogel. Sonst fokussiert die Kamera auf den Zweig davor, weil der näher ist. Quelle: pexels.com

Kleine Fokusfelder haben einen weiteren Nachteil. Wenn im Fokusbereich nichts ist, was Kontur hat (zum Beispiel, wenn du auf eine ebenmässige, gleichfarbige Fläche zielst), dann hat der Autofokus grosse Probleme, scharfzustellen. Je kleiner das Fokusfeld, desto grösser ist natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert.

Das Messfeld bewegen – oder doch lieber die Kamera?

Blick durch den Sucher einer Spiegelreflexkamera. Mehrere AF-Sensoren werden zu einer Gruppe zusammengefasst, damit es ein grösseres Messfeld gibt. Sie könnten aber auch einzeln angesteuert werden, wenn mehr manuelle Präzision gefragt ist. Disclaimer: bei den Recherchen zu diesem Artikel wurden keine Einhörner gequält.

Okay, und wie geht das mit dem Feldverschieben?

Im Touchscreen-Zeitalter lässt sich das Feld wie bei einem Smartphone durch Tippen definieren. Aber wenn du den Sucher benützt, ist das natürlich nichts. Das muss auch per Tasten gehen.

Die meisten Kameras haben dazu vier Richtungstasten, manchmal auch ein Rad. In der Regel wird das Feld damit verschoben. Damit das aber nicht versehentlich geschieht, musst du meist zuerst in eine Art «Verschieb-Modus» kommen. Die entsprechende Taste sieht so oder ähnlich aus:

Bei Nikon gibt es dafür einen Sperrschalter, der nur mit einem «L» angeschrieben ist (für englisch «lock»).

Weitere Einstellungen

Separate Fokussiertaste

Manche Fotografen wollen für das Fokussieren und das Abdrücken zwei verschiedene Tasten. Dies ist in vielen Kameras möglich. Bei meiner Kamera, der Nikon D7500, kann ich dazu die AEL/AFL-Taste verwenden, und zusätzlich kann ich angeben, ob der Auslöser trotzdem noch fokussieren soll oder nicht. Wie es bei deiner Kamera geht, liest du am besten im Manual nach.

Schärfepriorität vs. Auslösepriorität

Du kannst also den Einzel-AF mit Auslösepriorität oder umgekehrt den kontinuierlichen AF mit Schärfepriorität verwenden. Mir fällt allerdings kein Szenario ein, bei dem das irgendwie besser wäre.

Das sind übrigens die Kameras, die ich für diesen Beitrag ausprobiert habe:

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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