

Fujifilm X-Pro3: Konsequent retro

Merkwürdig: Fujifilm macht es dir bei der neuen X-Pro3 absichtlich schwer, den Sucher-LCD zu benützen. Was ist der Sinn davon? Ich konnte es bereits ausprobieren.
Gestern hat Fujifilm offiziell die neue Kamera X-Pro3 vorgestellt. Lieferbar ist sie voraussichtlich ab Ende November. Zuerst mal in aller Kürze die Leistungsdaten:
- Rückwärtig belichteter Sensor mit 26 Megapixeln
- Gehäuse aus Titan
- Autofokus soll bis -6 EV funktionieren (bei sehr wenig Licht)
- Neuer Hybrid-Sucher mit OLED-Bildschirm und 3,6 MPx
- 4K Video mit 30 fps, Full HD mit 120 fps
- spritzwasser- / staubgeschützt und kälteresistent bis minus 10 Grad
- Zwei SD-Karten-Slots

Das wichtigste und auffälligste Feature ist aber die sehr eigenartige Anordnung der Bildschirme. Auf der Rückseite der Fujifilm X-Pro3 befindet sich nämlich kein LCD, der das Livebild anzeigt. Stattdessen ist da nur ein kleiner Kontrollbildschirm mit den wichtigsten Aufnahmedaten – oder je nach Einstellung sogar nur mit der Filmsimulation. So ähnelt das Gerät äusserlich einer analogen Filmkamera.

Und genau darum geht es auch. Die X-Pro-Reihe von war schon immer voll auf Retro gestylt. Nicht nur in Bezug auf das Aussehen, sondern auch bei der Bedienung. Mit der X-Pro3 geht Fujifilm bloss einen Schritt weiter in diese Richtung.
So kompromisslos wie bei die Leica M-10D, die überhaupt keinen Bildschirm hat, ist die X-Pro2 jedoch nicht. Die Kamerarückseite lässt sich ausklappen, und zum Vorschein kommt der vermisste grosse LCD. Allerdings kannst du den nicht um 180 Grad drehen und wieder ins Gehäuse einklappen, wie das zum Bespiel bei vielen Canon-Kameras der Fall ist. Der Bildschirm muss in Gebrauch ausgeklappt bleiben.
Das scheint zunächst einmal nichts weiter als eine unsinnige Behinderung zu sein. Doch geht es Fujifilm offensichtlich darum, ein ähnliches Fotografieren wie zu Analogzeiten zu fördern. Sprich: Du sollst nicht auf Bildschirme starren, sondern die Welt beobachten. So entstehen möglicherweise bessere Bilder. Ich kann das grundsätzlich nachvollziehen: Trotz oder gerade wegen der Einschränkungen macht es mir Spass, ab und zu meine alte Filmkamera hervorzuholen.
Da uns Fujifilm ein Vorserienmodell ausgeliehen hat, konnte ich bereits ausprobieren, wie sich das eigenwillige Bildschirmkonzept in der Praxis anfühlt.
Erste Erfahrungen mit dem Mini-LCD
Der Mini-LCD hat keine Hintergrundbeleuchtung. Er sieht im ausgeschalteten Zustand genau gleich aus wie im eingeschalteten. Weil auch der Ein-Ausschalter nicht beschriftet ist, sehe ich der Kamera anfangs gar nicht an, ob sie läuft. Doch das ist leicht zu lernen: Steht der weisse Strich senkrecht zur Kamera, ist sie ausgeschaltet.

Mit der Anzeige des verwendeten Analogfilms sieht der kleine Bildschirm zwar hübsch aus, liefert mir jedoch kaum Informationen. Ich schalte ihn deshalb auf die Anzeige eines normalen Kontrollbildschirms um. Dessen Darstellung finde ich nicht besonders übersichtlich. Aber im Menü kann ich diese Anzeige meinen eigenen Bedürfnissen anpassen.

Dass ich den LCD ausklappen muss, um etwas im Menü einzustellen, finde ich umständlich. Da gibt es nichts schönzureden. Ich könnte zwar für Menü-Einstellungen auch durch den Sucher gucken. Aber dann müsste ich die Tasten blind bedienen. Dafür bin ich mit der Kamera noch nicht genug vertraut.
Entsprechend skeptisch mache ich mich auf den ersten Spaziergang mit der Kamera. Ich will herausfinden, ob ich tatsächlich anders, bewusster fotografiere.
Und das ist tatsächlich der Fall. Als erstes fällt mir auf, dass ich den grossen LCD nicht vermisse und kaum je ausklappe. Im elektronischen Sucher sehe ich das Bild ja ohnehin so, wie es nachher gespeichert wird – und kann mir auch eine Bildvorschau einblenden lassen. Das genügt vollkommen.
Ich bin also nicht im Blindflug wie bei einer Filmkamera. Dennoch ändere ich mein Verhalten ein wenig in die Richtung, wie ich es bei einer analogen Kamera an den Tag legen würde. Ich halte die Augen offen, konzentriere mich auf meine Umgebung statt auf das Gerät. Ich bewege mich viel, probiere viel aus, es macht Spass.
Das liegt allerdings nicht nur am Display-Layout. Auch andere Dinge an der Kamera helfen mir, mich auf das Beobachten, auf Motive und Ideen zu konzentrieren. Zum Beispiel die für Fujifilm typische, aus dem Analogzeitalter übernommene Bedienung: Blende am Blendenring des Objektivs, Belichtungszeit am Wählrad. Das ist sehr einfach, schnell und direkt. Ich habe zudem nur ein Objektiv zur Verfügung, und dieses kann nicht zoomen. Dafür ist es sehr lichtstark. Auch das erinnert mich ein wenig an das Fotografieren im Analogzeitalter.



Einfach oder ausgefeilt: Die X-Pro3 kann beides
Dass die Automatik zuverlässig und flexibel funktioniert, trägt ebenfalls dazu bei, dass ich nicht ständig mit dem Gerät beschäftigt bin und mich aufs Motiv konzentriere. Wenn ich zum Beispiel die Blende wähle, überlasse ich die Wahl der Verschlusszeit und ISO gern der Kamera und weiss, dass sie das richtig macht.
Bei der X-Pro3 lässt sich die Automatik sehr gut feinjustieren. Die Kamera bietet zum Beispiel drei Presets für verschiedene ISO-Automatiken. So kann ich ein Preset anlegen, das Empfindlichkeiten bis 800 ISO erlaubt, eines für maximal 3200 ISO und eines für 12 800 ISO. Oder ich lege fürs Weitwinkelobjektiv ein Preset an, bei dem die Verschlusszeit länger als die voreingestellte 1/60 Sekunde sein darf.

Abends versuche ich eine Langzeitbelichtung. Das Drehrad der Verschlusszeiten geht nur bis zu einer Sekunde. Lösung: Die Einstellung «T» ermöglicht, die Verschlusszeit am vorderen Rad zu verändern.
Das Konzept gefällt mir. Für alles Alltägliche gibt’s einen Schnellzugriff, für speziellere Fälle ist ein kleiner, aber zumutbarer Umweg nötig.
Das alles ist übrigens bei Fujifilm nicht neu, aber ich erwähne es, weil es zu meinem Gesamteindruck passt: Die Kamera ist ein Tool für klassische Fotografen, nicht für Elektronik-Nerds.
Die unklare Wirkung von «Klarheit»
Mit der neuen Kamera kommen auch zwei neue Software-Features. Die angekündigte neue Filmsimulation «Classic Negative» war auf meinem Vorserienmodell noch nicht verfügbar. Ausprobieren konnte ich hingegen die neue Einstellung «Klarheit». Den Begriff kenne ich von Lightroom. In der Kamera ist er aber selbst auf dem Maximalwert subtil.
Normal:

Klarheit auf Maximum (Kamera):

Klarheit auf Maximum (Lightroom)

Leistung ähnlich wie Fujifilm X-T3
Die X-Pro3 hat den gleichen Sensor hat wie die Fujifilm X-T3. Bildrauschen sehe ich selbst bei hoher ISO wenig, aber die Bilder verlieren ab 3200 ISO sichtbar an Schärfe. Für einen APS-C-Sensor scheint mir die Qualität aber sehr gut. Ich hatte erst ein Vorserienmodell, und die RAW-Konverter können RAW-Files dieser Kamera noch nicht verarbeiten, aber die Bildqualität dürfte in etwa gleich sein wie bei der Fuijfilm X-T3.


Ich habe mich bei diesem kurzen Test ganz auf die Sache mit dem Bildschirm konzentriert. Technisch gesehen übertrifft die X-Pro3 die X-T3 nicht, die Videofunktion ist sogar schlechter. Ein Extra der X-Pro-Serie ist der Hybrid-Sucher, der sowohl elektronisch als auch «optisch» (Guckloch) funktioniert. Der optische Sucher der X-Pro3 ist verbessert worden, doch mir sagt er grundsätzlich nicht zu. Beim 23mm-Weitwinkelobjketiv, das ich verwendet habe, verdeckt es einen grossen Teil des Sucherbildes. Im Nahbereich stimmt auch der Bildausschnitt nicht, weil sich das Guckloch an einem anderen Ort befindet als das Objektiv. Aber der optische Sucher passt zu einer Kamera im Retro-Design und wird sicher auch seine Fans finden.
Fazit: Eine typische Fuji-Kamera
Hat Fujifilm mit dem Bildschirm-Layout etwas anders gemacht, nur damit es anders ist? Nach dem ersten Ausprobieren finde ich: nein. Die X-Pro-Reihe war schon immer für Retro-Fans, und dieser Kundschaft dürfte die Idee grösstenteils gefallen. Alle anderen müssen ja nicht ausgerechnet diese Kamera kaufen, es gibt unzählige Alternativen mit normalem Sucher-LCD. Generell verfolgt Fujifilm seit langem die Strategie, aussergewöhnliche Kameras zu bauen, anstatt sich mit der Konkurrenz ein Rennen um die besten technischen Daten zu liefern. Und ist damit erfolgreich.


Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.