Produkttest

Wie viel Profikamera steckt im Sony Xperia 1 V?

Viele Smartphones wollen sich mit ihren Kameras abheben. Sie bieten Raw-Bilder, manuelle Einstellungen oder Kooperationen mit prestigeträchtigen Marken. In dieses Horn bläst auch Sony mit seinem 1400 Franken teuren Flaggschiff.

Was mir Sonys Marketing damit zu sagen wollen scheint: Unser Telefon ist wie eine Profikamera. Was ist da dran? Ich teste, wie nahe das Xperia an eine Sony Alpha 7RV kommt und ob es besser ist als andere Smartphones. Wenn du wissen willst, wie es sich abseits der Fotografie schlägt, findest du hier den Gesamttest von Kollegin Michelle Brändle:

Hardware: Optisches Zoom, fixe Blenden

Besonders gross ist dieser mit 1/1,35 Zoll nicht. Noch kleiner sind die Sensoren der Weitwinkelkamera (1/2,5 Zoll) und der Telekamera (1/2,5 Zoll). Um diese Grössen in Relation zu einer «richtigen» Kamera zu setzen: Die Fläche eines Vollformat-Sensors ist etwa zehnmal grösser als der grösste Sensor des Xperia. Diesen gigantischen physischen Nachteil versuchen die heutigen Smartphones mit allerlei digitaler Bildverarbeitung zu kompensieren.

Noch wichtiger ist ein anderer Unterschied: Objektive von grossen Kameras haben eine variable Blende. Sie können also mehr oder weniger Licht durchlassen. Ob ich mit Blende f/2 oder f/11 fotografiere, hat auch einen Einfluss auf die Tiefenschärfe. Die Blenden des Xperia sind fix: f/1,9 bei 24 mm, f/2,2 bei 16 mm und f/2,3-2,8 bei 85-125 mmm. Das heisst, diese Kameras steuern ihre Belichtung ausschliesslich über Verschlusszeit und ISO.

Bedienung: Wozu das Ganze?

Müssig in einem Smartphone wie dem Xperia finde ich die zwei anderen Modi: «Verschlusspriorität» und «Manuell» bringen wenig, weil die Blende fix ist. Ich kann also nicht wie bei einer grossen Kamera eine kreative Entscheidung über die Tiefenschärfe treffen. Beziehungsweise nur über den digital erzeugten «Bokeh»-Effekt, der aber wiederum nur im «Basic»-Modus zur Verfügung steht.

Bildqualität: Frust bei der Aufnahme, Freude am Computer

Zurück zum Fotografieren. In der Praxis benutze ich meistens die Programmautomatik und schiesse Bilder im Raw-Format. Zu Beginn bin ich enttäuscht vom Xperia 1 V: Bei hellem Licht ist mir das Display zu dunkel und die Vorschau sieht schlecht aus. Zum Vergleich zücke ich mein Apple iPhone 14 Pro – ein Unterschied wie Tag und Nacht. Auf dem iPhone habe ich während der Aufnahme das Gefühl, jedes Foto sei ein Meisterwerk.

Haupt- und Weitwinkelkamera: Gute Raw-Bilder bei Tageslicht

Damit eine Raw-Datei etwas bringt, brauche ich einen vernünftigen Dynamikumfang und ein gutes Rauschverhalten. Sonst lässt sich bei hohen Kontrasten wenig aus einem Bild rausholen und ich bevorzuge digitale Tricks wie beim iPhone. Bei Tageslicht liefert die Hauptkamera des Sony Xperia 1 V: Die Raw-Aufnahmen haben genug Spielraum, damit ich einen hellen Himmel retten und gleichzeitig die Schatten aufhellen kann.

Tele- und Frontkamera: Nicht so gut

Die Frontkamera ist in Ordnung, Selfies sehen nicht schlecht aus. Die Qualität ist aber weniger gut als bei der Haupt- oder Weitwinkelkamera.

Video: Der neue Benchmark

Die grösste Überraschung des Sony Xperia 1 V ist die Videoqualität. Bisher galt das iPhone 14 Pro als Benchmark für Smartphone-Bewegtbilder. Doch das Xperia jagt ihm für mich diesen Titel ab.

Im Gegensatz zu Apple überschärft Sony die Videoaufnahmen nicht. Beim iPhone werden auf einem grossen Bildschirm Artefakte sichtbar, hinzu kommt der aus Fotos bekannte HDR-Look. Die iPhone-Videos wirken künstlich. Erst im ProRes-Format passiert das nicht mehr – dann werden die Dateien aber wahnwitzig gross. Das Xperia liefert auch im handlichen H.264 Codec natürliche und trotzdem detailreiche Videos. Ich bin begeistert.

Hier eine Testaufnahme mit Vergleichen zum iPhone 14 Pro und der Sony Alpha 7RV. Letztere filtert mit dem internen Mikrofon den Wind besser raus als die beiden Smartphones.

Fazit: Zwischen Stuhl und Bank

Haupt- und Weitwinkelkamera des Sony Xperia 1 V sind gut. Wenn ich Bilder im Raw-Format aufnehme und danach am Computer entwickle, gehören sie zu den besten Smartphone-Kameras, die es gibt. Die Bilder wirken natürlich und haben viel Dynamikumfang. Im Vergleich zu anderen Smartphones hervorragend sind die Videos – dank gutem Farbprofil, wenig digitalen Artefakten und sinnvollem Codec.

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Mein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann an meinen Fingerspitzen in einer Felswand.


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