Produkttest

Fujifilm X-Pro3: Konsequent retro

David Lee
24.10.2019

Merkwürdig: Fujifilm macht es dir bei der neuen X-Pro3 absichtlich schwer, den Sucher-LCD zu benützen. Was ist der Sinn davon? Ich konnte es bereits ausprobieren.

Gestern hat Fujifilm offiziell die neue Kamera X-Pro3 vorgestellt. Lieferbar ist sie voraussichtlich ab Ende November. Zuerst mal in aller Kürze die Leistungsdaten:

Das wichtigste und auffälligste Feature ist aber die sehr eigenartige Anordnung der Bildschirme. Auf der Rückseite der Fujifilm X-Pro3 befindet sich nämlich kein LCD, der das Livebild anzeigt. Stattdessen ist da nur ein kleiner Kontrollbildschirm mit den wichtigsten Aufnahmedaten – oder je nach Einstellung sogar nur mit der Filmsimulation. So ähnelt das Gerät äusserlich einer analogen Filmkamera.

Und genau darum geht es auch. Die X-Pro-Reihe von war schon immer voll auf Retro gestylt. Nicht nur in Bezug auf das Aussehen, sondern auch bei der Bedienung. Mit der X-Pro3 geht Fujifilm bloss einen Schritt weiter in diese Richtung.

Das scheint zunächst einmal nichts weiter als eine unsinnige Behinderung zu sein. Doch geht es Fujifilm offensichtlich darum, ein ähnliches Fotografieren wie zu Analogzeiten zu fördern. Sprich: Du sollst nicht auf Bildschirme starren, sondern die Welt beobachten. So entstehen möglicherweise bessere Bilder. Ich kann das grundsätzlich nachvollziehen: Trotz oder gerade wegen der Einschränkungen macht es mir Spass, ab und zu meine alte Filmkamera hervorzuholen.

Da uns Fujifilm ein Vorserienmodell ausgeliehen hat, konnte ich bereits ausprobieren, wie sich das eigenwillige Bildschirmkonzept in der Praxis anfühlt.

Erste Erfahrungen mit dem Mini-LCD

Der Mini-LCD hat keine Hintergrundbeleuchtung. Er sieht im ausgeschalteten Zustand genau gleich aus wie im eingeschalteten. Weil auch der Ein-Ausschalter nicht beschriftet ist, sehe ich der Kamera anfangs gar nicht an, ob sie läuft. Doch das ist leicht zu lernen: Steht der weisse Strich senkrecht zur Kamera, ist sie ausgeschaltet.

Mit der Anzeige des verwendeten Analogfilms sieht der kleine Bildschirm zwar hübsch aus, liefert mir jedoch kaum Informationen. Ich schalte ihn deshalb auf die Anzeige eines normalen Kontrollbildschirms um. Dessen Darstellung finde ich nicht besonders übersichtlich. Aber im Menü kann ich diese Anzeige meinen eigenen Bedürfnissen anpassen.

Dass ich den LCD ausklappen muss, um etwas im Menü einzustellen, finde ich umständlich. Da gibt es nichts schönzureden. Ich könnte zwar für Menü-Einstellungen auch durch den Sucher gucken. Aber dann müsste ich die Tasten blind bedienen. Dafür bin ich mit der Kamera noch nicht genug vertraut.

Entsprechend skeptisch mache ich mich auf den ersten Spaziergang mit der Kamera. Ich will herausfinden, ob ich tatsächlich anders, bewusster fotografiere.

Und das ist tatsächlich der Fall. Als erstes fällt mir auf, dass ich den grossen LCD nicht vermisse und kaum je ausklappe. Im elektronischen Sucher sehe ich das Bild ja ohnehin so, wie es nachher gespeichert wird – und kann mir auch eine Bildvorschau einblenden lassen. Das genügt vollkommen.

Ich bin also nicht im Blindflug wie bei einer Filmkamera. Dennoch ändere ich mein Verhalten ein wenig in die Richtung, wie ich es bei einer analogen Kamera an den Tag legen würde. Ich halte die Augen offen, konzentriere mich auf meine Umgebung statt auf das Gerät. Ich bewege mich viel, probiere viel aus, es macht Spass.

Einfach oder ausgefeilt: Die X-Pro3 kann beides

Dass die Automatik zuverlässig und flexibel funktioniert, trägt ebenfalls dazu bei, dass ich nicht ständig mit dem Gerät beschäftigt bin und mich aufs Motiv konzentriere. Wenn ich zum Beispiel die Blende wähle, überlasse ich die Wahl der Verschlusszeit und ISO gern der Kamera und weiss, dass sie das richtig macht.

Bei der X-Pro3 lässt sich die Automatik sehr gut feinjustieren. Die Kamera bietet zum Beispiel drei Presets für verschiedene ISO-Automatiken. So kann ich ein Preset anlegen, das Empfindlichkeiten bis 800 ISO erlaubt, eines für maximal 3200 ISO und eines für 12 800 ISO. Oder ich lege fürs Weitwinkelobjektiv ein Preset an, bei dem die Verschlusszeit länger als die voreingestellte 1/60 Sekunde sein darf.

Abends versuche ich eine Langzeitbelichtung. Das Drehrad der Verschlusszeiten geht nur bis zu einer Sekunde. Lösung: Die Einstellung «T» ermöglicht, die Verschlusszeit am vorderen Rad zu verändern.

Das Konzept gefällt mir. Für alles Alltägliche gibt’s einen Schnellzugriff, für speziellere Fälle ist ein kleiner, aber zumutbarer Umweg nötig.

Das alles ist übrigens bei Fujifilm nicht neu, aber ich erwähne es, weil es zu meinem Gesamteindruck passt: Die Kamera ist ein Tool für klassische Fotografen, nicht für Elektronik-Nerds.

Die unklare Wirkung von «Klarheit»

Mit der neuen Kamera kommen auch zwei neue Software-Features. Die angekündigte neue Filmsimulation «Classic Negative» war auf meinem Vorserienmodell noch nicht verfügbar. Ausprobieren konnte ich hingegen die neue Einstellung «Klarheit». Den Begriff kenne ich von Lightroom. In der Kamera ist er aber selbst auf dem Maximalwert subtil.

Normal:

Klarheit auf Maximum (Kamera):

Klarheit auf Maximum (Lightroom)

Leistung ähnlich wie Fujifilm X-T3

Fazit: Eine typische Fuji-Kamera

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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