Kritik

«Roadcraft»: Strassen bauen in einer leeren Welt

Bei «Roadcraft» helfe ich, Katastrophengebiete wieder aufzubauen. Die Mischung aus Erkundung, Strassenbau und Waldpflege ist langsam und daher richtig entspannend. Einzig die leere Welt fühlt sich eigenartig an.

Vor ein paar Jahren hat auf Social Media ein Trend die Runde gemacht, an den mich «Roadcraft» stark erinnert. «Liminal Spaces» sind Zwischenräume, die vertraut wirken, aber meist komplett leer sind. Das Bild eines ausgeräumten Büros. Ein leeres Einkaufszentrum. Oder ein Kinderspielplatz ohne Kinder. Die Räume wirken zugänglich und zugleich surreal. Wie eine Schwelle zu einer Traumwelt.

Genau so fühlt sich «Roadcraft» oft an. Da ich die einzige Person auf einer vier Quadratkilometer grossen Karte bin. Die Prämisse ist dabei immer die Gleiche: Eine Naturkatastrophe hat das Gebiet verwüstet, ich stelle die Infrastruktur mithilfe einer Auswahl grober Gefährte wieder her.

Belag einbauen
Belag einbauen

Vom Pionier zum Polier

Zuerst gilt es, sich mit einem kleinen Offroadfahrzeug eine Übersicht zu verschaffen. Meine über Funk verbundene Auftraggeberin macht mir dann diverse Vorschläge, wie ich den Wiederaufbau angehen kann. Es gilt, Strassen und Brücken zu bauen, Fabriken wieder in Betrieb zu nehmen, Gaspipelines zu reparieren oder Stromkabel zu verlegen. All das geschieht ausschliesslich aus der Führerkabine diverser Gefährte. Ich kann Sattelschlepper, Kranen, Bulldozer oder Strassenwalzen freischalten und immer effektiver bauen.

Dabei macht «Roadcraft» einen Spagat zwischen Realismus und motivierendem Gameplay. Im Video oben baue ich mit meinem Kumpel Jerry eine Strasse. Dazu verlege ich zuerst ein Fundament aus Sand mit dem Kipplaster und verteile den Sand mit einem Bulldozer. Danach verteile ich den Belag mit einer Asphaltiermaschine und drücke ihn mit der Walze zur Strasse an. Das geht alles einfach von der Hand und bedeutet meistens, die selbe Strecke hinauf und hinunterzufahren.

Das Fundament aus Sand macht den Anfang.
Das Fundament aus Sand macht den Anfang.

Die grosse Leere

Diese Strassen baue ich etwa zwischen Fabriken und Dorfzentren, die von Stürmen oder Erdbeben verwüstet wurden. Orte, die komplett verlassen sind. Kein Mensch ist auf der Strasse, keine Arbeiter in der Fabrik. Erst wenn ich zwei Orte verbunden habe, kann ich Fahrzeuge automatisch auf einer von mir vorgezeichneten Route losschicken und so Geld oder andere Ressourcen sammeln. Menschlich verhalten sich diese Konvois nicht, sie fahren die vordefinierte Strecke ab. Ist diese blockiert, etwa durch meinen Kipplaster, hupt die Spitze des Konvois aggressiv. Mache ich nicht Platz, bricht der Konvoi ab.

Ein Lastwagen fährt auf der frisch geteerten Strasse.
Ein Lastwagen fährt auf der frisch geteerten Strasse.

Trotzdem macht die Arbeit in diesem Liminal Space Spass, da es unheimlich beruhigend ist, die verschiedenen Aufträge abzuarbeiten. Einen Podcast oder ein Hörbuch laufen lassen (der Soundtrack ist nicht der Rede Wert) und einen Auftrag nach dem anderen abzuarbeiten, wirkt enorm befriedigend. Wirklich schiefgehen kann nicht viel. Manchmal kippt der Kranlaster oder ich bleibe mit dem Kipplaster stecken. Dann lässt sich das Gefährt einfach zurück in die Garage beamen, und ich beginne wieder von vorn. Hast du alle Aufgaben abgeschlossen, schaltest du weitere Maps frei. Dank Nebenmissionen lohnt es sich, abgeschlossenen Karten nochmals einen Besuch abzustatten. Insgesamt sind acht Maps verfügbar, zwei weitere werden in einem DLC (Downloadable Content) folgen.

Mehr Leben dank Koop-Modus

Übrigens kannst du dank Kooperations-Modus maximal zu viert den Wiederaufbau starten. Das beschleunigt den Strassenbau ungemein, wenn man koordiniert genug vorgeht. Auch ist es möglich, gewisse Arbeiten automatisch ausführen zu lassen. Dann verlegt ein Lastwagen etwa das Fundament einer Strasse automatisch, damit ich nur noch den Belag aufsetzen muss.

Grafisch ist «Roadcraft» eine Wucht. Schlamm verformt sich realistisch, Pfützen werfen Wellen, wenn wir hindurchfahren. Dichte Wälder, karge Wüsten oder verfallene Dörfer wirken wunderschön und realistisch. Umso mehr erstaunt es, dass wir keine Menschen in dieser Welt antreffen. Auch Tiere suchen wir vergebens. Es ist, als wären wir die einzigen Überlebenden in einer postapokalyptischen Welt. Ein Strassenbau-Robinson-Crusoe auf der einsamen Insel. Der letzte unserer Spezies.

Roadcraft ist ab dem 20. Mai auf PC, Xbox Series X/S und Playstation 5 verfügbar. Die PC-Version wurde mir von Sabre Interactive zur Verfügung gestellt.

Fazit

Viel Inhalt in einer leeren Welt

Die Mischung zwischen Offroad-Erkundung, Strassenbau und Holzfällen macht «Roadcraft» zu einem sehr entspannten Erlebnis mit Suchtpotenzial. Oft habe ich mich dabei erwischt, wie ich «nur noch kurz» das Fundament einer Strasse anlegen wollte, um zwei Stunden später eine komplette Strasse asphaltiert zu haben. Dass die Welt dabei leerer ist als Trapattonis Flaschen ist im ersten Moment etwas verwirrend. Ein paar Menschen würden dem Spiel guttun.

Pro

  • viel Inhalt für wenig Geld
  • motivierendes Gameplay
  • Koop-Modus für bis zu vier Personen
  • grafisch schön gestaltete Level
  • grosser Fuhrpark

Contra

  • leere Spielwelt
  • teilweise sehr langsames Gameplay
astragon PS5 Roadcraft (PS5)
Game
Neu
CHF39.–

astragon PS5 Roadcraft

PS5

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Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell. 


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