Abo lösen statt Konsole kaufen? Gehört die Zukunft dem Streaming?
Hintergrund

Abo lösen statt Konsole kaufen? Gehört die Zukunft dem Streaming?

Google will angeblich eine eigene Game-Plattform lancieren, die auf Streaming setzt. Auch Sony und Microsoft denken in die gleiche Richtung. Ist die Zeit der klassischen Konsolen vorbei oder ist die Idee noch zu fantastisch?

Es brodelt mal wieder in der berühmten Gerüchteküche. Verantwortlich ist Google, respektive Jason Schreier, der renomierte News Editor bei der Game-Website Kotaku. Der hat nämlich geschrieben, dass Google eine eigene Game-Plattform plant, die es mit Playstation und Xbox aufnehmen soll. Das besondere daran: Games werden übers Internet gestreamt, statt auf einer lokalen Konsole berechnet zu werden. Google ist nicht das einzige (Game-)Unternehmen, das in diese Richtung denkt.

So will Google die Game-Branche knacken

Das erste mal hörte man im Februar durch die US-Seite The Information über Googles Projekt namens «Yeti». Viele erwarteten an der Entwicklerkonferenz Google I/O mehr darüber zu erfahren. Dem war leider nicht so. Umso grösser war nun der Wirbel, den Schreiers jüngster Artikel auslöste. Darin bezieht er sich auf fünf Quellen, laut denen Google aktiv eine neue Game-Plattform aus dem Boden stampfen will.

Es gibt noch keine konkreten Infos zur Hardware, die Plattform soll aber im Stile von Geforce Now funktionieren. Das heisst, du spielst Games auf Googles Servern und das Endgerät braucht lediglich ein Video abzuspielen. Theoretisch wäre das selbst in einem Browser-Tab auf deinem Smartphone möglich. Statt eine neue Konsole zu kaufen, würdest du einfach ein Abo lösen (oder Werbung über dich ergehen lassen?). Gemunkelt wird zudem, dass Youtube implementiert werden soll. Steckst du mal an einer Stelle fest, könntest du mit einem Klick die passende Youtube-Walkthrough in einem Fenster abspielen lassen.

Der Nexus Player war Googles erstes Android-TV-Gerät. Damit konnten Android-Games auf dem Fernseher gespielt werden.
Der Nexus Player war Googles erstes Android-TV-Gerät. Damit konnten Android-Games auf dem Fernseher gespielt werden.

Laut Schreier plant Google mit Yeti keine halben Sachen. So versuche das Unternehmen, Game-Entwickler unter das eigene Dach zu bringen. Sei das durch Rekrutierung oder Übernahmen ganzer Studios. Sowohl an der Game Developer Conference (GDC) als auch an der E3 hat sich der Suchriese mit verschiedenen grossen Game-Firmen getroffen. Googles Ambitionen im Game-Bereich haben sich schon 2014 gezeigt, als es um die Akquirierung von Twitch ging. Bekanntermassen grätschte damals Amazon mit einem Sack voll Geld dazwischen.

Auch mit «Pokémon Go» beziehungsweise davor mit «Ingress» hat Google wertvolle Erfahrungen in der Game-Branche sammeln können. Das verantwortliche Studio Niantic begann als internes Startup bevor es sich 2015 von Google löste. Mit der Einstellung von Phil Harrison im Januar, der als ehemaliger Top-Manager bei Playstation und Xbox zu den Veteranen der Branche gehört, hat Google seine Absichten ebenfalls klar gemacht.

Google ist nicht alleine

Xbox-Chef Phil Spencer sieht die Grenze zwischen Konsolen verschwinden.
Xbox-Chef Phil Spencer sieht die Grenze zwischen Konsolen verschwinden.

Sollte sich Google tatsächlich in den Kopf gesetzt haben, die Game-Branche aufzumischen, dürfte das hohe Wellen schlagen. Die bestehenden Platzhirsche schlafen aber nicht. Gegenüber dem US-Magazin Variety erklärte Ubisoft-CEO Yves Guillemot, dass er noch eine klassische Konsolen-Generation sehe, bevor sie von Streaming abgelöst werde. Auch Xbox-Chef Phil Spencer ist überzeugt, dass die Zukunft im Streaming steckt und dass die Grenzen zwischen Konsolen verschwinden werden. «Es geht weniger darum, das richtige Gerät für ein bestimmtes Spiel zu haben, als dass dein Lieblingsspiel auf jedem deiner Geräte läuft», sagte er gegenüber Variety.

Über Sonys Absichten ist noch nicht viel bekannt. Dafür besitzen die Japaner im Vergleich zur Konkurrenz bereits einen Game-Streaming-Dienst. Dieser nennt sich Playstation Now und offeriert über 650 Spiele von PS2- bis PS4-Ära. Die lassen sich nicht nur ohne Installation auf der PS4 spielen, sondern sogar am PC. Das Know-how kommt unter anderem durch die Übernahme von Onlive. Eine der ersten Firmen, die sich am Game-Streaming versuchte.

Playstation Now ist Sonys Streaming-Service.
Playstation Now ist Sonys Streaming-Service.

Kombiniert man diese Ausgangslage mit der angeblichen Hardware der PS5, könnte Sony zum Vorreiter im Streaming-Rennen werden. Denn in der nächsten Playstation soll ein AMD-Grafikprozessor namens Navi zum Einsatz kommen. Navi basiert auf dem 7nm-Herstellungsprozess. Laut PCGamesN sei dieser Grafikprozessor im mittleren Segment einzuordnen und damit schwächer als Radeon Vega oder die 10er-Serie von Nvidia. Damit wäre die PS5, die wohl erst 2020 zu erwarten ist, nicht schneller als ein aktueller PC. Falls die Konsole aber primär zum Streamen gedacht ist und nur in zweiter Linie selber Spiele berechnen muss, würde diese Hardware natürlich locker ausreichen.

Amazon, die sich für 980 Millionen Dollar Twitch gekauft haben, sind ebenfalls nicht in der schlechtesten Position was das Streaming anbelangt. Amazon Web Services ist einer der grössten Anbieter von Cloud Computing. Dropbox, Netflix oder Reddit gehören zu den Kunden. Mit Double Helix, das nun zu den Amazon Game Studios gehört, hat sich der Online-Versandhändler auch schon einen respektablen Game-Entwickler unter den Nagel gerissen. Sollte sich das Unternehmen entscheiden, ins Game-Streaming einzusteigen, wäre mit dem FireTV sogar bereits die passende Hardware im Umlauf.

Mit Twitch hat Amazon einen breiten Fuss sowohl im Game- als auch Streaming-Bereich.
Mit Twitch hat Amazon einen breiten Fuss sowohl im Game- als auch Streaming-Bereich.

Erfolgreiches Game-Streaming setzt voraus, dass wir nicht mehr auf physische Medien angewiesen sind. Mit EA Play oder Xbox Pass sind bereits Netflix-ähnliche Dienste für Games vorhanden. Digitale Käufe sind für PC-Spieler ohnehin längst die Norm und auch auf den Konsolen nimmt der Anteil von Jahr zu Jahr zu.

Vier grosse Probleme

Die Branche ist sich offenbar einig, wohin der Weg geht. Statt alle paar Jahre immer leistungsfähigere PCs und Konsolen zu kaufen, outsourcen wir die Rechenleistung und streamen die Games direkt auf unser Endgerät. In der Theorie klingt das alles schön und gut. In der Realität sind noch einige Hürden zu überwinden. Mit Geforce Now, Playstation Now, oder dem französischen Dienst Shadow, den Kollege Kevin Hofer derzeit testet, kannst du schon jetzt ausprobieren, wie das Ganze funktioniert. Damit du nicht in Super-Nintendo-Qualität spielen musst, brauchst du dafür eine schnelle Internetleitung.

Nvidia empfiehlt bei Geforce Now mindestens 50 Mbit/s wenn du in Full HD und mit 60 fps zocken willst. Damit liegen wir aber hinter der Qualität der PS4 Pro, der Xbox One X oder einem potenten PC, die höhere Auflösungen und/oder mehr fps schaffen. Für 4K/60fps bräuchtest du also bereits eine 200 Mbit/s-Leitung. Die durchschnittliche Internetgeschwindigkeit hierzulande beträgt gerademal 38 Mbit/s. Selbst wenn man davon ausgeht, dass Gamer tendenziell mehr Wert auf schnelle Leitungen legen, so erfüllt derzeit ein grosser Teil nicht die Mindestvoraussetzungen. Das könnte in ein paar Jahren wenn die PS5 oder die Google-Konsole erscheint, anders aussehen. Die Schweiz besitzt im internationalen Vergleich eine der schnellsten Internetverbindungen. Andere haben also noch die schlechtere Ausgangslage.

Nvidia macht mit Geforce Now Game-Streaming jetzt schon möglich.
Nvidia macht mit Geforce Now Game-Streaming jetzt schon möglich.

Kommen wir zum zweiten Problem: Verfügbarkeit. Längst nicht jeder Gamer auf der Welt besitzt einen Internetanschluss. Als Microsoft bei der Vorstellung der Xbox One ankündigte, dass sie Always On sei, ging ein Aufschrei durch die Szene. Und nicht etwa nur aus Schwellen- oder Drittweltländer, die davon besonders betroffen wären. In weiten Teilen der USA ist schnelles Internet noch längst kein Standard. Hinzu kommen hundertausende von Soldaten, die in ihren Militärbasen ebenfalls nicht die neuste Glasfaser-Leitung haben dürften. Wir müssen nicht mal so weit suchen. In der Schweiz besitzt laut Bundesamt für Statistik knapp jeder zweite einen Breitbandanschluss. Die Statistik zählt leider nicht Haushalte, weshalb sie mit Vorsicht zu geniessen ist.

Das dritte Problem betrifft die riesigen Datenmengen. Da Spiele beim Streamen nicht mehr installiert werden, verbrauchen sie stattdessen kontinuierlich Daten. Gehen wir von den 50 Mbit/s aus, die Nvidia bei Full HD mit 60 fps empfiehlt, würden pro Stunde Gamezeit 22,5 GB Daten durch die Leitung gejagt. Pro Woche kommen da schnell über 100 GB zusammen. Während wir in der Schweiz nur beim Handy Datenlimits kennen, ist es in vielen Ländern, darunter auch die USA, weit verbreitet eine Downloadgrenze zu setzen. Skalieren wir das Ganze noch für höhere Auflösungen, wird es erst recht dramatisch.

Das vierte Problem: Datenzentren. Hier haben Google und Amazon die besten Voraussetzungen. Um Games an Millionen von Spielern auf der ganzen Welt verzögerungsfrei streamen zu können, braucht es einen Haufen Server und zwar möglichst nahe am Einsatzort. Je weiter weg du wohnst, desto grösser wird die Verzögerung. Nvidia besitzt für Geforce Now sechs Datenzentren weltweit. Um beispielsweise einmal alle 80 Millionen PS4-User von heute ohne teure Konsole zocken zu lassen, müsste die Infrastruktur noch deutlich wachsen. Besonders PC-Spieler, die mit Maus und Tastatur zocken, spüren auch kleinere Verzögerungen, die durch hohe Distanz oder Überlastung entstehen, sofort.

Zukunftsmusik

Nvidia gab zu, dass Game-Streaming noch in den Kinderschuhen steckt.
Nvidia gab zu, dass Game-Streaming noch in den Kinderschuhen steckt.

Sollte Google oder jemand anders ernsthaft eine Konsole oder eine Game-Plattform in Erwägung ziehen, die streamingbasiert ist, so steht ihm eine schwierige Aufgabe bevor. Zumindest wenn man davon ausgeht, dass echte Konsolen- und PC-Spiele gestreamt werden sollen und keine Mobile-Games. Mit der aktuellen Infrastruktur sowohl auf Hersteller- als auch Konsumentenseite sind die Voraussetzungen nur bedingt gegeben.

Für den Erfolg einer reinen Game-Streaming-Konsole oder -Plattform braucht es flächendeckendes und schnelles Internet, unlimitierte Datenmengen und riesige Serverfarmen, die den Traffic bewältigen können. Kein Wunder also, dass selbst Nvidia CEO Jen-Hsung Huang auf die Bremse stand. Vor einem Jahr sagte er anlässlich der Verkündung der Quartalszahlen, dass Geforce Now noch Jahre vor einer finalen Version entfernt sei. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass selbst das Streamen innerhalb der eigenen vier Wände noch längst nicht so geschmeidig läuft wie es könnte – und da kommt ein Gigabit-Netzwerk zum Einsatz.

Bleibt auch die Frage wie es mit der Akzeptanz bei den Spielern aussieht. Wie tauschen wir dann die Games? PS5 und Xbox Two? (selber Schuld, wer sich mit den Namen so in eine Sackgasse manövriert) werden wohl noch zwei klassische Konsolen werden. Eine Hybrid-Form wäre denkbar, schliesslich macht das die PS4 jetzt schon. Und da Google berüchtigt dafür ist, Projekte wieder fallen zu lassen, sollte man auch da nicht zu viele Hoffnung reinstecken.

Umfrage

Wird die nächste Konsolengeneration auf Streaming setzen?

  • Ja, voll und ganz
    6%
  • Ja, aber es wird eine Mischlösung
    41%
  • Nein, es wird noch eine klassische Generation folgen
    34%
  • Keine Ahnung
    2%
  • Nein, Game-Streaming wird sich nicht durchsetzen
    17%

Der Wettbewerb ist inzwischen beendet.

Titelbild: Brauchen wir für Spiele wie «Cyberpunk 2077» keine eigene Konsole mehr?

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Als Game- und Gadget-Verrückter fühl ich mich bei digitec und Galaxus wie im Schlaraffenland – leider ist nichts umsonst. Wenn ich nicht gerade à la Tim Taylor an meinem PC rumschraube, oder in meinem privaten Podcast über Games quatsche, schwinge ich mich gerne auf meinen vollgefederten Drahtesel und such mir ein paar schöne Trails. Mein kulturelles Bedürfnis stille ich mit Gerstensaft und tiefsinnigen Unterhaltungen beim Besuch der meist frustrierenden Spiele des FC Winterthur. 


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