Audio-Kompression: Wie wichtig ist das Equipment?
Hintergrund

Audio-Kompression: Wie wichtig ist das Equipment?

David Lee
26.1.2018

Dass High End besser klingt, ist klar. Doch hört man damit auch Unterschiede der Audio-Komprimierung besser? Ein Selbstversuch.

Mein Beitrag neulich zu Audio-Kompression enthielt auch ein Blindtest. Dabei konnten die Versuchspersonen nur gerade das schlechteste MP3 mit einer variablen Bitrate von 65 kbit/s problemlos identifizieren. Bereits eine VBR von 130 kbit/s konnten sie nicht mehr vom unkomprimierten Signal unterscheiden.

  • Hintergrund

    Audio-Kompression: Fakten, Mythen und ein Blindtest

    von David Lee

Für den Test wurde ganz normale Hardware verwendet: ein PC-Audio-Ausgang und ein durchschnittlicher Kopfhörer. Dies sollte ein Alltags-Setting simulieren. Es stellt sich aber natürlich die Frage, ob man mit besserer Hardware mehr heraushört. Viele Leser waren der Meinung, dass das der Fall sei.

Ich beschliesse also, den Test mit High-End-Hardware zu wiederholen. Allerdings nur an mir selbst, ich lade nicht mehr alle Testpersonen erneut vor. Falls dir eine Probandenzahl von 1 zu wenig ist: Die Testfiles kannst du nach wie vor auch selbst herunterladen und auf deiner (hochwertigen) Hardware anhören.

High End auf meinem Schreibtisch

Chief Editor Aurel Stevens zeigt mir mal, was ein richtiger Kopfhörer ist und schleppt das Ungetüm Stax SR-303 an – mitsamt dem Verstärker Stax SRM-323II, der nötig ist, um den Kopfhörer zum Klingen zu bringen. Ich höre etwas Musik, die direkt von den Rohdaten erzeugt wird. Der elektrostatische Kopfhörer klingt fantastisch. Weil die Files von einem speziellen Audio-Player abgespielt werden, kann ich in diesem Moment aber weder die Testfiles noch mir bekannte Stücke hören.

Ein elektrostatischer Kopfhörer.
Der Kopfhörer hat einen speziellen Stecker, man braucht den Stax-Verstärker dazu.

Als nächstes schliesse ich wieder den Audio-Ausgang des Notebooks an den Stax an. Einerseits zum Vergleich und andererseits, damit ich die Testfiles überhaupt hören kann. Frust: Ich erkenne nach wie vor nur das schlechteste File. Ich merke zwar, dass die anderen nicht genau gleich klingen, kann aber nicht sagen, was besser und was schlechter ist. Die Vermutung liegt nahe, dass der Audio-Ausgang des Notebooks einfach kein gutes Signal liefert.

Der Audio-Ausgang des Smartphones bringt keine besseren Ergebnisse.

Weg mit diesem Notebook-Ausgang!

Nun kopiere ich die Testfiles auf einen USB-Stick, damit ich sie auf meiner Stereoanlage Onkyo CR-N755 hören kann. Die sollte ja wohl in der Lage sein, ein hochwertiges Signal zu liefern. Zuerst schliesse ich meinen Sennheiser-Kopfhörer an. Den Stax könnte ich ja nur indirekt anschliessen, indem ich den Stax-Verstärker an den anderen Verstärker anhänge.

Via USB-Stick gelangen die Testfiles auf die Stereoanlage. Nicht die eleganteste Lösung, aber so bekomme ich anständigen Output ohne Zusatzgerät.

Die schlechtesten Files, die sowieso immer erkannt werden, kann die Stereoanlage gar nicht abspielen. Es bleiben also die vier höherwertigeren Varianten. Bei der Klassik wirkt das eine Stück irgendwie flach und ich höre in den leisen Partien andere Hintergrundgeräusche. Dies muss das zweitschlechteste File sein (130 kbit/s VBR).

Beim Jazz kann ich nichts Eindeutiges festmachen, habe aber so ein diffuses Gefühl, dass manche Varianten sich einfach besser anhören als andere. Ich notiere mir auf dieser wackligen Grundlage eine exakte Reihenfolge.

Beim Rock klingt ein File für mich unangenehm, das notiere ich mir. Ebenfalls aus einem diffusen Gefühl heraus notiere ich mir noch die vermeintlich drittschlechteste Version. Ein konkreter Anhaltspunkt fehlt mir allerdings.

Endlich High End

Einige Tage später: Ich habe vergessen, was ich mir zuvor notiert hatte und wiederhole den Test nun auch noch mit dem Stax.

In der Klassik höre ich nun beim einen File ganz deutlich, wie sich die Hintergrundgeräusche unterscheiden. Den Rest kann ich jedoch nicht eindeutig auseinanderhalten.

Jazz: In den leisen Momenten sind im einen File seltsame «Flickerflackergeräusche» zu hören. Dies muss das zweitschlechteste sein. Ich höre dies auch in einem weiteren File, aber weniger deutlich.

Rock: Ich identifiziere ein File als «flach» klingend und allgemein schlecht. Die anderen sind kaum unterscheidbar.

Fazit

Endlich gönne ich mir einen Blick auf die Lösung. Meine Tipps waren richtig. Sowohl mit meinem Sennheiser als auch mit dem Stax konnte ich das zweitschlechteste Kompression richtig identifizieren. Erstaunlicherweise hatte ich mit dem durchschnittlichen Kopfhörer die Jazz-Reihenfolge komplett richtig. Ohne allerdings sagen zu können, woran ich das festmache. Einfach so vom Gefühl her.

Mit dem elektrostatischen Super-Duper-Kopfhörer konnte ich nicht mehr Dateien richtig identifizieren. Aber dort, wo ich einen Unterschied hörte, hörte ich ihn sehr deutlich und war mir absolut sicher, dass es sich nicht um Einbildung oder ein unbestimmtes Gefühl handelt.

Ich komme zu folgendem Schluss: Der Audio-Ausgang meiner Geräte (Smartphone, Notebook) ist einfach nicht gut genug, um mittlere Kompression zu erkennen. Umgehe ich diese Quelle, höre ich den Unterschied. Dazu brauche ich nicht einmal einen extrem guten Kopfhörer, ein mittelguter reicht auch.

So umgehst du den Audio-Ausgang

Auch am Notebook bringst du ein hochwertiges Audio-Signal hin. Zur Umgehung des normalen Outputs brauchst du ein Audio-Interface. Das ist eine Soundkarte mit eigenen Ein- und Ausgängen, die meist als externes Gerät daher kommt.

Die meisten Audio-Interfaces sind für Musiker gedacht und bringen daher spezielle Treiber mit kurzen Latenzen mit. Ein klassisches Audio-Interface für Musiker:

Für normales Musikhören sind so kurze Latenzen gar nicht nötig, das obige Produkt wäre überqualifiziert. Es reicht auch so etwas wie das hier:

Dieser kleine Kopfhörerverstärker ist auch ein DAC. Die Abkürzung steht für digital-to-analog converter, auf Deutsch auch D/A-Wandler. Wikipedia nennt es DAU, aber das ist für mich eher die Abkürzung für «dümmster anzunehmender User». Jedenfalls holt sich das Gerät die digitalen Daten über USB und wandelt sie selbst in analoge Audio-Signale um. Und zwar auf eine bessere Art, als es die Standard-Audioverarbeitung des Notebooks tut.

Natürlich kannst du auch einfach einen hochwertigen Audio-Player nutzen, der alles Nötige bereits mitbringt. Dieser hier beispielsweise ist sowohl Media-Player als auch USB-DAC:

Für TV, Spielkonsolen und andere Geräte mit einem optischen oder koaxialen Ausgang eignet sich zudem das FiiO Taishan.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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