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«Horizon Forbidden West» im Test: Viel Spektakel, aber auch einige Tiefpunkte

Der Nachfolger zu «Horizon Zero Dawn» begeistert mit beeindruckender Technik und einer lebendigen Welt. Die Story überzeugt weniger, genauso wie gewisse Open-World-Banalitäten.

Story kommt zu spät in Fahrt

Kommt hinzu, dass das Spiel zahlreiche Klischees bedient:

  • Ein Bossgegner schleudert mich lieber weg, anstatt mich zu töten, wenn er mich gepackt hat. Passiert gleich zweimal
  • Der Gegner ist mir immer einen Schritt voraus.
  • Zur Rettung der Welt gibt es einen einfachen, aber irre kompliziert erzählten Plan mit jeder Menge Fantasiebegriffen.

Im Gegensatz zum ersten Teil, der den Vorteil einer Ursprungsgeschichte geniesst, mangelt es «Forbidden West» an Ansporn. Die Bewohner leben ungetrübt vor sich hin und die Welt ist bunt und voller Leben. Ich gehe dann wohl mal ein bisschen die Welt retten. Das fühlt sich in etwa so an, wie wenn ich im Jahre 2022 auf Instagram Feed checke. Macht man halt so.

Auch Aloy bleibt blass. Nach über 30 Stunden kann ich dir kaum etwas über sie erzählen. Ausser vielleicht, dass sie das Gefühl hat, nur sie alleine kann die Welt retten. Und dass sie gern zu sich selber flüstert und eine Körperhaltung wie eine Banane hat. Die rothaarige Kriegerin wirkt immer leicht resigniert und desinteressiert. Das überträgt sich auf mich beim Spielen.

Besser verhält es sich mit den Bekanntschaften, die du unterwegs machst. Die sind zwar kurzweilig, aber überraschend facettenreich. Viele sind mir in guter Erinnerung geblieben, wie der eine Koch, der nur dank mir seinen legendären Eintopf zubereiten konnte. Beim Gedanken an die Zubereitung bekomme ich gleich wieder Hunger. Wie ging das nochmal? Wildschwein, Frostbeeren und frische Zwiebeln?

Beeindruckende Welt, aber etwas statisch

Der eigentliche Star des Spiels ist nebst den Robo-Dinos die Welt. Game-typisch decken die weitläufigen Gebiete alle gängigen Biome ab: Von sandigen Dünenlandschaften, über verschneite Berge, dichten Dschungel, bis zu den malerischen Stränden in den Ruinen von San Francisco ist alles dabei. Auch die Bunker, in denen die Maschinen produziert werden, sehen wieder herrlich alienartig aus, als wär ich geschrumpft und in einem Supercomputer gelandet.

«Forbidden West» ist optisch eines der beeindruckendsten Spiele, das ich je gespielt habe. In welcher Kadenz Entwickler Guerilla Games atemberaubende Vistas hervorzaubert, ist ein Hochgenuss. Besonders die Lichteffekte zu verschiedenen Tageszeiten, wenn die Abendsonne durch den Dschungel strahlt, lassen mich jedes Mal kurz innehalten. Leider gibt es auch ein paar Schönheitsfehler – so fallen einige der Startgebiete im Vergleich zum Rest der Welt deutlich ab.

Während die Welt optisch die Sinne vernebelt, habe ich trotzdem das Leben vermisst. Ausserhalb der Siedlungen oder Camps treffe ich keine Menschenseele. Da gibt es nur Maschinen, Maschinen und noch mehr Maschinen. Ich kann keinen Schritt gehen, ohne von einer Robo-Dino-Ansammlung in die nächste zu stolpern. Das fühlt sich nicht wie eine pulsierende Welt an, sondern eben doch nur wie ein Game.

Hier ist das Bild in Originalgrösse

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Das ist aber alles Meckern auf hohem Niveau. Die Welt ist das, was mich jeden Tag aufs Neue vor den TV gelockt hat. Ständig gibt es etwas Neues zu bestaunen. Bis zum Schluss konnte ich mich an den vielen Details, den geschmeidigen Animationen und der schönen Aussicht nicht sattsehen.

Viele Möglichkeiten, aber auch viel Repetition

Können wir diese Mechanik bitte langsam zum alten Eisen legen? Praktisch jedes Openworld-Spiel besitzt heutzutage eine Klettermechanik. Ich habs wirklich satt, immer und überall rumkraxeln zu müssen – egal, wie schnell es geht. Entweder ist es ein zentraler Aspekt des Spiels wie in «Dying Light» oder dann lasst es doch bleiben oder setzt es wenigstens punktuell ein.

Ein weiteres Openworld-Klischee ist der Enterhaken. Den kann Aloy an bestimmten Stellen einsetzen, um sich hochzuziehen. Der Gleiter fehlt ebenso wenig: Damit stürze ich mich nicht selbstmörderisch von den Felsen, sondern gleite elegant zur nächsten Aufgabe.

Wortwörtlich erfrischend ist die Ergänzung, tauchen zu können. Keine Innovation, aber für hübsche Unterwasserwelten bin ich immer zu haben. Entspanntes Tauchen ist aber nicht immer angesagt, denn es gibt auch Maschinen, die schwimmen können. Schade nur, dass du Unterwasser nicht kämpfen kannst.

Ach ja, ein Minispiel darf natürlich auch nicht fehlen. Es nennt sich «Strike» und ist eine Art Schach mit Maschinen. Es ist erstaunlich taktisch ohne kompliziert zu werden. Wirklich Zeit dafür habe ich mir aber selten genommen.

Bugs

Weil das Spiel zum Glück Autospeicherstände anlegt, ist das alles kein grosses Problem und das meiste dürfte zum Launch behoben sein.

Fazit: Gutes Spiel, aber ich erwarte mehr

Wenn ich viel nörgle, dann liegt es daran, dass «Horizon Zero Dawn» ein überragendes Spiel war und ich hohe Erwartungen an den Nachfolger hatte. Die wurden nur zum Teil erfüllt. Visuell ist «Horizon Forbidden West» eine absolute Wucht – für mich einer der stärksten Motivatoren, die Welt zu erkunden. An den üppigen Landschaften und den beeindruckenden Lichteffekten zu den verschiedenen Tageszeiten werde ich mich nie sattsehen.

Auch die Siedlungen der Stämme sind äusserst kreativ und lebhaft gestaltet. Jeder Stamm hat eine ganz eigene Identität. Schade nur, tragen sie das Leben nicht auch in die Welt ausserhalb ihrer Palisaden hinaus.

Immer noch beeindruckend, wenn auch nicht mehr ganz wie beim ersten Teil, sind die Kämpfe gegen die Maschinen. Besonders in Momenten, wenn ein 30 Meter langes Krokodil an dir vorbeischwimmt oder ein haushohes Mammut auf dich zustürmt, flammt Begeisterung auf. Die Kämpfe sind frenetisch und voller Explosionen und machen viel Laune. Sie sind nur etwas zu häufig und hätten etwas mehr Taktik vertragen.

Unterm Strich sieht «Horizon Forbidden West» umwerfend aus, aber das Gameplay und die Geschichte können nicht ganz mithalten. Ich hatte eine gute Zeit auf dieser lauschigen Monstersafari, aber die Erinnerung daran dürfte schneller verblassen als bei Aloys erstem Abenteuer.

Wie heissen nochmal die Begleiter der neuen Story?

«Horizon Forbidden West» ist erhältlich für PS4 und PS5. Ich habe eine PS5–-Vorab-Version getestet, die mir Sony zur Verfügung gestellt hat.

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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 


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