«Senua's Saga: Hellblade II» im Test: nervenaufreibend, bombastisch und einfach unvergleichlich
Spielkritik

«Senua's Saga: Hellblade II» im Test: nervenaufreibend, bombastisch und einfach unvergleichlich

«Hellblade II» ist so bild- und tongewaltig, dass es dir den Atem verschlägt. Es macht die physisch und psychisch beschwerliche Reise Senuas spürbar. Nur von den belanglosen Rätseln und repetitiven Kämpfen hätte ich nicht so viele gebraucht.

Ich schleiche durch ein von dichtem Nebel durchzogenes Camp. Der Boden ist mit Leichen übersät. Andere wurden an Holzpfählen aufgeknüpft. Welcher Wahnsinn hat sich hier abgespielt? Die Stimmen in meinem Kopf drängen mich zur Umkehr. Nein, ich soll vorwärts gehen, einen Fuss vor den anderen setzen. Oder ist sowieso alles hoffnungslos? Für meine innere Zerrissenheit bleibt keine Zeit. Die Musik schwillt bedrohlich an und entstellte Fratzen springen mich aus der Dunkelheit an. Ein Tanz auf Leben und Tod beginnt.

Nachdem ich mein blutiges Schwert aus dem leblosen Körper des letzten Widersachers ziehe, kehrt wieder Ruhe ein. Der Nebel lichtet sich und für einen Moment wirkt die Szene fast friedlich. Die Leichen um mich herum und meine streitenden inneren Stimmen holen mich wieder in die Realität zurück. Wobei: Was real ist und was nicht, wird in «Senua's Saga: Hellblade II» nie ganz klar. Klar ist nur, dass Ninja Theories Fortsetzung zu «Senua’s Sacrifice» ein fantastisches Spiel geworden ist.

Auf die schottischen Highlands folgt das mystische Island.
Auf die schottischen Highlands folgt das mystische Island.
Quelle: Ninja Theory

Worum geht’s?

Im ersten Teil machte sich die keltische Kriegerin Senua auf, die Seele ihres toten Geliebten zu retten. Dabei reiste sie durch die Hölle der Wikinger und legte sich mit Göttern an. Ich fand die Idee besser als das Spiel. Besonders die seichten Rätsel und die nervigen Kämpfe nahmen mir die Lust, es fertig zu spielen. Was schade ist, denn die Geschichte und besonders die visuelle Präsentation haben mir schon damals gefallen. Zum Glück legt der zweite Teil in allen Belangen eine Schippe drauf.

«Hellblade II» ist kein Spiel für schwache Nerven.
«Hellblade II» ist kein Spiel für schwache Nerven.
Quelle: Ninja Theory

«Hellblade 2» knüpft direkt an den ersten Teil an. Senua hat sich gefangen nehmen und auf ein Sklavenschiff bringen lassen. So kann sie zusammen mit den Wikinger-Invasoren in ihre Heimat reisen – Island. Sie will herausfinden, was die Nordmänner im Schilde führen und die Sklaverei beenden.

Ein Weg des Leidens

Nachdem das Schiff in einen Sturm gerät und kentert, wird Senua von Bord geschleudert und an einen Strand gespült. Zeit zu verschnaufen bleibt ihr nicht, denn auch einige Sklavenhändler haben überlebt. Zu ihnen gehört der Anführer Thórgestr. Nach einem kurzen blutigen Kampf nimmt Senua ihn gefangen. Sie braucht ihn, um den Weg zu seinem Stamm und seinem Vater zu finden. Damit beginnt eine beschwerliche und atemberaubende Reise durch eine geheimnisvolle Welt voller Mythen und Monster – einige davon wohnen in Senuas Kopf.

Nie ist klar, was ist echt und was ist Vorstellung.
Nie ist klar, was ist echt und was ist Vorstellung.
Quelle: Ninja Theory

Die Kriegerin leidet unter einer Psychose. Um das möglichst authentisch darzustellen, hat Ninja Theorie unter anderem mit Paul Fletcher, einem Professor der Universität Cambridge, zusammengearbeitet. Er ist Experte auf diesem Fachgebiet. Die internen Dialoge sind zuweilen etwas anstrengend, schaffen aber auch eine einzigartige Stimmung, mit einem Menschen im Mittelpunkt, der mit sich selbst ringt. Jede Entscheidung wird hinterfragt, bestärkt, verworfen.

Senua wird im Verlauf der Geschichte neben Thórgestr auch von Fargrímr und Ástríðr begleitet. Fargrímr weiss mehr über die übernatürlichen Vorkommnisse der Welt und Ástríðr ist eine Stammesführerin, die ihr Volk vor einem Riesen beschützen will. Um diese mystischen Wesen dreht sich ein grosser Teil der Geschichte. Im Zentrum stehen aber die vier Reisenden und ihre Zerwürfnisse, allen voran Senua. Sie kämpft nicht nur mit realen Dämonen, sondern auch mit ihren inneren.

Senua muss sich auch Riesen stellen.
Senua muss sich auch Riesen stellen.
Quelle: Ninja Theory

Schaurig schön

«Hellblade 2» hat mich von der ersten Minute an gepackt. Das liegt an der audiovisuellen Präsentation in Verbindung mit den erstklassigen Schauspielerinnen und Schauspielern. Dank Motion Capture werden die Bewegungen und Gesichtsanimationen perfekt eingefangen. Jede kleine Unsicherheit, Erschöpfung oder Frustration ist deutlich abzulesen. Mehr Fotorealismus als in diesem Spiel ist mir noch nicht untergekommen. Die Unreal Engine 5 machts möglich. Das trifft besonders auf die Umgebung zu. Die felsige und märchenhafte Landschaft Islands wird perfekt eingefangen. Ich habe möglicherweise einen neuen Fetisch für mich entdeckt: Felsenporn. Endlich verstehe ich die Faszination der Steinbeisser aus «Die Unendliche Geschichte». Die Gesteinsbrocken sehen einfach zum Anbeissen aus. Wie auch der Rest des Spiels. Da gibt es schmucke moosbedeckte Steinhütten, von Kristallen erleuchtete Höhlen oder atemberaubende Fjorde mit rauschenden Wasserfällen.

In den Höhlen ist das Lichtspiel besonders schön.
In den Höhlen ist das Lichtspiel besonders schön.
Quelle: Ninja Theory

Das Spiel kommt dabei fast oder zumindest ohne wahrnehmbare Schnitte aus – ähnlich wie «God of War». Bei einem Zeitsprung gibt es keine Schwarzblende. Stattdessen zoomt die Kamera weg, fliegt wie eine Drohne über die traumhafte Landschaft und findet die Abenteuergruppe wieder, die mittlerweile an einem anderen Ort angekommen ist. Genauso beeindruckend inszeniert ist die Verschmelzung von Realität und Visionen. Ich betrete ein verlassenes Dorf, als plötzlich eine schwarze Gestalt auftaucht und den ganzen Bildschirm in rote und schwarze Schatten taucht. Im nächsten Moment steht die Welt kopf und die Umgebung wird zu einem surrealen Albtraum.

Die Landschaften sind ein Traum.
Die Landschaften sind ein Traum.
Quelle: Ninja Theory

Etwas gewöhnungsbedürftig ist anfangs, dass das Spiel auf ein 2.39:1-Bildformat setzt. Es stammt aus der Filmindustrie und wird heute nur noch selten verwendet. Wenn du wie ich keinen Ultra-Wide-Monitor besitzt, musst du dich auf schwarze Balken einstellen. Dadurch wirkt das Spiel cineastischer. Dabei hilft, dass das Spiel komplett auf ein Benutzerinterface verzichtet.

Mindestens so beeindruckt wie die Grafik hat mich das Sounddesign. Ninja Theorie empfiehlt Kopfhörer und für einmal muss ich zustimmen. Selbst mit meiner 5.1-Surroundanlage kommt die Soundkulisse nicht so recht zur Geltung. Und diese hat es in sich. Tiefes Brummen, das direkt aus der Hölle stammen könnte, erklingt, wenn sich monströse Fratzen auf mich stürzen. Der Sound schwillt zu einer orchestralen Symphonie des Grauens an, die mir das Herz bis zum Hals schlagen lässt. Es grollt und donnert und genauso plötzlich kehrt wieder Ruhe ein – das plötzliche Wegbleiben von Sound schafft eine wunderschön melancholische Stimmung. Der Soundtrack hat mir regelmässig Gänsehaut beschert.

Alle ohne Ultra-Wide-Monitor müssen sich mit schwarzen Balken abfinden.
Alle ohne Ultra-Wide-Monitor müssen sich mit schwarzen Balken abfinden.
Quelle: Ninja Theory

Technisch läuft das Spiel auf dem PC sehr sauber. Dank DLSS und FSR 3 sollte es auch mit weniger leistungsfähigen Grafikkarten als meiner RTX 4090 flüssig laufen. Abgesehen von einigen Ladehängern hatte ich technisch keine Probleme. Lediglich die Sprachausgabe war teilweise nicht lippensynchron.

Repetitive Kämpfe und anspruchslose Rätsel

Während mich die Geschichte und die Inszenierung komplett einlullt, reissen mich die Kämpfe und besonders die Rätsel immer wieder aus dem Erzählfluss heraus. Die Kämpfe kann ich eher verzeihen. Sie sind kurzweilig und nach wenigen Minuten bereits wieder vorbei. Auch kommen sie nicht annähernd oft genug vor, dass ich «Hellblade 2» als Actiongame bezeichnen würde. Dafür besitzen sie auch nicht genug Komplexität. Es gibt einen schweren und einen leichten Angriff und ich kann ausweichen. Ausserdem lädt sich mit der Zeit mein Fokus auf. Wenn ich diesen aktiviere, verlangsamt sich die Zeit und ich mache mit den Feinden kurzen Prozess.

Die Kämpfe sind zwar wuchtig, ihnen fehlt aber jegliche Komplexität.
Die Kämpfe sind zwar wuchtig, ihnen fehlt aber jegliche Komplexität.
Quelle: Ninja Theory

Die Angriffsmuster der Gegner sind sehr einfach zu lesen und das Ausweichfenster ist grosszügig. Hinzu kommt, dass die Gegner brav nacheinander angreifen. Die Inszenierung ist dafür erstklassig. Zum einen sind die Gegner mit ihren Masken oder entstellen Gesichter, die meist nur schemenhaft zu erkennen sind, herrlich unheimlich. Zum anderen hat der Kampf mit dem Schwert ordentlich Wucht und ist dynamisch inszeniert. Da stecke ich mein Schwert einem Gegner in den Bauch, im nächsten Moment reisst mich jemand zu Boden und nur im allerletzten Moment kann ich ihm seine Axt entwenden und sie ihm in den Schädel rammen. Die Kämpfe laufen immer nach dem gleichen Muster ab, darum hätten es auch etwas weniger sein dürfen. Sie helfen aber dabei, die Brutalität der Welt zu transportieren.

Kaum etwas anfangen kann ich hingegen mit den Rätseln. Die meisten verdienen die Bezeichnung kaum. Meistens muss ich in der Umgebung bestimmte Symbole finden und sie aus dem richtigen Winkel anvisieren. Oder ich muss drei Kugeln sammeln, um ein magisch verschlossenes Tor zu öffnen. Um die Kugeln zu erreichen, kann ich mit grösseren Leuchtkugeln interagieren, die die Umgebung verändern. So wird eine Brücke plötzlich sichtbar oder eine Wand verschwindet. Die Rätsel sind so inszeniert, dass ich automatisch an die richtige Stelle geleitet werde und kaum überlegen muss. Bis auf wenige Ausnahmen hätte ich komplett auf sie verzichten können. Sie ziehen lediglich die Spielzeit in die Länge.

Die Rätsel sind sehr geradlinig und bieten wenig Abwechslung.
Die Rätsel sind sehr geradlinig und bieten wenig Abwechslung.
Quelle: Ninja Theory

Fazit

Kurz, packend und cineastisch

«Hellblade 2» nimmt dich mit auf eine verstörende und packende Reise durch das mystische Island zu Wikingers Zeiten. Realität und Visionen verschmelzen zu einem höllischen Trip, der Senuas innere Zerrissenheit perfekt einfängt. Nie ist klar, was echt ist und was Wahnvorstellung. Nach sechs bis acht Stunden ist das Abenteuer bereits zu Ende, aber viel mehr hätte mein Herz ohnehin nicht ausgehalten. Senuas Kampf gegen die isländischen Sklavenhändler, geheimnisvolle Riesen und ihre eigene Vergangenheit sind nervenaufreibend.

Das liegt vor allem an der beeindruckenden Inszenierung. Grafisch wie akustisch legt «Hellblade 2» die Messlatte verdammt hoch. Die sensationelle Grafik und der stimmungsvolle Soundtrack vermitteln die Emotionen von Senua und ihren Begleitern perfekt.

Meine einzige Kritik gilt den repetitiven Kämpfen, die zwar toll inszeniert sind, aber etwas zu oft vorkommen. Noch störender sind die anspruchslosen Rätsel, die den Spielfluss stören und eist einfach langweilig sind.

Diese Kleinigkeiten trüben die das Gesamterlebnis von «Hellblade 2» jedoch nicht entscheidend. Ninja Theory erzählt eine mitreissende und erwachsene Geschichte in einer surrealen Welt, die trotz ihrer Schrecken unfassbar schön anzuschauen ist. Wenn du auf cineastisch inszenierte Spiele mit packender Story stehst, greif zu.

«Senua’s Saga Hellblade 2» wurde mir von Microsoft zur Verfügung gestellt. Ich habe die PC-Version getestet. Das Spiel ist ausserdem verfügbar für Xbox Series S/X und kommt im Game Pass.

Pro

  • Audiovisuell wegweisend
  • Tolle Landschaften
  • Packend Inszeniert
  • Emotionale Geschichte

Contra

  • Repetitive Kämpfe
  • Anspruchslose Rätsel
  • Manchmal nicht lippensynchron
Microsoft Senuas Saga Hellblade II (Xbox Series X, Xbox Series S, PC)
50.– CHF

Microsoft Senuas Saga Hellblade II

Xbox Series X, Xbox Series S, PC

Microsoft Senuas Saga Hellblade II (Xbox Series X, Xbox Series S, PC)
Game (Download)
50.– CHF

Microsoft Senuas Saga Hellblade II

Xbox Series X, Xbox Series S, PC

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Als Game- und Gadget-Verrückter fühl ich mich bei digitec und Galaxus wie im Schlaraffenland – leider ist nichts umsonst. Wenn ich nicht gerade à la Tim Taylor an meinem PC rumschraube, oder in meinem privaten Podcast über Games quatsche, schwinge ich mich gerne auf meinen vollgefederten Drahtesel und such mir ein paar schöne Trails. Mein kulturelles Bedürfnis stille ich mit Gerstensaft und tiefsinnigen Unterhaltungen beim Besuch der meist frustrierenden Spiele des FC Winterthur. 


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