Hintergrund

Das neue rote iPhone hinterfragt

Apple hat ohne grosses Brimborium ein neues iPhone veröffentlicht. Der einzige Unterschied zum iPhone 7 ist, dass es jetzt rot ist. Aber das Produkt selbst ist nur die halbe Geschichte. Spannend wird die Frage nach dem Zweck der vom iPhone unterstützten Charity.

Spannender wird es, wenn wir das neue iPhone ansehen. Das iPhone (PRODUCT)RED. «Red» müsste hier hochgestellt sein, aber das kann unsere Website aktuell noch nicht. Und sowieso, wenn wir denn noch das obligate ™ hinten anhängen wollen, dann wären wir zwei Ebenen höher als Text. Also: «Product Red» im Rest des Artikels.

Das undurchsichtige Charity-iPhone

Das iPhone Product Red ist knallig rot und polarisiert.

Aber ich habe es trotzdem getan. Für dich, lieber Leser.

Der Satz, der die höhe des karitativen Beitrags pro verkauftem iPhone benennt, ist absent. Spendet Apple überhaupt etwas?

Die junge Charity

(RED), oder Project Red, wurde im Jahre 2006 von U2-Sänger Bono gegründet, der selben Band, die dir im Jahr 2014 ein Album einfach mal so in deine iTunes-Bibliothek geladen hat.

Das Album Songs of Innocence war ungewollt und nervig

Wenn Bono dich nicht um deine Nerven singt, dann nimmt er eine Rolle ein, die bestenfalls als «Umweltnervensäge» bezeichnet werden kann. Er setzt sich für Menschen- und Tierrechte ein sowie den Umweltschutz. Er gibt nicht nach, nervt die Grossen und Reichen dieser Welt. Normalbürgern dürfte er höchstens damit auf den Nerv gehen, dass er nicht mit seiner Nerverei aufhört. Gut so.

Der Markenname Product Red wird verkauft, der Erlös teilweise gespendet

Bisher haben unter anderem mitgemacht:

  • Apple
  • U2
  • Beats by Dre, Tochterfirma Apples
  • Nike
  • Starbucks
  • Canon

Auch gut so.

Karitatives unter Beschuss

Aber Project Red kommt nicht ohne Kritik aus. Hauptsächlich wird der U2-Charity vorgeworfen, viel zu viel Geld für PR-Aktionen aufzuwenden und vergleichsweise wenig an den Global Fund abzuzweigen. Mit dieser Kritik sieht sich jede karitative Organisation früher oder später konfrontiert und jede Charity hat früher oder später ein Argument dagegen, das stichhaltig und, wenn manchmal auch nicht logisch, zumindest plausibel ist.

Red verpasst nicht nur die Möglichkeit, ziviles Engagement seines Publikums zu fördern, sondern… gibt Unternehmen die Möglichkeit die Macht über Spenden und deren Höhe zu erlangen. – Wirgau, Jessica (2010). "Is Business Discourse Colonizing Philanthropy? A Critical Discourse Analysis of (PRODUCT) RED.". Voluntas: International Journal of Voluntary and Nonprofit Organizations.

Weitere Kritikpunkte umfassen die fehlende Nachhaltigkeit des Verkaufsmodells, zu viel Geld gehe an Pharmakonzerne, die dann ihre Medikamente verkaufen, dass Project Red als Ganzes nur ein Marketing-Gimmick sei. Dazu der Vorwurf, dass die Spendenhöhe von 50% des Gewinns weit übertrieben ist.

Daher: Etwas Mathematik.

Rechnen wir Apples Spende aus

Es ist schwierig, zu sagen, wie hoch der Gewinnanteil Apples ist, der an Project Red geht. Denn aus obigem Zitat geht nur hervor, dass Apple insgesamt 130 Millionen US Dollar gespendet hat.

Einfacher ist es, herauszufinden, wie hoch der Reingewinn Apples ist. In einer Pressemitteilung vom Oktober 2016 gibt der Konzern an, im vierten Quartal des Geschäftsjahres 2016 insgesamt 9 Milliarden Dollar als Gewinn erwirtschaftet hat. Die Gesamteinnahmen liegen übrigens bei 46.9 Milliarden.

Im Video habe ich die Überschlagsrechnung von 12 Millionen pro Jahr gemacht, aber hier kann ich mathematisch exakt arbeiten. Damit wir vom selben Zeitraum sprechen, müssen wir eine Quartalsspende Apples ausrechnen, gerundet auf zwei Stellen nach dem Komma.

130’000’000/11/4 = 2’954’545.45

Und jetzt ein Dreisatz.

9’000’000’000 → 100%

2’954’545.45 → x


Lösen wir nach x:

x = 100/9’000’000’000*2’954’545.45 = 0.03

Daher spendet Apple, wenn der Gewinn in den vergangenen Jahren statisch bei 9 Milliarden pro Quartal liegt, 0.03% des Gewinns, Product Red oder nicht. Mein erster Gedanke bei dieser Zahl, speziell im Kontext der Ansage, dass bis zu 50% des Gewinns aus den Product-Red-Produkten an Project Red geht, war «Ist schon etwas mickrig».

Aber rechnen wir mal weiter. Zum einen mache ich einen Rechnungsfehler. Ich nehme den Gesamtgewinn Apples, nicht der Gewinn, der aus Product-Red-Produkten kommt. Wenn ich nur Product Red berücksichtigen würde, dann wäre die Prozentzahl wohl wesentlich höher.

Zum andern ist eine theoretische Quartalsspende von 2’954’545.45 Dollar, also 11’818’181.80 Dollar pro Jahr, doch eine stattliche Summe.

Zum Vergleich: Der Schweizer Durchschnittslohn lag 2015 bei umgerechnet 64’100 US Dollar. Wie lange muss wohl der durchschnittliche Schweizer arbeiten, wenn er 100% seines Lohnes spenden würde, um auf eine Jahresspende von 11’818’181.80 Dollar zu kommen?

11’818’181.80/64’100 = 184,37

Wem die 184 Jahre und 4 Monate Arbeit zu viel sind: Ein Schweizer müsste 46 Jahre, 32 Tage, 20 Stunden und 20 Minuten arbeiten um auf die Quartalsspende von 2’954’545.45 Dollar zu kommen.

Der Vorteil einer statischen Spende

Apropos iPhone Product Red: Schauen wir uns das Gerät etwas genauer an.

Das rote iPhone

Fragen über Fragen

In diesem Artikel habe ich eine Menge Fragen aufgeworfen. Einige davon habe ich Apple gestellt. Ich wollte wissen, wieso es keine Keynote oder ähnliches zum Produktrelease gegeben hat. Zudem habe ich mich nach der Art der Zusammenarbeit, vor allem auf finanzieller Ebene, von Apple und Red erkundigt.

Andrea Brack, PR Managerin bei Apple Schweiz, hat binnen kurzer Zeit geantwortet:

Besten Dank für Ihre Anfrage. Das iPhone (PRODUCT) RED ist eine Erweiterung der iPhone 7 Product line und wurde per Medienmitteilung angekündigt:
Apple.com

Apple kommuniziert keine weiteren Details, Danke für Ihr Verständnis.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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