
Honor 10: Die zweite Angriffswelle auf die Top 5

Ist es ein Abklatsch des Huawei P20? Ist es ein eigenständiges Phone? Das Honor 10 wirft Fragen auf, sieht aber verdammt gut aus und leistet viel für den Preis.
London bietet viel. 24 Stunden am Tag. Doch heute steht ein Teil der Stadt im Zeichen der chinesischen Smartphone-Marke Honor. Denn nahe der London Bridge zeigt der Hersteller das Honor 10, den Nachfolger des Honor 9, das Videoproduzent Manuel Wenk nach wie vor im Alltag begleitet. Das neue Phone soll das Pendant zum Huawei P20 und dem P20 Pro sein, meinem steten Begleiter im Alltag.
Honor ist sich diesmal sicher: Alles ist besser mit Laser. Daher gesellen sich zu den wummernden Bässen der Werbemusik und dem Track, der wohl den Titel «We are the Brave» trägt, eine Batterie Laserlicht am River Thames. Es soll, stellt sich später heraus, an die Aurora Borealis erinnern.
Der Slogan des Honor 10: Beauty in AI, oder verhashtagged, #beautyInAI.
Honor gibt sich die Ehre
George Zhao, Präsident Honors, betritt die Bühne. Sein Englisch ist noch immer nicht das beste, seine Begeisterung für sein Phone aber nach wie vor ungebrochen. Er spricht über die Strategie der Firma. Global will Honor in den Top 5 der Smartphone-Marken sein, binnen drei Jahren. In fünf Jahren will Honor zu den Top 3 gehören. Die aggressive Strategie, die im Dezember begonnen hat, ist ambitioniert, zahlt sich aber laut Zhao aus. In England sei die Marke um 200% gewachsen seit dem Announcement der Strategie. Dafür ist das View 10 verantwortlich.
- Russland: Rang 3, 11.5% Marktanteil
- Indien: Rang 5
- Global 100% Wachstum
In China belegt Honor Rang 1 bei den Smartphone-E-Brands. Eine E-Brand ist eine Marke, die ihre Produkte nur online vertreibt. Zugegebenermassen ein ziemlich kleines Marktsegment. Da fällt mir die Aussage von Simone Giertz ein, Erfinderin nutzloser Roboter.
...because as we all know, the easiest way to be at the top of your field is to choose a very small field.
Übersetzung: Wie wir alle wissen, ist der einfachste Weg, die Nummer eins in einem Feld zu sein, sich ein sehr kleines Feld zu suchen.
Ein paar Worte zum Design
Pierre-François Dubois betritt die Bühne. Er ist es, der laut Zhao dafür verantwortlich ist, dass die Marke von den Farben schwarz/weiss/gold wegkommt. Bei Honor hat die Farbe Blau zwar immer schon eine grosse Rolle gespielt, aber auch die hat sich im Laufe der Jahre zum Usus entwickelt. Eine neue Idee musste her.
Diese neue Idee heisst Mirage. Genauer gesagt Mirage Blue oder Mirage Purple. Das ist ein Blau- und ein Violettton, der die Farbe ändert, wenn das Licht einfällt. Aber Dubois auf der Bühne ist sich nicht sicher, ob das Ding jetzt Aurora oder Mirage heisst. Das Problem mit den Farbnamen: Keiner wird das Phone jemals Aurora Blue nennen. Oder Mirage Blue. «Das Phone ist blau». Egal, ob jetzt die Farben in 36 verschiedenen Tönen leuchten können. Dazu soll das Teil noch bruchfester sein, obwohl es aus Glas besteht, vorne wie hinten.
George Zhao schafft Klarheit: «Phantom Blue» und andere Phantom-Töne. Phantom Green, Phantom Blue, Midnight Black und ein Grauton. Glacier Grey.
Die Kamera wird schlau
Wie die Huawei-Phones des Quartals macht Honor mit dem Honor 10 die Kamera schlauer, verpasst ihr künstliche Intelligenz, und da kommen die Erinnerungen an Huawei hoch. Sehr stark sogar. Der Werbefilm gleicht dem der Schwestermarke, die auch Muttermarke sein kann, aufs Haar.
Nach wie vor ist nicht ganz klar, was Honor mit der aggressiven Strategie versucht. Denn wie heisst es so schön? «Beiss nie die Hand, die dich füttert.» Honor beisst wieder in Richtung Huawei. Denn Honor nutzt die Hardware sowie die Software Huaweis, macht dann ein Phone, das mit dem von Huawei verglichen werden kann und verlangt dafür nur etwa halb so viel Geld. Wenn das kein Biss in die Fütterhand ist, dann weiss ich auch nicht.

Aber offensichtlich geht die Strategie auf. Zudem: Wir gehen dem auf den Grund. Redaktorin Livia Gamper wird das P20 und das Honor 10 direkt vergleichen.
Fotograf Ray Collins, seines Zeichens Wellenfotograf – ja, sowas gibt's offensichtlich –, ist laut George Zhao an der Entwicklung der Kamera beteiligt gewesen. Denn sein Job hänge davon ab, dass er eine Millisekunde, einen kleinen Moment, einfängt, der nie wieder kommt.
Die künstliche Intelligenz wird wie beim Huawei P20 mit der Neural Processing Unit erreicht. George Zhao erklärt, wie die künstliche Intelligenz (AI) hilft: Farben werden satter, das Honor 10 könne eine Art Green Screen live generieren. Die selbe App auf einem Samsung Galaxy S9, wie Zhao auf der Projektion hinter ihm zeigt, könne nicht mithalten. Rund um einen Tänzer mache die Kamera immer noch Fehler und zeige statt einem Waldbrand als Hintergrund immer noch das Zimmer, in dem der Tänzer tanzt. Doch nur dort, wo der junge Mann tanzt. Sprich, das Phone scheitert daran, dass es die Bewegung des jungen Mannes nicht schnell genug erkennt. Ob es sich auf der Leinwand aber tatsächlich um Footage eines Galaxy S9 handelt, muss Zhao einfach geglaubt werden. Doch über das Resultat des Honors kann nicht diskutiert werden.
Die Hardware in Kürze:
- 24 Megapixel Hauptkamera mit f/1.8 Blende, dazu eine 16 MP Zweitkamera
- 24 Megapixel Selfie Cam
- Automatische Erkennung von über 500 Szenarien in 22 Kategorien und automatische Bildoptimierung
Dazu segmentiert das Honor 10 die Bilder, die mit der Kamera geschossen werden. Das heisst, dass die Kamera nicht nur eine Szene pro Bild erkennt, sondern mehrere Szenen per Bild. Himmel, Tier, Mensch und grüne Wiese können auf einem Bild erkannt werden. Danach optimiert das Phone die Bilder in Segmenten und so sollen noch hübschere Bilder herauskommen.
Der Kopfhörer-Jack ist zurück
Hardwareseitig unterscheidet sich das Honor 10 nebst der Farbgebung in nur wenigem vom P20. Notch, Fingerprint Scanner vorne. Dazu aber ein Kopfhörer-Jack, den einige Altbackene immer noch vermissen.
Dazu öffnet Honor die Tore für eigene Designs. Im App Store Honors wird es Themes zum Download geben, die deinem Phone einen ganz neuen Look verpassen können. Die auf der Bühne gezeigten Designs orientieren sich klar an den Phantom-Farben der Phones, versuchen die Nordlichter zu emulieren. Das gelingt dem Phone nicht. Nicht, weil die Farbe nicht schön ist oder weil der schimmernde Effekt nicht beeindruckt, nein, sondern weil die Nordlichter schlicht nicht nachmachbar sind. Wenn du die Nordlichter siehst, dann fühlst du etwas. Es sind nicht nur schöne Farben oben am Himmel, sondern etwas in dir. Der Himmel, den du so gut zu glauben kennst, sieht falsch aus. Du erwartest ein Geräusch, hörst aber nichts. Und trotzdem stehst du in der isländischen Nacht und starrst in den grünen Himmel, findest ihn wunderschön und du lernst die Welt anders kennen. Dein Himmel wird nie wieder der selbe sein. Mit diesem Effekt kann ein Smartphone einfach nicht mithalten, egal, wie sehr die Designer das versuchen.

Kleiner Ausflug beiseite: Die Farben am Phone sind trotzdem beeindruckend. Im Kontext der Smartphone-Farben definitiv ein Hingucker und wenn dir schwarz/weiss/gold zum Hals heraushängt, dann dürftest du bei Honor sicher fündig werden. Ausser du willst Twilight, den Farbton Huaweis, der vor einigen Monaten beeindruckt hat. Es ist schön zu sehen, dass die Smartphone-Szene wieder etwas mutiger wird. Hersteller lehnen sich zum Fenster heraus, sowohl mit Technologie, wie auch mit Designs. Das macht den Markt interessant und dein Phone wird nicht einfach nur ein Rechteck mit abgerundeten Ecken sein.
Die Roboterapokalypse naht!
Nachdem George Zhao weiter über die Kamera spricht, lässt er den Vorboten der Roboterapokalypse sprechen. Der laut Hersteller dem am Menschen am nahesten kommende Roboter Sophia, entwickelt vom Chinesischen Konzern Hanson Electronics, erzählt über das Honor 10. Kennst du das Uncanny Valley? Das ist der Effekt, der entsteht, wenn etwas sehr menschlich aussieht, aber nicht ganz menschlich ist. Du merkst das instinktiv und es gruselt dich. Das ist Sophia. Es ist nicht ihre Glatze mit der durchsichtigen Schädelplatte, sondern ihre Bewegungen. Sie sind falsch. Aber der Vorbote Skynets schwärmt für das Honor 10. Ich schwärme für Elektromagnetische Impulse.

Sophia gibt sich roboterartig unbeeindruckt ob meiner Gänsehaut und erzählt von der Selfie Cam. Diese ist ebenfalls mit Funktionen der NPU verbunden und leistet viel in Punkto automatischer Gesichtserkennung. Augen werden erkannt, auf Haare, die ins Gesicht fallen, wird geachtet und das Selfie wird entsprechend optimiert. Sophia geht immer noch nicht in Flammen auf, aber ihre unheimliche Roboterfratze wird durch Hammer-Selfies ersetzt.
Weitere Specs in Kürze

- Face Unlock
- Gesten auf dem Fingerprint Scanner
- Ultraschall Fingerprint Scanner, der auch mit nassen Fingern funktioniert
- Spiele auf dem Lock Screen
- Android 8.1
- Emui 8.1
- Party Mode 2.0: Bis zu sieben Phones können via Bluetooth verbunden werden und so ad hoc ein Audio-Netzwerk erstellen
- 64 oder 128 GB interner Speicher
Am Ende bleibt der Kurztest in der Hands-on Area Honors. Natürlich sieht das Phone da super aus. Es ist zwar etwas düster, was ich vor allem im Fall des Farbeffekts des Honor 10 nicht verstehe. Denn draussen sieht das Teil Hammer aus. Unser Demo ist Phantom Green und es schimmert in allen Farben von Rot über Gelb bis Grün.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.