

Sony RX1R III im Test: für wenige statt für alle

Eine Kamera, die mehr kostet und weniger kann als die Konkurrentin aus dem eigenen Haus – meine Skepsis vor dem Test der Sony RX1R III war gross. Eine Woche später will ich sie am liebsten behalten.
Sonys neue Luxus-Kompaktkamera mit Vollformat-Sensor sieht auf dem Papier aus wie ein schlechter Scherz. Die RX1R III hat weitgehend die gleiche Technik verbaut wie die Alpha 7C R, jedoch ohne Bildstabilisator und mit einem fixen und ziemlich alten Objektiv. Trotzdem kostet sie mehr: 4199 Franken oder 4900 Euro. Warum? Weil Sony die Zahlungskraft der Zielgruppe schamlos ausnutzt.
Dafür sollte ich die RX1R III hassen. Doch nach einer Testwoche im Tessin liebe ich sie allen Unzulänglichkeiten zum Trotz.

Design und Bedienung: Kompaktheit über alles
Die Identität der Sony RX1R III dreht sich um ihre Grösse. Sie ist winzig. Und leicht. Mit einem Gewicht von 498 Gramm wiegt sie deutlich weniger als eine Alpha 7C R mit dem FE 35mm f/1.8 (zusammen 795 g) und auch weniger als die Leica Q3 (743 g) oder die Fujifilm GFX100RF (735 g).
Die Differenz von rund 250 Gramm klingt nach wenig. Doch für mich macht sie den Unterschied, ob ich mir das Ding um den Hals hänge oder in eine Tasche stecke. Die RX1R III fühlt sich völlig anders an als die Alpha 7C R. Sie ist eine wahre Immer-dabei-Kamera. Eine Fujifilm X100VI auf Steroiden.

Der Body hat eine matte Oberfläche und ist fast komplett flach. Er wird in der gleichen Manufaktur in Japan hergestellt wie Sonys G-Master-Objektive und fühlt sich hervorragend verarbeitet an. Gegen Staub und Wasser ist die Kamera aber offiziell nicht abgedichtet. Die gummierte rechte Seite bietet etwas Halt. Für eine so kleine Kamera reicht das zwar, ich würde mir aber einen geformten Griff für meine Finger wünschen. Auch mein Daumen ist auf der Rückseite verloren.
Als Zubehör verkauft Sony ein Kunstleder-Case (150 Franken / 179 Euro) und einen Daumen-Griff aus Metall (240 Franken / 279 Euro), die für mehr Halt sorgen sollen. Auch die Gegenlichtblende (169 Franken / 200 Euro) müsste ich extra kaufen. Eure Profite in Ehren, Sony, aber diese Preise sind einfach nur dreist. Zumindest die Gegenlichtblende sollte bei einer so teuren Kamera zum Lieferumfang gehören.
Für die Bedienung stehen wegen des kleinen Bodys weniger Knöpfe zur Verfügung als bei einer grösseren Sony-Kamera. Ich finde, das macht nichts. Alle wichtigen Funktionen erreiche ich direkt über Buttons, im Menü finde ich mich gut zurecht. Die Druckpunkte der Knöpfe sind etwas matschig, wie so oft bei Sonys kleinen Kameras. Das können andere Hersteller besser.

Ungewohnt ist, dass ich die Blende zwingend am Objektiv einstellen muss – der Ring hat keine «A»-Position, welche ein digitales Einstellen per Drehrad erlauben würde. Nach ein paar Stunden stört mich das aber nicht mehr. Mit dem zweiten Ring am Objektiv wechsle ich den Fokusbereich zwischen Makro (0,2 - 0,35 m) und Normal (0,35 m - unendlich). Beide Ringe haben viel Widerstand, sodass ich sie nie aus Versehen verstelle.
Features und Displays: schmerzhafte Einschränkungen
Der Fokus auf die kompakte Grösse bringt Kompromisse mit sich: Erstens hat die Sony RX1R III keinen Bildstabilisator. Fotografiere ich tagsüber, stört mich das kaum. An einem bewölkten Tag im Wald muss ich die ISO zwar etwas erhöhen, damit Aufnahmen aus der Hand scharf bleiben. Der Sensor ist aber gut genug, dass die Bildqualität bis ISO 800 kaum abnimmt.
Setzt die Dämmerung ein, wird der fehlende Stabilisator hingegen zu einer echten Einschränkung. Nun muss ich die ISO auf 4000 erhöhen, damit ich auf 1/60 Sekunde Verschlusszeit komme. Und selbst dann verwackelt die Aufnahme manchmal. Wechsle ich zur Alpha 7C R mit stabilisiertem Sensor, fotografiere ich die gleiche Szene entspannt mit ISO 400 und 1/10 Sekunde – die Bilder werden alle scharf und rauschen viel weniger.


Die zweite grosse Einschränkung betrifft die Displays. Sony verbaut aus Platzgründen den gleichen elektronischen Sucher wie in der Alpha 7C R. Will heissen: einen ziemlich kleinen und schlechten. Er kommt nur auf eine 0,7-fache Vergrösserung und eine Auflösung von 2,36 Millionen Bildpunkten (1024 × 768 Pixel). Die Gummi-Augenmuschel ist grösser als bei anderen Sony-Kameras, was mich als Brillenträger enorm stört. Ich sehe wegen des grossen Abstands zwischen Auge und Display nur gut die Hälfte des Bilds.
Die meiste Zeit fotografiere ich deshalb mit dem 3-Zoll-LCD auf der Rückseite. Dieser ist schön hell und hat ebenfalls 2,36 Millionen Bildpunkte. Ein guter Wert, der wegen des grösseren Betrachtungsabstands scharf wirkt. Doch auch hier gibt es ein Problem: Das Display lässt sich nicht ausklappen wie beim Vorgängermodell, sondern ist komplett fix. Diese Design-Entscheidung erschliesst sich mir nicht. Ein paar Millimeter und Gramm mehr für ein Scharnier hätten sich mehr als gelohnt.

Die dritte und am wenigsten schlimme Einschränkung ist der Akku. Der NP-FW50 stammt aus Sonys APS-C-Kameras. Weil er hier einen Vollformat-Sensor betreiben muss, reicht er gemäss CIPA-Rating aber nur für 300 Bilder mit dem LCD und 270 mit dem Sucher. Das ist immerhin ein deutlicher Fortschritt gegenüber der RX1R II (220 mit LCD, 200 mit Sucher). In der Praxis komme ich mit einem Akku nur knapp durch den Tag und packe immer einen zweiten ein.
Autofokus und Verschluss: schnell und leise
Bei der Präsentation der Sony RX1R III war ich skeptisch, ob das alte Zeiss-Objektiv mit den aktuellen Autofokus-Systemen mithalten kann. Meine Sorge war unbegründet – es kann. Die Kamera fokussiert schneller als all ihre Konkurrentinnen und gefühlt sogar schneller als die Alpha 7C R mit dem FE 35mm f/1.8. Sonys AI-Chip und die neuesten Algorithmen erkennen Personen, Gesichter und Augen extrem zuverlässig. Auch das Objekt-Tracking funktioniert hervorragend.
Ein Unterschied gegenüber Systemkameras mit Wechselobjektiv ist das Verschlusssystem. Die RX1R III hat keinen Schlitzverschluss vor dem Sensor, sondern einen Zentralverschluss im Objektiv. Ich höre ihn kaum. Das ist praktisch, wenn ich möglichst unauffällig fotografieren will. Ausserdem könnte ich Blitze bis zur maximalen Verschlusszeit synchronisieren.

Der Nachteil am Zentralverschluss: Bei f/2 beträgt die schnellste Verschlusszeit 1/2000 Sekunde. Das reicht mit der nativen Empfindlichkeit (ISO 100) nicht, wenn die Sonne scheint. Ich muss entweder auf den elektronischen Verschluss wechseln oder abblenden. Bei f/4 schafft der Zentralverschluss 1/3200 Sekunde, bei f/5.6 maximal 1/4000 Sekunde.
Bildqualität: für diese Grösse grossartig
Der Sensor ist bekannt aus der Sony Alpha 7R V, der Sony Alpha 7C R und der Leica Q3. Auch drei Jahre nach seinem Debüt gehört er für Fotos zu den Besten: hohe Auflösung, grosser Dynamikumfang, gutes Rauschverhalten.
Die vielen Megapixel bieten Raum für digitalen Zoom. Per Knopfdruck kann ich zwischen drei virtuellen Brennweiten wählen. JPGs werden zugeschnitten gespeichert. RAW-Bilder nimmt die Kamera immer in der vollen Auflösung auf, die Dateien werden in Lightroom aber automatisch gecroppt angezeigt:
- 35 mm (1,0 ×): 60,2 Megapixel
- 50 mm (1,4 ×): 29,4 Megapixel
- 70 mm (2,0 ×): 15,1 Megapixel

Das Zeiss-Objektiv kann nur bedingt mit der Auflösung des Sensors mithalten. In der Bildmitte liefert die Linse schon bei Offenblende scharfe Ergebnisse – ich muss sehr genau hinschauen, damit ich den Unterschied zur Alpha 7C R mit einem FE 35mm f/1.4 GM erkenne. Am Bildrand ist der Unterschied hingegen deutlich, selbst wenn ich die RX1R III auf f/8 abblende. Mir fällt zudem eine ausgeprägte tonnenförmige Verzeichnung auf. Sie lässt sich digital korrigieren, was die Schärfe in den Ecken weiter reduziert.

Apologeten bezeichnen die nicht ganz zeitgemässe Abbildungsleistung des Objektivs gerne als «Charakter». Das halte ich für Marketing-Geschwurbel. Aber sie ist gut genug, dass ich abseits von Laboraufnahmen zufrieden bin.
Eine Videofunktion gibt es, wegen des fixen Displays und des fehlenden Bildstabilisators dürfte sie aber kaum benutzt werden. Bewegte Bilder sind auf 4K bei 30 FPS limitiert. Bei höheren Auflösungen oder Framerates würde der kleine Body wahrscheinlich zu schnell überhitzen.

Konzept und Konkurrenz unter der Lupe
Trotz ihrer Einschränkungen gefällt mir die Sony RX1R III nach einer Woche besser als gedacht. Denn etwas schafft sie meiner Meinung nach wie keine andere Kamera: Sie ist klein genug, damit ich sie mitnehme, wenn ich nur nebenbei fotografiere – und gleichzeitig gut genug, dass sich die Bilder deutlich von jenen eines Smartphones abheben.
Wie schlägt sie sich im Vergleich mit anderen Modellen?
- Die Sony Alpha 7C R kostet weniger, hat den gleichen Sensor, einen Bildstabilisator, ein drehbares Display, einen grösseren Akku, einen Handgriff und kein fixes Objektiv. Sie ist ohne Frage die bessere Kamera, wenn du rausgehst, um hauptsächlich zu fotografieren. Aber sie fühlt sich bei weitem nicht so portabel an.
- Die Leica Q3 (sowohl in der 28-mm- als auch in der 43-mm-Variante) bietet den gleichen Sensor, mehr Prestige, einen Bildstabilisator und ein schärferes Objektiv. Aber sie ist noch teurer, fokussiert langsamer und wiegt mehr – für mich schon zu viel als Immer-dabei-Kamera.
- Die Fujifilm GFX100RF übertrumpft in Sachen Bildqualität alles, hat auch keinen Bildstabilisator, aber wenigstens ein klappbares Display. Der Autofokus stellt weniger schnell scharf als jener der Sony RX1R III. Grösser sind aber zwei andere Nachteile: Erstens ist das Objektiv der GFX100RF zwei volle Blenden weniger lichtstark. Zweitens ist sie mir mit 735 Gramm zu schwer für ihr Konzept, genau wie die Leica Q3.
- Die Fujifilm X100VI hat ein massiv besseres Preis-Leistungs-Verhältnis als Sonys Luxus-Kamera, ist fast gleich kompakt und hat einen Bildstabilisator. Dafür bieten Sensor und Objektiv weniger Bildqualität und weniger Möglichkeiten für das Spiel mit der Tiefenschärfe.
- Die Ricoh Gr III passt als einzige Kamera mit APS-C-Sensor in eine Hosentasche und kostet weniger als alle anderen auf dieser Liste. Die Brennweite von 18 mm (28 mm Kleinbild-äquivalent) bei Blende f/2.8, der kleinere Sensor und der in die Jahre gekommene Autofokus spielen allerdings alle eine Leistungsklasse tiefer als die Sony RX1R III.

Fazit
Teure, aber hervorragende Immer-dabei-Kamera
Die Sony RX1R III ist für wenige statt für alle. Sie brilliert nicht als Werkzeug, sondern als luxuriöse Immer-dabei-Kamera, wenn Geld keine Rolle spielt. Gehörst du zur Zielgruppe, wirst du sie lieben. Alle anderen dürften beim Anblick des Preises und der Einschränkungen verständnislos den Kopf schütteln.
Was die RX1R III ausmacht, ist die Kombination aus Leichtigkeit, Bildqualität, Lichtstärke und hervorragendem Autofokus. Das relativ alte Zeiss-Objektiv kann die Auflösung des Sensors bei Offenblende zwar nur in der Bildmitte befriedigen, das stört im Alltag aber kaum – ganz im Gegensatz zum fehlenden Bildstabilisator, dem fixen LCD und dem schlechten Sucher.
Diese Kompromisse nerven je nach Situation mehr oder weniger. Unter dem Strich passen sie mir besser als die der Konkurrenz: Alle vergleichbaren Modelle sind entweder zu schwer, als dass ich sie mir um den Hals hänge. Oder sie bieten mir zu wenig Mehrwert gegenüber meinem Smartphone. Die RX1R III schafft beides. Schade nur, dass Sony sich das teuer bezahlen lässt.
Pro
- klein und leicht
- tolle Bildqualität
- lichtstarkes Objektiv
- top Autofokus
- gute Bedienung
- hochwertige Verarbeitung
Contra
- unfairer Preis
- kein Bildstabilisator
- fixes Display
- unterdurchschnittlicher Sucher
- Objektiv dürfte schärfer sein
- nicht wetterfest


Mein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann an meinen Fingerspitzen in einer Felswand.