

Microsoft Teams Tablet: Die Jagd nach den verlorenen Sekunden

Das Lenovo ThinkSmart sieht blöd aus und klingt im Konzept behämmert. Aber es zeigt, dass Microsoft und Lenovo sich eines bewusst sind: Zeit ist Geld.
Microsoft, Traditionsbetrieb des Computings, hat mit dem Urgestein des Computings, Lenovo, zusammengespannt und ein Gerät frisch aus den 1990ern entworfen, designed und auf den Markt gebracht. Das Lenovo ThinkSmart View ist eine Art Tablet, das nichts anderes macht, als Microsoft Teams darzustellen.
Und Cortana auch. Sprich: Ein Gerät, das dir dein Chef auf den Tisch stellt und dich dazu zwingt, es zu verwenden, da du nicht effizient und schnell genug auf seine depperten Teams Messages antwortest.
Danke, Microsoft. Danke, Lenovo.
Trotz allem existentialistischem Horror, der im Gerät verbaut ist, zeigt die Maschine, was Android ist und sein kann. Und gibt Einblick in die Welt der B2B-Preispolitik und etwas, was Unternehmen oft unterschätzen: Die Kosten der Zeit.
Das Tablet, das keins ist
Das Lenovo ThinkSmart View ist eine Art Tablet. Angetrieben wird es von AOSP 8.1, also Software aus dem Jahre 2017. Es kann in etwa das, was ein Tablet kann, nur weniger. Genau das ist es, was das Gerät sowohl lächerlich wie auch spannend macht. Denn Android ist nicht, wie oft angenommen, eine Software, die immer alles können muss, sondern etwas, das angepasst werden kann. Das ist der Grund, warum Android auf Smartphones und Tablets immer etwas halbfertig wirkt. Android ist kein Betriebssystem, es ist eine Plattform.

Wenn du Features und Applikationen entfernst, dann erlaubt dir das als Entwickler, weniger performante Hardware zu verbauen. Das ThinkSmart kommt darum mit einen Qualcomm Snapdragon 624 System-on-a-Chip (SoC) daher, einem SoC aus dem Jahre 2018.
Die wundersame Preispolitik des B2B
Die weniger performante Hardware und alte Software könnte sich auf die Preisgestaltung niederschlagen. Denn wenn du nur eine Applikation, oder vielleicht auch zwei Apps, unterstützen willst und so bei der Hardware sparst, dann kostet das Gerät nie und nimmer so viel wie ein Flaggschiff-Smartphone.
Es sei denn, du bist Lenovo. Dann kostet dich das ThinkSmart View in etwa so viel wie zwei Tablets für den privaten Gebrauch im Wohnzimmer oder auf dem WC. Nur, dass das ThinkSmart View nicht für Endverbraucher gemacht ist. Es ist gemacht für Businesses, was die Preise automatisch in die Höhe treibt. Denn wenn du Stakeholder in einem Milliardenunternehmen bist, dann interessieren dich ein paar Tausend Stutz nicht. Vor allem dann nicht, wenn die Zeitersparnis sich allermindestens die Waage mit dem finanziellen Aufwand für ThinkSmarts hält.

Denn da liegt ein Fehler, den viele Unternehmen begehen: Die Zeit deiner Mitarbeiter kostet. Das «Ist ja nur ein zusätzlicher Klick da und einer dort»-Argument darf in einem modernen Unternehmen nicht ziehen. Denn viele dieser «Ein Klick da und ein Mail dort»-Aktionen sind nicht einmal eines Praktikanten in der ersten Dienstwoche würdig, vor allem dann nicht, wenn sie Teil des normalen Arbeitsprozesses sind. Denn ein Praktikant hat auch Skills und einen Marktwert, der weit mehr als blödsinniges Klicken ist.
Etwas konkreter: Ein KV-Angestellter in der Stadt Zürich verdient 5634 Franken pro Monat, was bei einer 42-Stunden-Woche einen Bruttolohn von 33.53 Franken pro Stunde ergibt. Daraus lässt sich ableiten, dass ein Unternehmen nicht nur die Leistung eines Arbeiters entlöhnt, sondern vor allem dessen Zeit. Jene Zeit, die der Arbeiter damit verbringt, zu arbeiten. Klingt banal. Hilft aber zu verstehen, weshalb es im Interesse des Unternehmens ist, dass ein Arbeiter diese Zeit möglichst effizient und produktiv verbringt. Die Entlöhnung der Leistung kommt später in Form von Boni.
Vereinfacht ausgedrückt: Je mehr Effizienz und Optimierung im Arbeitsalltag, desto mehr lässt sich in dieser Zeit erledigen, desto mehr Überstunden lassen sich vermeiden und desto mehr Geld spart ein Unternehmen. Und wenn dies in Form eines abgespeckten, langsamen Tablets geschehen kann, da es eine spezifische Funktion gezielt erfüllt, dann sei das so. In Lenovos Fall die einfachere Kommunikation. Am Ende des Gedankengangs ist dann die Zeitersparnis, die Geld spart..
In der theoretischen Rechtfertigungsrechnung eines Unternehmens braucht es wenig, bis sich der vergleichsweise hohe Preis eines ThinkSmarts rechtfertigt. Ein Entscheidungsträger eines Unternehmens muss also nur eine Zeitersparnis von aufgerundet 10 Stunden in Ausblick haben, damit sich ein Gerät wie das Teams Tablet für 300 Franken lohnt. Plus ein paar Stunden der Eingewöhnung und des Trainings, sagen wir also plusminus 20 Stunden Ersparnis. Damit hat der effizientere Mitarbeiter die Kosten für das ThinkSmart bereits wieder eingespielt.
Daher: Dinge wie das ThinkSmart View auf dem Tisch. Denn wenn ein Meeting via Teams oder Zoom geschehen muss, dann wird nicht nur die Zeit einer Person verschwendet, sondern die aller Teilnehmer des Meetings. Jede Minute kostet also nicht nur 55 Rappen, wie bei der KV-Person, sondern weit mehr, wenn Manager involviert sind. Dann ist das gut und gerne mal 1.50 Franken pro Minute. Managerlöhne sind leider schwer festzustellen ohne in die Fantasterei abzudriften, daher bin ich mal von «Mitarbeiter multipliziert mit drei» ausgegangen, was ich als konservativ erachte. Meiner Rechnung folgend rechtfertigt sich das ThinkSmart View bereits nach 3:20 Stunden Zeitersparnis. Damit sind die 300 Franken für das Tablet bereits amortisiert.
Im Kontext eines Milliardenunternehmens ist ein ThinkSmart View daher nicht allzu teuer.
Teams: Das bessere Skype
Auf der Hardware, die 300 Stutz ohne Mehrwertsteuer kostet, läuft vor allem Microsoft Teams, der Nachfolger Skypes. Der Fehler: Teams wird zu oft wie Skype verwendet. Bisschen Chat hier, bisschen Telefonie da.
Trotz der User: Die Engineers bei Microsoft arbeiten daran, die Software so effizient wie möglich zu gestalten. Da sind Schnittstellen zu allen grossen Planungstools wie Atlassians Jira für Programmierer oder Adobes Creative Cloud. Auf Effizienz getrimmte Features dieser Tools können in Teams integriert werden. So kannst du Notifications erhalten, wenn eine andere Abteilung deines Unternehmens etwas erledigt hat, was ihnen das Mail von wegen «Liebster Mitarbeiter, danke für dein geschätztestes Feedback. Der Job ist nun erledigt» erspart. Oder alptraumartige Prozesse wie «Schreib nach Abschluss der Michelle vom Accounting, ausser es ist Dienstag, weil dann hat sie glaubs Handball am Nachmittag, dann dem Tom. Tom ist aber in den Ferien, weshalb du ziemlich sicher der Andrea schreiben musst. Frag mal den Chef, wer da jetzt zuständig ist.»

Arbeit fertig. Teams schickt Notifications an relevante User. Ende. Kurz: Microsoft Teams kann fliegen, wenn es richtig konfiguriert ist. Denn an APIs mangelt es dem Teil nicht. Sogar firmeneigene Programme können eingebunden werden. Bei digitec haben wir irgendwelches Migros-Gedöns integriert. Das ist dann auch so das meiste, was ich in Punkto Migros in meinen Jahren hier mitgekriegt habe.
Das erklärt auch die weite Verbreitung des grossen Video-Call-Konkurrenten Zoom, der nicht nur gratis ist, sondern die hardwareseitige Philosophe des ThinkSmart Views auf Software herunterbricht. Zoom ist so etwas wie das Anti-Teams. Kaum Features, kaum Konfigurationsmöglichkeiten, keine Integrationsmöglichkeiten, dafür aber einfach zu bedienen und schnell benutzbar. Das spart Zeit und Ärger.
Damit ist das ThinkSmart Views dann auch erklärt. Es spart Zeit, indem es nur eine Funktion erledigt. Oder halt zwei. Die dafür gezielt und effizienter als die bisher beste Lösung. Ein Gerät wie das ThinkSmart View spart Ärger. Es ist ein Werkzeug, das einen einzigen Job hat, kein Alltagsgegenstand für das Wohnzimmer. Und angenommen, Teams und andere Software in deinem Unternehmen sind richtig konfiguriert und Prozesse richtig automatisiert, dann ist das Wohnzimmer genau der Ort, an dem du mehr Zeit verbringen kannst.


Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.