
Hintergrund
Sicherheitswarnung: Meitu – Die App schleudert deine persönlichen Daten nach China
von Dominik Bärlocher
Das Huawei P30 Pro und dessen kleine Schwester, das P30, sind Realität. Die Specs klingen zwar arg bekannt, aber das ist nicht das Spannendste an der Pressekonferenz in Paris.
Glasfassade. Geschwungene Dachelemente. Weiss. Modern. Das Paris Convention Centre in der französischen Hauptstadt weckt den Gedanken an Funktionalität, Moderne, Geschwindigkeit. Für die Journalisten, die aus aller Welt an den Launch des Huawei P30 und dessen grosser Schwester, dem Huawei P30 Pro, ist ein Satz auf der Website des Centres wichtig: «Now a free-standing conference centre, it will provide space for the very largest events.»
Platz ist an den Events Huaweis immer Mangelware. Videoproduzentin Stephanie Tresch und ich sind uns gewohnt, irgendwo auf einer Treppe zu sitzen und zu arbeiten. Oder den Kamerakoffer als Pult zu missbrauchen, ich tippend und Stephanie mit ihrer Sony a7iii zwischen Reihen von Journalisten hin- und herhuschend. Denn an solchen Events ist sie Fotografin, Videografin, Journalistin. Ich höre zu und schreibe live mit.
Heute haben sich mehrere Tausend aus der ganzen Welt eingefunden. Nachdem wir einige Clips von scheinbar zufällig ausgewählten Menschen angesehen haben, alles Eigenlob für Huawei, hoffen wir darauf, dass es endlich los geht. Der Verdacht kommt aber auf: Huawei will heute nicht nur ein Smartphone zeigen, sondern auch das eigene Image etwas aufpolieren.
Dann der Moment auf den die Tausenden gewartet haben: Huaweis CEO Richard Yu betritt die Bühne.
Der CEO der Consumer Business Group Huaweis, Richard Yu, ist ein charmanter Mann. Sein Englisch ist nach wie vor nicht das beste, aber mit seinem schamlos wirkenden Enthusiasmus macht er das easy wett. Selbst wenn wir nicht ganz alles verstehen. Manchmal spricht er «A»" als «Ei» aus, dann korrigiert er sich zu «Ey Ai». Wenn es um versuchte Imagepolitur geht, dann könnte sich Huawei theoretisch die Clips sparen und einfach Richard Yu erzählen lassen.
Mit dem Kirin 980 will Huawei nicht einfach nur dem Durchschnittsnutzer den Tag etwas einfacher gestalten. Eine Initiative namens Track AI soll vor allem Kindern helfen, die nicht aktiv kommunizieren können. Ein erster Schritt hat das Unternehmen im vergangenen Winter gemacht, als eine AI-betriebene Lösung die Zeichensprache für alle zugänglich gemacht hat, indem ein Avatar in Echtzeit Gesprochenes in Zeichensprache übersetzt.
Richard Yu blickt aber nicht auf die aktuelle Situation mit der US-amerikanischen Regierung. Oder auf die Situation der Firma. Keine Daten über Erfolg, kein Wort über die Strategie des Unternehmens. Nichts. Das ist höchst unüblich, denn es ist Sitte, dass an solchen Events die CEOs und Hochrangigen auf der Bühne über die Geschicke ihres Unternehmens berichten. Heute aber nicht.
Aber die Spionageaffäre ist so ein Thema, das die Journalisten beschäftigt. Wir erinnern uns, stark vereinfacht: US-Präsident Donald Trump tweetet etwas von wegen «Huawei böse». Die Legislatoren verbannen Huaweis Geräte aus den USA. Akute Spionagebedenken werden geäussert. Daten sollen nach China abfliessen. Skandal.
Das ist aber nur die kurze Version einer Geschichte, die im Jahre 2003 erstmals Wellen geworfen hat. Damals ist Huawei erstmals international der Diebstahl von geistigem Eigentum vorgeworfen worden. Dazu kommen immer mal wieder Vorwürfe von wegen Spionage, da in China aufgrund der politischen Situation kein Unternehmen 100% regierungsunabhängig operiert. Die Regierung kann, so der internationale Konsens, Firmen zur Mithilfe bei der Informationsbeschaffung herbeiziehen und die Firmen müssen spuren.
Dazu schreibt das chinesische Gesetz vor, dass chinesische Smartphone-Hardware- und -Software-Hersteller auf dem chinesischen Markt Metadaten seiner User sammelt.
Bei Huawei sollen die Verbindungen zur Regierung aber stärker sein als bei anderen Firmen. Der Firmengründer Ren Zhengfei war einst hochrangiges Mitglied der chinesischen Volksbefreiungsarmee.
Im Frühjahr 2018 dann haben die amerikanischen Geheimdienste vor der Verwendung von Geräten aus dem Hause Huawei und ZTE gewarnt. Dies, obwohl es keine konkreten Hinweise oder Beweise auf Datenfluss nach China gibt. Seither weht Huawei, genau wie anderen chinesischen Herstellern, ein harter Wind entgegen. International werden Gesetze unterzeichnet, die es Regierungsangestellten verbietet, Geräte von bestimmten Herstellern zu kaufen und zu besitzen. Zwei Huawei-Mitarbeiter sind verhaftet worden. CFO Meng Wanzhou in Kanada und ein weiterer Mitarbeiter in Polen. Der Verdacht: Spionage. Die Beweise: Ausstehend.
Diesem Druck begegnet Huawei gar nicht. In Paris geht es um ein Objekt und nur um das: Das Huawei P30 Pro. Und so bitzli um das P30.
Trotz der eher kargen Pressekonfernz und den internationalen Spannungen warten die Journalisten im Convention Centre nicht auf eine Stellungnahme Richard Yus, sondern auf ein neues Smartphone. Denn, so scheint der Konsens, Selfies sind wichtiger als Spionagevorwürfe. Bin ich jetzt nur bedingt einverstanden damit.
Das Huawei P30 und dessen grosse Schwester, das Huawei P30 Pro, laufen auf dem Kirin 980 System on a Chip und brüsten sich mit der Kamera. Das klingt sehr ähnlich wie die Vorstellung des P20 Pro, ausser, dass aus den drei Kameras vier geworden sind. Die vierte Linse ist eine Time-of-Flight-Kamera (TOF), die noch besser Distanzen abmessen und so noch besser ausrechnen kann, was wo und wie weit entfernt ist. Sonst, okay grosser Akku und all das.
«We bring you exquisite design», sagt Yu. Er haspelt kurz die Specs runter, dann ein Werbeclip. Ruhige Musik, so ganz unpassend zur aggressiven Marktstrategie, die das Unternehmen mit dem Gerät fährt. Denn wenn du dir eines kaufst, dann kannst du gratis eine Sonos One Box dazu erhalten, wenn du dich auf Huaweis Seite registrierst. Eine grössere Kampfansage gibt es in diesem Frühjahr wohl nicht.
Speziell ist der Lautsprecher des Geräts: Dieser ist nicht ein Lautsprecher im traditionellen Sinne, sondern ein Apparat, der den Bildschirm zum Schwingen bringt. Die Technologie klingt von Sonys TV-Technologie her bekannt. Funktioniert das auch auf Smartphones? Der Vorteil beim Bau des Phones aber ist, wenn du einen Schwingkörper verbaust, dass du weniger Notch verbauen musst. Der war vor allem beim Mate 20 Pro vom vergangenen Herbst recht prominent.
Ein echter Hingucker aber ist nicht der gebogenen OLED-Bildschirm, der besonders dünn sein soll, sondern die Farbgebung «Breathing Crystal». Sie sei inspiriert von Salzseen. Der Effekt gleicht dem des ehemals Twilight genannten Farbtons, ist also eine Art Farbverlauf. Twilight ist Geschichte, übrigens. Neu heisst das Aurora und gleicht von der Farbe her einer Dose Sprite. Lustigerweise wird das Orangerot vom Publikum mit Applaus bedacht, der Rest scheint so gewohnt zu sein.
Die Kamerasoftware und -hardware ist verbessert worden. Das laut Yu massiv. Denn der Zoom des P30 Pro sei 5x optisch. Wenn das Hybrid-Zoom-System greift, dann sind wir bei 10x, und wenn digital und mit AI nachgeholfen wird bei 50x. Die Bilder, die Richard Yu hinter sich auf der Leinwand zeigt, sind beeindruckend. Sehr beeindruckend sogar. Die Präsentation des Kamerasystems dauert an. Viel wird versprochen. Was Richard Yu nicht weiss und Stephanie und ich etwa zeitgleich feststellen: Wir testen das. Alles. Jede Behauptung. Denn wenn auch nur die Hälfte stimmt, dann räumt das P30 Pro ab. Ohne Frage.
Die Frage, ob das P30 Pro tatsächlich hält, was es verspricht, finden wir so ansatzweise heute Abend raus. Denn sobald wir hier aus dem Centre draussen sind, fassen wir Testgeräte. Dann werden wir uns ganz den Phones widmen und melden uns in der Nacht wieder. Wenn du Fragen hast, oder etwas bestimmtes wissen willst, dann lass es uns wissen. Wir werden dir, sofern möglich, eine Antwort liefern.
Bis später.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.